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sondern solche, die sich an eine weiter zurücklie-
gende Überlieferung hielten. Und das ist nur im er-
sten Jahrzehnt denkbar.
Das gilt auch für die Art der Marketerie. denn die
Steinplatten aus Konglomerat und die Versteine-
rungen. die hier als Anregung dienten, wurden be-
sonders im ausgehenden 18. Jahrhundert sehr ge-
schätzt. Für das große Interesse, das damals gerade
in Wien den Petretakten entgegengebracht wurde,
sei als Beispiel der berühmte Stahltisch von Anton
Domanek aus dem Jahre 1770 genannt, der sich
heute im Schloß von Versailles befindet und dessen
Platte aus einer geschliffenen Versteinerung be-
steht's. Ja Fürst Prosper Sinzendorf (1751-1822) be-
saß eine so umfangreiche Petrefaktensammlung,
daß er dafür bei dem seit 1775 durchgeführten Um-
bau von Schloß Ernstbrunn eigens einen großen
Saalbau, den dorischen "Steinsaal", errichten
ließzs.
V.
Der Kreis schließt sich. Anhand von stichhaltigen
Gründen konnte bewiesen werden, daß die bisher in
der Literatur angegebene Datierung einiger Wiener
Kleinmobel in die zwanziger. tasogar in die dreißiger
Jahre des 19. Jahrhunderts nicht den Tatsachen
entspricht. Es kann dafür nur das ausgehende erste
Dezennium des Jahrhunderts oder- um sich für alle
Fälle einen großeren Spielraum zu schaffen - die
Zeitmarke "um 1805 bis um 1815" in Betracht kom-
men (siehe dazu auch Anm. 27, a).
Bleibt also nur noch, die Konsequenz aus diesen Er-
fahrungen zu ziehen und sie auch an dem eingangs
erwähnten Schreibtisch Benedikt Holls, von dem
diese Untersuchung ihren Ausgang nahm, auf ihre
Richtigkeit hin zu überprüfen (Abb. 1). Und siehe da.
die Probe stimmt und es lassen sich auch für die Da-
tierung dieses Möbels die gleichen Gründe wie für
die anderen anführen. Das beginnt bei den Tisch-
beinen, besser dem Stützensystem. Seine Gestal-
tung folgt einer Konzeption, deren Ergebnis oben
(IV.) als Dschone, ornamentale Figur" zu charakteri-
sieren versucht wurde. Auch mit einer Schulzeich-
nung aus dem ersten Jahrzehnt gibt es weitgehende
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Übereinstimmungen (Abb. 2)". Hier sei vor allern
auf das gedrechselte toskanische Säulchen verwie-
sen und auf die in die geschweiften Beinpaare (oder
Stützen) eingeschriebenen Palmetten, die wie ge-
bogen wirken und dort erstmals angedeutet sind.
Zwar istdie Schulzeichnung undatiert. doch geht sie
im Charakter mit den datierten Blattern durchaus
konform. Sie stammt aus der gleichen Zeit und ver-
tritt oder propagiert den gleichen Stil.
Wir kommen zum Schluß. Wenn Hermann Schmitz
1923 schrieb: "In Wien tritt am ersten, schon in den
Arbeiten Holls nach 1815, die Wandlung des klassi-
zistischen Möbelstils in das weichere und rundli-
chere Biedermeier eine", so hat er damit entschei-
dend zur Bildung einerallgemeinen Meinung beige-
tragen, wcnach man die Wiener Kleinmöbel - von
der Art, wie sie hier vorgestellt wurden - in der Fol-
gezeit fälschlich dem Biedermeier zurechnete. Das
"Weiche-- und "Rundlicher- dieser eleganten Sekre-
tare und kleinen Tische beruht auf ganz anderen
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Voraussetzungen als das nweichett und "Rundli-
chet- des Biedermeier.
Hier wollen wir uns doch an einen Zeitgenossen hal-
ten, der 1825 zu folgender Feststellung kam: wDurch
eine Reihe von Jahren suchte man das Äußere der
Einrichtungsgegenstande durch ... Schnitzwerk
..., Beschläge... oder . .. Metallbronze zu erhö-
hen; seit den Jahren 1823 und 1824 nahm aber diese
Verzierungsart immer mehr ab, und der Wiener Ge-
schmack verbannte dieselben endlich größtenteils
und forderte dagegen reinere Tischlerware, Die
Wiener Möbel gehen seitdem mehr ins Schwere und
Massige über. . 39m
Damit sind die fur das Biedermeier ausschlagge-
benden Kriterien erwahnt. Mit ihrer Berucksichti-
gung hatte man sich endgültig von einer Auffas-
sung, Richtung oder Überlieferung losgesagt, die
letztlich im Vor-Empire, im Klassizismus des ausge-
henden 18. Jahrhunderts wurzelte und sich von dort
herleitete. Die runden (schweren) Formen des Bie-