Zeit als Äbtissin vorstandz.
Die österreichische Seidenindustrie, deren Anfän-
ge sich bis in die 60er Jahre des 17. Jahrhunderts
zurückverfolgen lassen, wo französische und ita-
lienische Meister zu ihrem Aufbau nach Wien be
rufen wurden, hatte sich bereits beträchtlich ent-
wickelt, als Kaiserin Maria Theresia um die Mitte
des 18. Jahrhunderts durch verschiedene Mittel
begann, ihr zu einem bedeutenden Aufschwung zu
verheifenß. So propagierte die Herrscherin, daß in
ihren Landen allein Wiener Seidenstoffe Verwen-
dung finden sollten. Sie selbst, die ebenso wie ih-
re Töchter die Seidenstickerei persönlich ausübte,
soll nur Gewänder aus einheimischen Geweben
getragen haben. Der Rohstoff allerdings mußte
eingeführt werden, da der bereits für das 17. Jahr-
hundert belegte Versuch, Maulbeerbäume und
Seidenraupen in Österreich zu züchten, bei den
dafür zu rauhen klimatischen Verhältnissen zum
Scheitern verurteilt war. 1749 erließ die Kaiserin
zudem ein Dekret, das den Import fremdiändi-
scher Fertigstoffe verbot. Wie Rechnungen beie
gen, wurden jedoch wegen der überaus großen
Nachfrage weiterhin vor allem aus Frankreich
stammende hochwertige Seiden eingeführt. Dar-
über hinaus engagierte Maria Theresia berühmte
französische Seidenweber, die in Wien die Webe-
kunst lehrten, 1751 Regeln für die Qualität und die
Breite des Stoffes aufsteiiten und nach Lyoner
Vorbild eine Entwurfschuie gründeten.
Auch der große Meßornat Maria Theresias im
Schnütgen-Museum wird so in Wien selbst herge-
stellt worden sein. Dafür spricht nicht zuletzt auch
der enge formale und stilistische Zusammenhang
mit verschiedenen im Kloster der Heimsuchung
Mariae in Wien entstandenen Werken der Seiden-
stickerei. Zu nennen wäre etwa die Kasel des in
den 20er Jahren von den Salesianerinnen aus den
Brautkleidern der Erzherzogin Maria Josepha und
der Erzherzogin Amalie verfertigte und bestickte
große Weihnachtsornat, bei dem auf Silberbrokat
in vielfarbiger Seidenstickerei Blumen in reichster
Tonschattierung wiedergegeben sind, oder aber
die Sakramentsfahne, für die Schwestern des Klo
sters in den 30er Jahren weißen Seidenrlps ver-
wendeten und in Cheniilestickerei mit einer üppi-
gen naturalistischen Biumenkomposition verzier-
ten. Beide Stücke befinden sich im Kloster der
Heimsuchung Mariae. Der gleiche Stil der Wieder-
gabe fioraler Motive mit besonders sorgfältiger,
nach der Natur gestalteter Behandlung der Schat-
tengebung findet sich auch bei der 1727128 wohl
ebenfalls in Wien entstandenen Stickerei auf der
von der Kaiserinwitwe Wiihelmine Amalie gestifte-
ten Kasei im Stift Zwetti. in der bunten Aneinan-
derreihung verschiedenster Blumen zu einer ein-
heitlichen Komposition, wie sie sich auf den Dal-
matiken und Kaseln unseres Ornats zeigt, ist auch
auf dem um 1745 aus dem Prunkkleid der Kaiserin-
witwe Elisabeth Christine in Wien ebenfalls im
Kloster der Heimsuchung Mariae gearbeiteten An-
tependium zu sehen, das besonders große Über-
einstimmungen mit unseren Stücken aufweist
(Abb. er.
Alle genannten, in diesem Kloster ausgeführten
Seidenstickereiwerke, denen sich weitere hinzufü-
hochbedeutenden und berühmten Lyoner Manu-
faktur geprägt wurde und deren Maxime äußerster
Naturalismus gewesen ist. Bei dieser Richtung ist
besonders das Bestreben um eine naturgetreue
Wiedergabe floraler Themen festzustellen. Dies
hatte zur Folge, daß für eine subtile Schattenge-
bung größtmögliche Sorgfalt aufgewendet wurde,
die ja auch bei unserer Gruppe deutlich zum Aus-
druck kommt.
J.-Ch. Dutiliieu schreibt um die Mitte des 18. Jh.s
die Entwicklung dieses Stiles dem 1750 verstorbe-
nen Lyoner Entwurfzeichner M. Courtois zu und
hebt, wie auch 1764 J. de i'Hiberderie in seinem
Werk iiLe dessinateur pour ies fabriqueur d'etof-
fes d'or, d'argent et de soieu, besonders die bis
dahin in der Seidenkunst unbekannte delikate Ab-
schattierung hervor: wEn 1730 un dessinateur de
fabrique de Lyon, nomme Courtois, vouiut rompre