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keit erscheinen dem Betrachter im Umschreiten
der Plastik neue Ansichten. Durch die Konstruk-
tion als Hohlgebilde, den freien Verlauf der Kontu-
ren und die Saitenspannung erscheint das Werk
beim Wechsel des Lichtes, indem dieses verän-
dert oder es selbst bewegt wird, jeweils verschie
den. Es ist vom Lichtumraum, aber nicht von der
Gestaltung der Umgebung abhängig. Insofern ist
es wie das erste Beispiel ebenso transferierbar
und verlangt nicht nach einem bestimmten Ort.
Das Saitenspiel ist auf abstrakte Bildwerke be-
schränkt und erweiterte die Erfahrung auch ande-
rer Künstler. Es formuliert einerseits Beziehung
von einander gegenüberliegenden Flächen und
macht sie zu lnnenllächen der damit angegebe
nen Teilräume, andererseits schafft es auch Sub-
stanz und Struktur von Zwischenräumen. In Er-
gänzung zum gemaserten Holz (z.B. i-Vogelkorbii)
kann eine ie nach Beleuchtung variable "Schat-
tenmaserungu entstehen.
Die Antithese zu den Saiten bildet das von Archi-
penko übernommene Loch, der Durchbruch einer
Fläche. Es verbindet Außenflächen, schafft hier-
bei eine Beziehung zwischen vorne und hinten und
stellt selbst eine sichtbare (Negativ-Form dar.
Auch diese Löcher sind Zwischen- und Innenräu-
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me, sie stehen neben Körperräumen und bilden
mit diesen ein Kontinuum. Sind die Saiten nur bei
abstrakten Werken einsetzbar, gilt das nicht für
die Durchbrüche, Hohlräume und Ummantelun-
gen.
Die Strukturierung von Innenräumen der Plastik,
die damit zugleich in die Tendenz verfällt, sich ge
gen das Außen abzukapseln, findet ihr Echo wie
der in den berühmten Bunker- und Bergwerks-
zeichnungen, wo auch von der Themenstellung
her eine Verpuppung einzelner Gestalten, eine lso
lierung selbst bei Gruppen stattfindet. Dies wird in
der Folgezeit zu einer bipolaren Räumlichkeit, zu
einem Wechselspiel von "Innen und Außen" (Titel
einer Plastik) führen.
Mit Recht hat man festgestellt, daß in den 50er
Jahren bei Moore sich arbeitstechnisch vor allem
zwei Dinge ändern. Zum einen löst die Plastik die
Skulptur ab, d.h. Moore gestaltet nicht mehr aus
dem Block, sondern fügt zusammen, womit auch
die Technik des Bronzegusses an Interesse ge
winnt.
Zum andern zeichnet Moore immer weniger, son-
dern verwendet Maquetten als Vorbereitung. Auch
wenn ein Bildhauer mehrere Ansichten einer Pla-
stik zeichnet, so bleibt sie jeweils einansichtig.
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2 Henry Moore, Sailenplastik, 1933
3 Henry Moore, Liegende Figur Nr. 1. 1945
4 Henry Moore, Stehende Doppelfigur, 1950
5 Henry Moore, Mutter und Kind, 1953
6 Henry Moore, Drei stehende Figuren, 1947148