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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIII (1978 / Heft 160 und 161)

 
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sondern solche, die sich an eine weiter zurücklie- 
gende Überlieferung hielten. Und das ist nur im er- 
sten Jahrzehnt denkbar. 
Das gilt auch für die Art der Marketerie. denn die 
Steinplatten aus Konglomerat und die Versteine- 
rungen. die hier als Anregung dienten, wurden be- 
sonders im ausgehenden 18. Jahrhundert sehr ge- 
schätzt. Für das große Interesse, das damals gerade 
in Wien den Petretakten entgegengebracht wurde, 
sei als Beispiel der berühmte Stahltisch von Anton 
Domanek aus dem Jahre 1770 genannt, der sich 
heute im Schloß von Versailles befindet und dessen 
Platte aus einer geschliffenen Versteinerung be- 
steht's. Ja Fürst Prosper Sinzendorf (1751-1822) be- 
saß eine so umfangreiche Petrefaktensammlung, 
daß er dafür bei dem seit 1775 durchgeführten Um- 
bau von Schloß Ernstbrunn eigens einen großen 
Saalbau, den dorischen "Steinsaal", errichten 
ließzs. 
V. 
Der Kreis schließt sich. Anhand von stichhaltigen 
Gründen konnte bewiesen werden, daß die bisher in 
der Literatur angegebene Datierung einiger Wiener 
Kleinmobel in die zwanziger. tasogar in die dreißiger 
Jahre des 19. Jahrhunderts nicht den Tatsachen 
entspricht. Es kann dafür nur das ausgehende erste 
Dezennium des Jahrhunderts oder- um sich für alle 
Fälle einen großeren Spielraum zu schaffen - die 
Zeitmarke "um 1805 bis um 1815" in Betracht kom- 
men (siehe dazu auch Anm. 27, a). 
Bleibt also nur noch, die Konsequenz aus diesen Er- 
fahrungen zu ziehen und sie auch an dem eingangs 
erwähnten Schreibtisch Benedikt Holls, von dem 
diese Untersuchung ihren Ausgang nahm, auf ihre 
Richtigkeit hin zu überprüfen (Abb. 1). Und siehe da. 
die Probe stimmt und es lassen sich auch für die Da- 
tierung dieses Möbels die gleichen Gründe wie für 
die anderen anführen. Das beginnt bei den Tisch- 
beinen, besser dem Stützensystem. Seine Gestal- 
tung folgt einer Konzeption, deren Ergebnis oben 
(IV.) als Dschone, ornamentale Figur" zu charakteri- 
sieren versucht wurde. Auch mit einer Schulzeich- 
nung aus dem ersten Jahrzehnt gibt es weitgehende 
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Übereinstimmungen (Abb. 2)". Hier sei vor allern 
auf das gedrechselte toskanische Säulchen verwie- 
sen und auf die in die geschweiften Beinpaare (oder 
Stützen) eingeschriebenen Palmetten, die wie ge- 
bogen wirken und dort erstmals angedeutet sind. 
Zwar istdie Schulzeichnung undatiert. doch geht sie 
im Charakter mit den datierten Blattern durchaus 
konform. Sie stammt aus der gleichen Zeit und ver- 
tritt oder propagiert den gleichen Stil. 
Wir kommen zum Schluß. Wenn Hermann Schmitz 
1923 schrieb: "In Wien tritt am ersten, schon in den 
Arbeiten Holls nach 1815, die Wandlung des klassi- 
zistischen Möbelstils in das weichere und rundli- 
chere Biedermeier eine", so hat er damit entschei- 
dend zur Bildung einerallgemeinen Meinung beige- 
tragen, wcnach man die Wiener Kleinmöbel - von 
der Art, wie sie hier vorgestellt wurden - in der Fol- 
gezeit fälschlich dem Biedermeier zurechnete. Das 
"Weiche-- und "Rundlicher- dieser eleganten Sekre- 
tare und kleinen Tische beruht auf ganz anderen 
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Voraussetzungen als das nweichett und "Rundli- 
chet- des Biedermeier. 
Hier wollen wir uns doch an einen Zeitgenossen hal- 
ten, der 1825 zu folgender Feststellung kam: wDurch 
eine Reihe von Jahren suchte man das Äußere der 
Einrichtungsgegenstande durch ... Schnitzwerk 
..., Beschläge... oder . .. Metallbronze zu erhö- 
hen; seit den Jahren 1823 und 1824 nahm aber diese 
Verzierungsart immer mehr ab, und der Wiener Ge- 
schmack verbannte dieselben endlich größtenteils 
und forderte dagegen reinere Tischlerware, Die 
Wiener Möbel gehen seitdem mehr ins Schwere und 
Massige über. . 39m 
Damit sind die fur das Biedermeier ausschlagge- 
benden Kriterien erwahnt. Mit ihrer Berucksichti- 
gung hatte man sich endgültig von einer Auffas- 
sung, Richtung oder Überlieferung losgesagt, die 
letztlich im Vor-Empire, im Klassizismus des ausge- 
henden 18. Jahrhunderts wurzelte und sich von dort 
herleitete. Die runden (schweren) Formen des Bie- 

	        
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