lich Rotmarmor, der seit rund 800 Jahren im Rau-
me von Adnet bei Hallein gebrochen wird. Die wis-
senschaftlich an sich falsche Bezeichnung (es
handelt sich vielmehr um Kalkgesteine) wird hier
beibehalten, weil es üblich geworden ist, in der
technischen Praxis, im Steinhandwerk und in der
kunsthistorischen Fachliteratur von "Rctmarmont
zu sprechen.
Das einzige bedeutende Denkmal der Rotmarmor-
Sepulkralplastik, das sich in Salzburg erhalten
hat, ist die Deckplatte der ehemaligen Tumba des
hl. Vitalis in der dortigen Stiftskirche St. Peter. Die
Platte soll im Mittelpunkt dieses Berichtes ste-
hen.
Vitaiis war zweiter Bischof von Salzburg und Abt
. von St. Peter. Er starb ca. 730. Sein Leib wurde
1181 erhoben, die 1459 eingeleitete Kanonisation
konnte nie zu einem Abschluß gebracht werdeng.
Das Werk gehört zu denjenigen Grabdenkmälern,
auf denen die längst Verstorbenen als Mitglieder
des himmlischen Jerusalem in der Weise darge-
stellt wurden, iidaß ihre Existenz auf Erden mit ih-
rer Existenz im Himmel als ,unIösbar verknüpff
(das augustinische Jnvicem permixte') er-
Sühielluw. Mit geöffneten Augen liegt der Heilige
auf dem Bahrtuch, das von sechs Engeln, die alle
den Betrachter anblicken, gehalten wird. Zwei Lo-
wen befinden sich zu seinen Füßen. Anstelle eines
Kissens wird der Kopf von einem großen tellerför-
migen Nimbus hinterfangen. Als Attribut wies der
Heilige ursprünglich nur das Pedum - mit einer
Halbfigur des hl. Petrus in der Krümme - und das
Missale auf. Die aus seiner Brust herauswachsen-
de Lilie kam als individuelles Attribut erst im
18. Jh. auf".
Die Grabplatte ist in den 40er Jahren des 15. Jh.s
entstanden. Sie ist ein schönes Beispiel dafür, wie
der alte Dualismus Gewand-Körper, der um 1400
vorübergehend zum Ausgleich gekommen war,
von neuem vehement aufbricht und beginnt, den
Weichen Stil von innen her auszuhöhlen und auf-
zulösen. Die ungeschmeidigen Schneckeneinrol-
lungen der Mahnen der Löwen haben ihre Vorbil-
der in den Löwen des Aribograbmales in Seeonl?
und der Herzogstumba ln der Straubinger Karme
litenkircheli. Die schematischen Gesichtszüge
des Heiligen und die aus kantigen Stegen beste-
henden Falten der Glockenkasel erlauben weder
eine Datierung um 1420" noch um 149715. Die En-
gel am Vitalissteln lassen sich auf die Engel der
Straubinger Tumba und der Tumba Herzog Ernsts
des Eisernen in der Zisterzienserkirche in Rein,
Steiermarklß, zurückzuführen.
An den Engeln zeigt sich die Tendenz, den Wei-
chen Stil zu überwinden. Wenn auch die Verschie
denheit der Schädelbildung und die Anordnung
der Locken noch an die Straubinger Engel erin-
nern, so ist doch die ausdruckslose Einförmigkeit
der Mund- und Augenpartien nicht zu übersehen.
Nur der mittlere Engel der rechten Seite weist eine
feinere Haarbehandlung auf, als hätte ihn ein an-
derer Meister geschaffen.
Wenn sich auch in Salzburg nur wenige Rotmar-
morgrabsteine erhalten haben - abgesehen von
den Wappengrabsteinen -, läßt sich doch die
Grabmalkunst Salzburgs an Werken im Umkreis
fassen. So wurde beispielsweise die Entwicklung
der spätgotischen Grabplastik in der Steiermark
weitgehend von den Salzburger Exportwerken
überlagert". Ein Hauptwerk ist darunter der Tum-
badeckel Herzog Ernsts des Eisernen (gest. 1424)
im Stift Rein. Wieder gibt es enge Beziehungen zu
dem Aribostein in Seeon von einem Künstler, des-
sen nicht mehr überprüfbarer Name Hans Heider
lautet. Der ehemalige Unterbau der Tumba hat
sich nicht erhalten. Von seinem ursprünglichen
Standort im Chor der romanischen Stiftskirche
von Rein wurde die Grabplatte 1766 an die Nord-
seite des neuerbauten barocken Kirchenchores
12
übertragen. Der Herzog liegt in voller Rüstung im
vertieften Mittelfeld. Auf den Schilden in den
Ecken befinden sich die Wappen von Österreich,
Steiermark, Kärnten und Krain.
Der Herzog liegt mit geöffneten Augen auf einem
breiten Kissen. Über dem Plattenharnlsch tragt er
einen Mantel, der auf der Brust mit Schließen zu-
sammengehalten wird und den zwei Engel so hin-
ter ihm ausbreiten, daß er auf den Rücken der Lö-
wen sich unter den Füßen des Herzogs erstreckt.
Die Engel füllen mit ihren Flügeln die leeren Flä-
chen des lnnenfeldes. Darin kann man Anklänge
an Werke, wie sie die Heiderwerkstatt hervor-
brachte, sehen. Die Engelsköpfe sind den Köpfen
der Wappenhalter auf der Aribotumba ähnlich.
Auffallend sind die dem Seeoner und dem Reiner
Stein gemeinsame Behandlung des Mantels, der
über die Schultern straff gespannt wird und zu ei-
ner Art Höhlung über dem Schwertknauf wird, und
die gebohrten Löwenaugen, von denen das eine
noch mit Glaspaste gefüllt ist. ln Rein biegt sich
5 Grabpiatte für den Kanonlker Wolfgang Ebner, Chor-
herr zu St. Johann in Regensburg. Rotmarmor, um
1440
Anmerkungen W23
9 Lexikon für Thedldgie und Kirche Hrsg. v Michael Buchberger
FreiburglEr. ed. 1d. 193a. sp 659
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und moderne Kunst. 22. (1977) H. 152. s. rslt.
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St, Peter. Salzburg 199a". s. 15
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1978. S. 298
" ebd 5.291".
" Friedrich ll. Kelserresidenz Wiener Neustadi. Ausstellungskatalog
Wiener Neustadt 1966. s. 31a
" Franz Wagner, Die Siegelhilder der Salzburger Erzbischofe des
gpegalttelalters, l1l' alte und moderne Kunst. 2:1. ttsnsi H 155
Geza Haios. ein unbekanntes l-iieran nius-naliar aus der Burg
Liechtenstein in Nlederosterreich. In sterr Zs.f Kunst u Denk-
n
malpflega. 2a tt972) s. azrl
" t-laliri a.a 0.. s. sott.
" F. Martin. Berchtesgaden. Augsburg 192a. Abb. s. 35
1' w. Pinder, Die deutsche Plastik vom ausgehenden Mittelalter bis
zum Ende der Renaissance. Berlin 1929. S 255
die rechte Hüfte kaum merklich durch. Die E
ge der Achsialität der Seeoner Ritterfigu
scheint hier abgeschwächt. Ebenso wie
Kopf des Aribo umrahmen Bart und Locken g
mäßig das Gesicht. Dadurch wirkt der Stein e
altertümlich. Seine Fertigstellung zu Lebz
des Herzogs ist eher anzunehmen als die
H. Dornik geäußerte Vermutung, die Herste
der Platte sei erst im Auftrag seines Sohnes l
rich erfolgtlß. Auch die Körperhaltung der L1
mit ihren wie ausgeleiert wirkenden Hälser
auf eine frühere Entstehung schließen.
braucht nur auf die Thronlöwen des Thronsii
von Erzbischof Pilgrim von Puchheim (1361
1396) hinzuwelsenß.
Auf ein sehr bedeutendes Salzburger Rotma
relief auf Burg Liechtenstein in Niederöster
hat Geza Hajos aufmerksam gemachtzß. Es
den hl. Hieronymus, der sich von seinem Les
abgewendet hat und dem vor ihm stehende
wen den Dorn aus der Pranke zieht. Zwei Sc
begleiten im Hintergrund die Szene. In de
schung aus Heraldik der Löwendarstellung
aus gut beobachtetem Naturalismus de:
schmeidig sich auf die Hinterfüße stellende
wen erkennen wir wieder den Zusammenhan
den Löwen auf dem Aribograbmal und auf
Stein in Rein. Für die Kenntnis der Salzburge
marmorplastik in der 1. Hälfte des 15. Jh.s is
Relief auch deswegen von Bedeutung, weil e
Zeugnis für die Verwendung des Materials
für andere Aufgaben darstellt. Mit Recht verr
Hajos, daß die Tafel aufgrund ihres Fcrmati
den Kirchenväterdarstellungen einer Kanze
hört haben muß.
Ein weiteres Hauptwerk der Salzburger Sepu
plastik ist der Grabstein für den 1435 gestorb
Propst Petrus Pienzenauer in der Stiftskirc
Berchtesgaden". Beinahe wie eine vcllplasti
Figur liegt der Propst im Mlttelfeld der Grabp
deren profilierte Rahmung er an den Langss
berührt, aber nicht überschneidet. Der Kop
den geschlossenen Augen und der hohen
liegt schwer in einer Höhlung, die sein Gewit
das Kissen drückt. Das Gesicht weist eine D
formung in Details - weiche Rundung der Al
bogen, Gegenrundung der Lider, in Linienf
eingespannter Mund - auf, die den Grabste
einem Höhepunkt der Sepulkralplastik mat
Der ganze Körper ist in den Ornat gehüllt. D
ist fast überall verziert. Nur das Gesicht zeig
glatte Haut, derjede Erschlaffung des Todes
- Die Kette und das Pektorale leiten zu den Ra
über, mit denen die Kasel bestickt ist. Die Kt
glieder liegen auf dem glatten Untergrund
goldschmiedehafter Brillanz in der Meißeltei
sind sie ausgeführt. Ebenso ist auf die Wied
be des Brustkreuzes eine Sorgfalt gelegt
die Vermutung aufkommen läßt, ein origil
Goldschmiedestück habe als Vorbild gedient
großen Schüsselfalten und den kleineren f:
ähnlichen Fiaffungen des Stoffes nachgel
zieht sich das Band mit den Ranken bis zum
ren Rand der Kasel.
Während der Typus des stehenden Geistli
mit Pedum und Missale auf den meisten Grat
nen so angelegt ist, daß beide Hände mehr
weniger erhoben sind, hat der Bildhauer hier
Art Kontrapost der Arme gewählt, die es ih
laubt, mit dem nach unten weisenden linken
eine Ausgewogenheit zu erreichen, die zusan
mit der Hüftausbiegung die ganze Körperha
starker zur Geltung bringt. Auch die das Pt
haltende kleine Figur hat eine wohldurchdz
Haltung. Bedauerlicherweise ist der Kopf z
brochen. Ein Vergleich mit dem Grabstein de
rich Permoser, gest. 149522, der als Gegen:
zum Pienzenauerstein in der Berchtesgat
Stiftskirche gedacht war, zeigt, wie die Figu