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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIV (1979 / Heft 162)

 
Joachim Henne, wohl eher vor 1640 geboren, seit 
den frühen 1660er Jahren in Hamburg nachweis- 
lich tätig, wird seit dem 25. September 1671, viel- 
leicht schon seit dem 15. September des Vorjah- 
res, für den königlich-dänischen Hof in Kopenha- 
gen als abilthuggerri bezahlt35. 
Die Veritas-Filia-Temporis-Gruppe ist im Inventar 
der königlich-dänischen Kunstkammer vom 
20. April 1673 (beendet am 1. Vlll. 1674) erwähnt36 
und erscheint auch im Inventar des Jahres 169037. 
Sie ist mit großer Sicherheit nicht mit der im Mu- 
seum Wormianum 1653l55 abgebildeten und seit 
1653 beschriebenen Gruppe identisch, die Giovan- 
ni Bolognas Sabinerinnen-Gruppe wiedergibtaß. 
Damit könnte man für die zwei Bildnisbüsten an 
eine Entstehung nach Hennens gesichertem Ham- 
burger Aufenthalt (1663-1665) denken, der viel- 
leicht sogar bis 1670 dauerte, also um 1670175. Un- 
ter diesem hypothetischen Zeitansatz könnte man 
in der jüngeren der Dargestellten vielleicht das 
Bildnis der bis 1670 mit Friedrich lll. von Däne 
mark regierenden Sophie Amalie von Braun- 
schweig-Lüneburg (gest. 1685), der Erbäuerin von 
Schloß Amalienborg in Kopenhagen, sehen39. Die 
Nasen-Augen-Partie, der zusammengekniffene 
kleine Mund und das dickliche Kinn scheinen ty- 
pisch und ähnlich den späteren Bildnissen. - Ob 
die zweite Büste (Abb. 8) dieselbe Person, nur äl- 
ter, eine Verwandte oder doch gar Fremde dar- 
stellt, wäre genauer zu prüfen. Die Altersbildnisse 
Sophie Amaliens sind nicht unahnlichw, und über 
den Grad der Bildnisähnlichkeit bei Joachim Hen- 
nens Medaillons wissen wir noch zuwenig. 
Nach dem Alter des Dargestellten müßte die 
8,8 cm hohe Elfenbeinbüste König Friedrichs lll. 
von Dänemark, des 1610 geborenen, 1670 gestor- 
benen Gemahls Sophie Amaliens, der seit 1648 re 
gierte, nach 1660 entstanden sein, wenn man die 
im Barock durchaus übliche Neigung berücksich- 
tigt, den Dargestellten verjüngt zu zeigen, was na- 
türlich auch durch Benutzung älterer Bildnisse ge- 
schieht (Abb. 10)". Die Identität ist im Vergleich 
mit zahlreichen gemalten und gestochenen Por- 
träts der Zeit gesichert42. Lorbeerbekränzt, ä l'An- 
tique gekleidet, mit Maske am Harnisch und mit 
dem Elephantenorden vor der Brust, unterschei- 
det sich die Büste in ihren kleinteilig-scharfen Ein- 
zelformen deutlich von den früheren Hamburgerß 
und für oder in Gottorf entstandenen" Bildnisme 
daillons, auch von dem fließend-weich modellier- 
ten Porträt Friedrichs lll. als Dreiviertelfigur in m0 
discher Flüstung mit Hermelin und Kragen auf 
Schloß Rosenborg (Abb. 19W. 
18 
Diese Auffassung des antikischen Bildnisses 
französischer Prägung, mit Frontalansicht und 
fein drapiertem, nach unten sich verjüngendem 
Büstenabschnitt, der in den hier mitgearbeiteten 
kleinen Sockel übergeht, greift offensichtlich di- 
rekt auf niederländische Prototypen zurück, und 
zwar weniger auf die mit modischen Attributen 
versehenen Büsten von Bartholomäus Eggers 
oder Pieter Xavery (die z.B. zu den Bildnissen 
Hans Freeses und Thomas Quellinus" führen) als 
auf die klassizistische Richtung Jerome 
Duquesnoysw und besonders Francois 
Dieussarts". Dessen großzügig-eindrucksvolle 
Bronze des Dänenkönigs von etwa 1644 (gegossen 
1661164) auf Rosenborg (Abb. 11) zeigt, wie zurück- 
haltend und bescheiden das sonst den gleichen 
Motivschatz verwendende Elfenbein geworden ist. 
Ob diese Büste mit den zwei Frauenbildnissen 
(Abb. B, 9) zu einer Serie gehörte, wäre - nach Ma- 
Ben und Stil - nicht auszuschließen. Sicher zuge 
hörig ist eine Fleihe anderer Bildnisse, so die Bü- 
ste König Christians V. von Dänemark (164 bis 
1699), des Nachfolgers Friedrichs lll., die den Dar- 
stellungstypus durch das die Draperie raffende 
Ordensband und die Betonung des Elephantenor- 
dens variiert und belebt (Abb. 12W. Im Vergleich 
mit Bildnissen des Prinzen bzw. Königs der Jahre 
1665-167518049, z.B. auch mit Gottfried Wolf- 
rams markantem Profilmedaillon50 und Joachim 
Hennens eigener Miniatur von 1692 (Abb. 21), 
möchte man den Dargestellten zwischen 20 und 
30 Jahre alt schätzen, was einer Datierung der Bü- 
ste in den Anfang der 1670erJahre entspräche. Ob 
das nach den Akten am 22. Juni 1676 bezahlte 
hochovale Elfenbeinrelief auf Rosenborg den Kö- 
nig im Triumph über Furor, Neid und Falschheitf" 
wirklich viel älter zeigt, möchte man angesichts 
der Fixierung des Typus und unserer Unkenntnis 
einer möglichen Vorlage bezweifeln. Die zeitliche 
Parallelität gewisser unterschiedlicher Stilmerk- 
male, vor allem in Hennens handwerklich-tech- 
nischer Behandlung des Materials, scheint zwei- 
fellos: relativ trocken-scharfe Einzelformen bei 
den Büsten, bei der Apotheose z.B. weich ver- 
schwimmende, relativ flache Bildung von Falten 
und Haar. Es wäre zu verlockend, mit der Rech- 
nungsnotiz vom 11. Dezember 1673 der königlich- 
dänischen Kammer wen billethugger tor dronnin- 
gens conterfei udi elfenben 30 m52 Joachim Hen- 
nen und diese 10,5 cm hohe Büste Charlotte Ama- 
liens (1650- 1714) zusammenzubringen (Abb. 13)53. 
Hennen wird allerdings - im Gegensatz etwa zu 
dem vkunstdreiertt Gottfried (Wolfram) - stets als 
3 Aulerweckung des Lazarus. Jacob Dobbermann? EI- 
fenbein. 15,4 x 25,5 cm. De dankse Kronologiske Sam- 
ling, Flosenborg, Kopenhagen 
Anmerkungen 35-69 
ß A. Ftohde, Der Eifenbeinschriitzer Joachim Henne, in Der Cicero- 
ne. XVll, 1925 ll, s 555, und E. Marquard (Hrsgb), Korigelige Kam- 
merregnskaber ira Frederik Ill.'s og. Christian V.'s Tid. Kopenha- 
gen 1913, s 61,75,99,109,133.136, 155,395 
ß Bering- 'slJerg,Kur1stkammerel.1B97.S. l61,rechteSpalteunten 
(Abschrift im Nationalmuseum. Original im Reichsarchiv, ioi. 17). 
" 1nventar1690, Nr. 123 (Abschriltmit Erganzungenua 17311736, 
im Nationalmuseum, fol. 10. Nr, 123) 
Barockplastik, 1977, s. 394. - Vgl. Bering-Llisherg, 1697, 5,126 
i" Barockplastik, 1977. s. 394. Anm. 3. - aering-Liisberg, 1897, 
Abb, s,31, s, 161, und H.D, schepelern, Museum wormianum, 
1971, s, 307 (Mus. w. s, 34a), S. 331, Nr. 17, Abb. s. 241. 
" P, Eller, Kongelige Poriraetmaiere i Danrnark 1630-92, Kopenha- 
gen 1971, Abb. s. 46111., 470, besonders s. 490, 495. 
"i Vgl, Anm, 39. 
" Rosenborg, inv. Nr. Ba, 5-300. H. mit Sockel 21,4 cm. -0b unter 
den bei Bering-Liisberg, 1097. s. 164 genannten -Kong Friderici 3 
Ccntraiaicti- aus Eiienbein unsere Buste isi, bieibtvoliig offen. Vgl. 
Anm, 45. 
" Eller, Portraetmalere, Abb. s. 459, 46111., 469i. 
" Barockplastik, 1977, Kat. Nr. 106-109, 1111. 
" Rohde, Henne. 1925 (s. Anm. 35), ll, Abb. 14, und E. Schlee, Got- 
torfer Kultur im Jahrhundert der universiiatsgrundung, Ausst Kai. 
Kiel 1965, s. 1601., Kat. Nrn. 4401. 
" lnv. Nr. 7- s. Rohde, Henne 1925, i), 6.559. Abb, 6. vgl. Abb,4 
(1675, christian v.). Das Relief sowohl im Inventar 1673. toi 20 
verso wie 1690, fol. 21, Nr, 313 erwähnt. 
"i M. Fransoiet, Francots du Quesnoy, erussei 1942. Tai. XXXII, a. 
" Avery, Dieussari, 1974 (s. Anm. 25), Abb. 4, 121., 191., 21,371. 
" Inv. Nr. 5-309, H. 9,4 cm, mit Sockel 20 cm Ruokseitig reich dra- 
piert, mitSchleife im Haar. Die Büstewiedie anderen weitriach hin- 
ten iiberstehend über dem sockelteil, 
ß Eller, Ponraetmaiere, Abb s, 490-493. 
W E. vßhilippovieh. Elienbein,laraunschvveig1961,Abb. B2,und Ba- 
rockplaslik, Hamburg 1977, Kat. Nr. 162, Abb. 
5' nohde, Henne, 1925. ll, s. 555, Abb -Marquard, Kammerregns- 
kaber, 191a, s. 155 nJockum Henni (ethuggerlorKMfs conter- 
lei udi altenben til hesi 26 rk. Es isl wohl keine Statuette, sondern 
ein Relief wie auch s. wclirams Tondo ll'l Flosenborg, inv Nr Da. 
6-44; vgl. Barockplastik 1977, s. 545, Anm, 21„ unter Kat Nr. 224, 
wo von Fleiterdenkmälern die Rede. 
51 Marquard, 1910, s. 109. 
53 lnv, Nr. Ba. 5-311, H 10.5 cm. rnit sockei 21,5 cm. 
51 Eiier. Porlraetmalere, 1971, Abb. s. 491. 49311 
i; lnv. Nr. Es. 5-312, H. 9.4 cm, mit sockel 20 cm 
55 Diese von Dr Jesssn, Kopenhagen, geäußerte Meinung heute wie- 
der zuruekgenommen. Jessen, dem ich iiir stete Hilfe auinohtig 
danke. denkt eher an den Gotzorver Hoikreis 
5' lnv. Nr. Ba 5247, Ea 5-251 Herzogin Marie Elisabeth. H. 14 cm - 
Zur ldentitat vgl. u.a. Schlee, Katalog Gotlorl. 1965, Abb. s. 361, 365 
sowie s 248i, 353 Beide erst 1946 vom Oberhofmarschallamt 
nach Rosenborg uberwiesen. 
5' Berbckpiastik, Hamburg, 1977, Kai. Nr. 105, Abb. 
i" Flohde, Henne, 1925. ll, Abb. 1-3, und schlee, Goitorf, 1965. s, 151, 
Kat, Nr. 4401., s, 414(1694 irri lnventargenannt). Zu prüfen ware, ob 
J. Hennen schon um 1665170 fiir Medaillen der Gottorler Modelle 
lieierte. s. Chr. Lange, Sammlung Schleswig-Holsteinischer Mun- 
zen und Medailien, I, 190a, s 20211, s 15111. 
59' Vgl die Bildnisse unter Anm. 57. 
s" Schlee, Gottort, 1965, s 229, und Barockplastik, Hamburg, 1977, 
S. 344 
" Zuletzt Barockplastik, Hamburg, 1977, s. 0011., Abb. 49 (L. seelig), 
S. 344ff., Kai. Nr, 86, Abb, 
"i Van Sypesieyn-Stichiing inv. Nr. BW 22, H. 63 crn. Links unten das 
Moriogramm PX" 
ß Neurderiburg, aeeldhouwkunst (s. Anm. 25). s. 12311 
" Zuletzt Barockplastik, 1977. s. 3351., Kai. Nr. 611., Abb - Der Ver- 
fasser holfi, nach dem aarnckpiastik-symposion in Posen im 
Herbst 1979 neuere Ergebnisse zu den Danziger Figuren vorlegen 
zu können. 
i! Barockplastik, 1977, Kat. Nr 115, Abb. 
i" Barockplastik, 1977, Kat. Nr 105, Abb 
5' Barockplastik 1977, Kat. Nr. 107. Abb. 
Es Rohde, Henne, 1925, ll, Abb, 6. lnv. Nr. 7-38 Vergl. Anm. 45. 
"i" Coll. L., London. 7,5 x 6 cm. - Auktion 2. Xll. 1969 sotheby, Lon- 
don, Nr. 45. Fiiickseitig eine englische Auischriit. 
 

	        
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