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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIV (1979 / Heft 162)

Damit diese von nLichtbügelrw getragene Figur 
wirken kann, ist sie auf den Betrachter ausgerich- 
tet. In den 50er Jahren ist bei vielen Plastiken eine 
Tendenz zur Frontalität festzustellen. Oft hinter- 
fangt Moore Figuren mit Stellwänden aus demsel- 
ben Material. Ebenso frei aufgestellte Großplasti- 
ken, wie die tiLiegendeu vor dem UnescoGebäude 
in Paris (1957-58), bedürfen einer Architekturfolie, 
auch wenn eine solche wie in diesem Fall vom 
Künstler als negativer Faktor verstanden worden 
ist. 
Es erscheint paradox, daß Moore zur gleichen 
Zeit. als er in den Landschaftsraum verstößt, eine 
immer größere Reduktion in die Fläche in Kauf 
nimmt. 1955 heftet er nur noch amorphe Massen- 
fragmente an die Wand des Bouwcentrums in Rot- 
terdam. Hier trifft er sich mit den Strömungen der 
gleichzeitigen Malerei (etwa Asger Jorn), wiewohl 
er nie die letzte, seinem Temperament widerspre 
chende Konsequenz einer informellen Zertrümme 
rung der Oberfläche zieht, wie wir sie in diesen 
Jahren von so verschiedenen Künstlern wie J. Lip- 
chitz, E. Paolozzi und J. Dubuffet kennen. 
Der Angriff der Umwelt auf Plastik, vor dem sie 
sich wie bei A. Giacometti auf anthropomorphe 
Rest-Stelen zuruckzieht, zwingt die Gestalten in 
die Fläche oder raubt ihnen ihre Leiblichkeit. 
In den kleinköpfigen, knorpelig-geknoteten Kontu- 
ren der "Stehenden Doppelfiguru (1950, Abb. 4), 
denen wie die Arbeiten von D. Smith oder J. Miro 
totemhafte Züge eignen, gelingt keine räumlich- 
formale Identifizierung mehr. Die scheinbare Of- 
fenlegung durch Beschränkung auf wenige Akzen- 
te innerhalb des Gerüstes täuscht, weshalb Moore 
es auch einfallen konnte, zwei identische Abgüs- 
se nebeneinanderzustellen, deren verschränktes 
Raumgeflecht nicht mehr zu überblicken ist, auch 
wenn man sie x-mal umschreitet. 
Wenn das Licht auf den Oberflächen informeller 
aquetten, von denen sich Moore ein kleines 
zumu zusammengestellt hat, wird das plasti- 
Gebilde mehrsinnig erfaßbar. Es kann von 
zren Seiten zugleich umfaßt werden, es kann 
ig, in allen Zwischenstadien sichtbar, ge- 
werden und - das wird in den nächsten 
n immer wichtiger - es wird in seinen Rela- 
I zur gesamten Umwelt kalkulierbar. Durch 
zrspektive der Fotografie kann ein Stück in 
ewünschte Landschaft hinein monumentali- 
verden. 
es allerdings zu einem Aufbruch in die 
achaft kommt, setzt Moore die gegenstands- 
ewonnenen Teilraume figural um. 
"Liegenden Figur Nr. 1ir (1945, Abb. 3) ist ei- 
nthese erreicht worden. Bei Wiederaufneh- 
eines gegenständlichen Themas sind die 
ume fließend aufgefaBt, es bilden sich ledig- 
begrenzte Binnenvolumen, wie zwischen 
und Schultern, aber keine inneren Hohlräu- 
as verhindern die Durchbrüche, die im Kon- 
zu den früheren Vollplastiken auf die skelett- 
n Strukturen der 50er Jahre vorausweisen. 
.icht gleitet die Formen leicht entlang und 
je nach Ansicht und Beleuchtungsrichtung 
tiedene Kreisläufe. Die Lichtbahnen sind bei 
hen Formen stegartig begrenzt, manchmal 
imern sie unentschieden in Grauwerten. Es 
eine eindeutige Licht-Schatten-Grenze, son- 
Wahrscheinlichkeitsbereiche, welche zu- 
l Bewegungsrichtungen und Formen (Arme, 
l sind. Mit anderen Worten, es gibt keine ein- 
1 begrenzten Formen, mit denen Licht und 
ten identisch sind (wie in der Frtthphase), 
auch keine Licht-Schatten-Grenze, die je 
Beleuchtung kontinuierlich verschiedene- 
zle einer Form offenlegen (wie bei der "Sal- 
lSlikrr). 
Plastiken auseinanderbricht, so hat es bei den 
vStehendenu ebensowenig kontinuierlichen Cha- 
rakter, entweder es hellt auf oder es verschattet. 
Solche Formen wandeln sich dadurch nicht, den- 
noch gibt es Wirkungsunterschiede. Erzwingen 
sie in der Rezeption ein Umschreiten, so verän- 
dern sich dadurch die Hintergründe. Die Silhouet- 
ten kommen am besten vor dem indifferenten 
Leuchtgrund des leeren Himmels oder großer Plät- 
ze zur Geltung. Mögen diese Folien nichts weiter 
als jeweilige Flächen sein, so ist doch die Umwelt 
essentiell und nicht beliebig. Denn sie wird in der 
Plastik, durch sie hindurch gesehen und kann 
mehr oder weniger stören. Von nun an wird Moore 
größten Wert auf die Aufstellungssituation legen, 
eine wechselseitige Gestaltung greift immer be 
wußter Platz. Moore stellt nicht einfach nautono 
me Plastik-i ins Freie, sondern das Verlangen da- 
nach verändert das formale Vorgehen. 
Eine Änderung der Aufstellung bringt eine neue 
Licht-Urnraum-Situation mit sich. Da diese konsti- 
tutiver Teil und Bedingung für die Plastik ist, kann 
sie dadurch in ihrer Wirkung verlieren. 
Den unruhigen 50er Jahren, in denen Moore expe- 
rimentierend die weiteste Spannweite seines 
Schaffens erreicht, folgen die 60er Jahre, in denen 
sich die Oberflächen wieder glätten und die Monu- 
mentalität weder durch mythische Verweise (n Der 
König und die Königin", 1952-53, "Aufrechte Moti- 
veir) noch durch Angst ("Mutter und Kindß, 1953. 
Abb. 5) gestört wird und die stützenden Wandfo 
lien fallen. 
Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob man eine 
Plastik umfassen kann, ob man sie verschiedenen 
Beleuchtungsrichtungen aussetzen soll, ob man 
sie umschreitet oder ob sie sich schließlich in der 
freien Landschaft dem menschlichen Maßstab zu 
entziehen sucht. Die zwei letzten Jahrzehnte hat 
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