Damit diese von nLichtbügelrw getragene Figur
wirken kann, ist sie auf den Betrachter ausgerich-
tet. In den 50er Jahren ist bei vielen Plastiken eine
Tendenz zur Frontalität festzustellen. Oft hinter-
fangt Moore Figuren mit Stellwänden aus demsel-
ben Material. Ebenso frei aufgestellte Großplasti-
ken, wie die tiLiegendeu vor dem UnescoGebäude
in Paris (1957-58), bedürfen einer Architekturfolie,
auch wenn eine solche wie in diesem Fall vom
Künstler als negativer Faktor verstanden worden
ist.
Es erscheint paradox, daß Moore zur gleichen
Zeit. als er in den Landschaftsraum verstößt, eine
immer größere Reduktion in die Fläche in Kauf
nimmt. 1955 heftet er nur noch amorphe Massen-
fragmente an die Wand des Bouwcentrums in Rot-
terdam. Hier trifft er sich mit den Strömungen der
gleichzeitigen Malerei (etwa Asger Jorn), wiewohl
er nie die letzte, seinem Temperament widerspre
chende Konsequenz einer informellen Zertrümme
rung der Oberfläche zieht, wie wir sie in diesen
Jahren von so verschiedenen Künstlern wie J. Lip-
chitz, E. Paolozzi und J. Dubuffet kennen.
Der Angriff der Umwelt auf Plastik, vor dem sie
sich wie bei A. Giacometti auf anthropomorphe
Rest-Stelen zuruckzieht, zwingt die Gestalten in
die Fläche oder raubt ihnen ihre Leiblichkeit.
In den kleinköpfigen, knorpelig-geknoteten Kontu-
ren der "Stehenden Doppelfiguru (1950, Abb. 4),
denen wie die Arbeiten von D. Smith oder J. Miro
totemhafte Züge eignen, gelingt keine räumlich-
formale Identifizierung mehr. Die scheinbare Of-
fenlegung durch Beschränkung auf wenige Akzen-
te innerhalb des Gerüstes täuscht, weshalb Moore
es auch einfallen konnte, zwei identische Abgüs-
se nebeneinanderzustellen, deren verschränktes
Raumgeflecht nicht mehr zu überblicken ist, auch
wenn man sie x-mal umschreitet.
Wenn das Licht auf den Oberflächen informeller
aquetten, von denen sich Moore ein kleines
zumu zusammengestellt hat, wird das plasti-
Gebilde mehrsinnig erfaßbar. Es kann von
zren Seiten zugleich umfaßt werden, es kann
ig, in allen Zwischenstadien sichtbar, ge-
werden und - das wird in den nächsten
n immer wichtiger - es wird in seinen Rela-
I zur gesamten Umwelt kalkulierbar. Durch
zrspektive der Fotografie kann ein Stück in
ewünschte Landschaft hinein monumentali-
verden.
es allerdings zu einem Aufbruch in die
achaft kommt, setzt Moore die gegenstands-
ewonnenen Teilraume figural um.
"Liegenden Figur Nr. 1ir (1945, Abb. 3) ist ei-
nthese erreicht worden. Bei Wiederaufneh-
eines gegenständlichen Themas sind die
ume fließend aufgefaBt, es bilden sich ledig-
begrenzte Binnenvolumen, wie zwischen
und Schultern, aber keine inneren Hohlräu-
as verhindern die Durchbrüche, die im Kon-
zu den früheren Vollplastiken auf die skelett-
n Strukturen der 50er Jahre vorausweisen.
.icht gleitet die Formen leicht entlang und
je nach Ansicht und Beleuchtungsrichtung
tiedene Kreisläufe. Die Lichtbahnen sind bei
hen Formen stegartig begrenzt, manchmal
imern sie unentschieden in Grauwerten. Es
eine eindeutige Licht-Schatten-Grenze, son-
Wahrscheinlichkeitsbereiche, welche zu-
l Bewegungsrichtungen und Formen (Arme,
l sind. Mit anderen Worten, es gibt keine ein-
1 begrenzten Formen, mit denen Licht und
ten identisch sind (wie in der Frtthphase),
auch keine Licht-Schatten-Grenze, die je
Beleuchtung kontinuierlich verschiedene-
zle einer Form offenlegen (wie bei der "Sal-
lSlikrr).
Plastiken auseinanderbricht, so hat es bei den
vStehendenu ebensowenig kontinuierlichen Cha-
rakter, entweder es hellt auf oder es verschattet.
Solche Formen wandeln sich dadurch nicht, den-
noch gibt es Wirkungsunterschiede. Erzwingen
sie in der Rezeption ein Umschreiten, so verän-
dern sich dadurch die Hintergründe. Die Silhouet-
ten kommen am besten vor dem indifferenten
Leuchtgrund des leeren Himmels oder großer Plät-
ze zur Geltung. Mögen diese Folien nichts weiter
als jeweilige Flächen sein, so ist doch die Umwelt
essentiell und nicht beliebig. Denn sie wird in der
Plastik, durch sie hindurch gesehen und kann
mehr oder weniger stören. Von nun an wird Moore
größten Wert auf die Aufstellungssituation legen,
eine wechselseitige Gestaltung greift immer be
wußter Platz. Moore stellt nicht einfach nautono
me Plastik-i ins Freie, sondern das Verlangen da-
nach verändert das formale Vorgehen.
Eine Änderung der Aufstellung bringt eine neue
Licht-Urnraum-Situation mit sich. Da diese konsti-
tutiver Teil und Bedingung für die Plastik ist, kann
sie dadurch in ihrer Wirkung verlieren.
Den unruhigen 50er Jahren, in denen Moore expe-
rimentierend die weiteste Spannweite seines
Schaffens erreicht, folgen die 60er Jahre, in denen
sich die Oberflächen wieder glätten und die Monu-
mentalität weder durch mythische Verweise (n Der
König und die Königin", 1952-53, "Aufrechte Moti-
veir) noch durch Angst ("Mutter und Kindß, 1953.
Abb. 5) gestört wird und die stützenden Wandfo
lien fallen.
Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob man eine
Plastik umfassen kann, ob man sie verschiedenen
Beleuchtungsrichtungen aussetzen soll, ob man
sie umschreitet oder ob sie sich schließlich in der
freien Landschaft dem menschlichen Maßstab zu
entziehen sucht. Die zwei letzten Jahrzehnte hat
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