Klaus Eggert
Die Haupträume des Wiener
Palais Breunner
1 Palais Neupaur-Breunner. Wien 1.Singersiral5e16. Bel-
etage, Großer Salon; Zustand 1979
Anmerkungen 1-19 (Anm. 17-19 s. Text S. 16)
Hundert Jahre Kunstgeschichte Wiens. 1783 bis 1588. Wien 1883,
pag. xxxv l
Tletze Hans. Die Sammlungen des Schlosses Grafenegg. Wien
1903. pag. 14 (1 Oesterreichische Kunsttopografie. Beiheft zu
Bd. 1)
zli. Anm. 1. pag. 1.
KOSel Hermann Cl.. 1119.]. Deutsch-Oesterrelohisches Künstler-
und Scnriftstellerlexikon. 5d. 1. Wien 1902. pag. 6
zii. Anm. 1. püg. 199. Über ereienegg- Eggeri Klaus. Der soge-
nannte Historismus und die romantischen Schlosser in Österreich.
In: Historismus und Schloßbau. München 1975. pag. 74-761: Stu-
dian zur Kunst des 19. Jahrhunderts. Träger Fritz Thyssen Stiftung.
Bd. 2B; idem. Grafenegg und der Schloßbau der Romantik. Eine
Dokumentation [Graienegg 1971}. passim (Ausstullurigskatalog)
' lil. Anm. 5. Zweite Publikation Nrn. 205720:
Wien. Haus-. Hoi- u. Staatsarchiv. Depot Gralenegger Archivalierl.
urmumeriert. bez. I. Ohen lFlatdn im Damansalorw. r, Oben
r-Schloßbau Grelenegg 1ees-.
Zlt. Anm. 7. unnumariert , bez. l. oben, -Platon im Schreibzimmer
der Frau Grililn-r. r. oben t-Schloßbau Grafenegg 1565-1.
Zlt. Anm. 7, unriummeriart. bez. r. oben "Holz Decke im Salon des
H. Grafen Jdeepn. Gralenegg-t.
i" Die Wiener Ringstraße. Das Kunstwerk im Bild. Wien 1969. Bilder-
lautarungen. Objekt 151 m (I Die Wiener Ringstraße. Bild einer
Epdene. Träger Fritz Thyssen Stiftung. Bd. l)
Beispielhafte Passagen: Schellings Werke. 119.11. Manfred Schrö-
ter. 5. Hauptbd. München (1965). pag. 153-159 (dabei Einzelpas-
Sage pag. 153). ferner pag. 200. 225. 301-303 (Bezug auf Plato und
die Pytnagonier). 551
Eggert Klaus. dersogenanrite r-Historismuse und die romantischen
Schlösser in Österreich. In: I orlsmus und SchloBbau. München
(1975). pag. 73-74 (I Studien zur Kunst des 19. Jahrhundertslrä-
gar Fritz Thyssen Stiftung. Bd. 2a)
Plin- und Schriftenkammer des Rathauses Wien. Einlagozahl des
Aktes: 511; vgl. Eggert Klaus. ber Wohnbau der wiener Ringstraße
1855-1896. Aufnahmen von Johanns Flagl. Wiesbaden 1976, pag.
149, Abb. 49
Winter V. Wlgmar Josetine. 51] Jahre eines Wiener Hauses. Wien-
Lelpzlg 1927. peg. 3-4
" Eggert zit. Anm. 1a. pag. a2o-a21. Abb. 155
" Vincenti Carl v. Wiener Kunst-Renaissance. Wien iars. pag. 136;
Vincenii ist nicht immer verlälilich. Zu Kreuzensiein O1. Egger1
Klaus. Hans Grat Wilelek und sein Werk. In: Alle und Moderne
Kunst. Heft 156.23.Jg.. 197a. pag. 24-22;
" Zit. Anm. 7, 1 Blatt. unnumeriertbez. Loben -SchloBbau Grafen-
egg. Speisezimmer. 1867. Decke. . .- Das Blatt zeigt das Profil ei-
nes Dackanschrägbalkens. als maskaronbekronle Konsole gestal-
tet. Weitere Entwürfe 1857 datiert.
Zit. Anm. 7. beispielsweise 1 Blatt. unnumerlert. bez. oben
-Schlo8buu Grafenegg1B67. Salon Ansicht der Seite N16. Profil
von No. 1-
Zit. Anm. 7. beispielsweise 1 Blatt. bez. oben -wend-Tareiung im
scnlerzlmrnor. Blatt No 1." Unlen r. bez. -ScnloBbau Graleriegg.
1964.-
12
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r.
Cyriak Bodenstein schrieb', daß Leopold Ernst.
dessen Sohn Hugo und Ludwig Wachtler im Pa-
lais Graf Breunner-Enkevoirth, Wien l., Singerstra-
ße 16. Innenräume geschaffen hätten. Leopold
Ernst war der eigentliche Architekt von Schloß
Grafenegg bei Krems, es war sein Hauptwerkz;
er lebte von 1810 bis 1862. Der genannte
Bodenstein3, ein gründlicher Kenner, stellte ihn
1888 zu Recht neben Eduard van der Nüll, August
Sicard von Sicardsburg und Leopold Oescher als
Bahnbrecher des Kontinuismus in Wien. Nach sei-
nem Tode setzte sein Sohn Hugo. geboren 1840,
die Ausführung von Grafenegg fortf. Am Inneren
des Schlosses war Ludwig Wachtler (1842-1916)
beteiligti
Die drei am vollstandigsten erhaltenen Raume
(Beletage. Flügel zur Singerstraße) werden hier
vorgeführt. Nach Kenntnis des Verfassers wurden
sie bisher nur einmal veröffentlicht, und zwar in
seiner Dokumentation uGrafenegg und der
Schloßbau der Romantiksu. Der Eindruck der Räu-
me ist fragmentarisch, weil die mobile Ausstat-
tung fehlt. Es sollen hier die Bezüge zu den Grafen-
egger Räumen sowie die Stellung der Slngerstra-
ßenräume im Wiener Kontinuismus festgestellt
werden.
Der vermutliche Hauptraum (Salon, Abb. 1) zeigt
eine Kassettendecke von großformiger, klarer.
monumentaler Rhythmisierung. wuchtiger Plasti-
zitat und feierlicher Dramatik, dabei von kantiger
Geradlinigkeit. aber organisch. Das Motiv des ge
längten Sechsecks ist bei den Kassettenformen in
ungewöhnlichem Grade bevorzugt. verglichen et-
wa mit dem privaten Monumentalbau (Wohnbau)
des Wiener Kontinuismus. dem die Architekten
doch angehören. Ebenso häufig und herrschend
sind solche gelangten Sechsecke - manchmal
an einer Schmalseite gerade abgeschnitten, wie
im Ahnensaal (Abb. 4) des Palais Singerstraße -
bei zwei nebeneinander liegenden Plafonds in
Grafenegg (Beletage. Westflügel). Es handelt sich
um den größten Raum der betreffenden Enfilade,
auf dem Aufrißentwurf des Plafonds als wDamen-
salom bezeichnet und 1866 datiert7, und um den
südlich anstoßenden Raum, auf dem Aufrißent-
wurf des Plafonds als vSchreibzimmer der Frau
Grafinri bezeichnet und ebenfalls 1866 datiertß.
Beide Plafondsentwürfe sind nicht signiert. ihre
Beschriftung stemmt aber von der Hand. welche
die von Hugo Ernst signierten Grafenegger Ent-
würfe beschriftete. Wahrscheinlich stammen die
Flafonds also von ihm und nicht von Ludwig
Wächtler.
Leopold Ernst war 1862 verstorben. Es kann nicht
ausgeschlossen werden, daß sein Sohn Hugo bei
den beiden genannten Plafonds und sonst ln Gra-
fenegg auf nicht eruierte Entwürfe des Vaters zu-
rückgriff. Es wurden bisher längst nicht für alles in
Grafenegg bei seiner romantischen Neuschöp-
fung Entstandene die Entwürfe gefunden. Jeden-
falls ist Leopold Ernsts Einfluß im Stil intensiv bei
dem nach seinem Tode in Grafenegg Geschaffe-
nen spürbar. So ähnelt der genannte Schreibzim-
merplafond. was das Milieu (hier ein zeitgenössi-
scher Termlnus für r-Mittelmotivrr) als achtzacki-
gen Stern. die Randbordure des Plafonds aus
Rechtecken und Quadraten. auch das Vorkommen
der gelangten Sechsecke und schließlich die Ge
samtkomposition der Decke und deren geradlini-
ge Kantigkeit betrifft. stark einem Plafondaufriß9,
der rechts eine Alternative zum Mittelstück zeigt,
wobei die Beschriftung wMittelstück an von Leo-
pold Ernst stammt. Ohne Leopold Ernst zu kopie-
ren. wahrten sein Sohn Hugo und auch Ludwig
Wächtler bei Weiterführung Grafeneggs Kontinui-
tät zu Leopold Ernsts Stil (und seiner Richtung
des Kunstwollens), um der Einheit des Gesamt-
kunstwerks willen. Wo im Kontinuismus mehrere
Künstler an einem Werk beteiligt sind, ist das die
Regel
Die kontinuistischen Künstler besaßen ja eine ob
jektive Individualität, also eine, die das Objektive
(hier die Richtung des früheren Künstlers) in sich
hineinzieht, sich zu eigen macht, wie sie sich auch
der Universalität der gesamten vorkontinuisti-
schert Kunst, die als Ganzheit erschaut und imagi-
niert wurde (ein-gebildet), bemächtigte, und zwar
gleichermaßen in voller Freiheit und in voller Ge
setzlichkeit. Das Objektive bleibt nicht das dem
Individuum nur in Dualismus i-Entgegengeworfe-
neu, sondern aus Subjekt und Objekt wird in echt
romantischer Weise eine Synthese erschaffen.
Auf die objektive Individualität kontinuistischer
Schöpfer wies der Verfasser erstmals 1969 hinlo.
Philosophische Voraussetzung war Johann Gott-
lieb Fichtes transzendentaler lchbegriff, die wich-
heitu, die jenseits des empirischen Ich ist. Aber
auch Friedrich von Schellings ldentitätsphiloso-
phie - so genannt nach der Annahme, daß unter
Umständen Subjekt und Objekt identisch seien -
gehört hierher".
Außerhalb Grafeneggs zeigt auch der Musiksalon
im Schloß Anif bei Salzburg, von Graf Alois von
ArcoStepperg durch Heinrich Schönauer 1838 bis
184812, am Kassettenplafond zahlreiche gelangte
Sechsecke. Dort findet sich, wie im Raum der Sin-
gerstraße und bei den beiden erwähnten Grafen-
egger Plafonds, auch kantige Geradlinigkeit, aber
gemäß der frühen Entstehungszeit ist der Plafond
zierlicher, dünnformiger, weniger rhythmisiert,
das heißt gleichförmiger in den Proportionen sei-
ner Teileinheiten, und die Kassetten wirken flä-
chengebundener und viel weniger plastisch, ei-
gentlich linear bestimmt.
Im Wiener Wohnbau des Kontinuismus slnd dem
Verfasser zwei Kassettenplafonds mit der erwähn-
ten kantigen Geradlinigkeit, auch bei klarer monu-
mentaler Rhythmisierung, wuchtiger Plastizität
und feierlicher Dramatik, wie beim Plafond des
vermutlichen Hauptsalons des Breunnerpalais,
bekannt. Beide Beispiele gehören der Stilstufe
des Plafonds im Breunnerpalais und der erwähn-V
ten zwei Grafenegger Plafonds (vermutlich von
Hugo Ernst) an.
Der eine Plafond befand sich im nicht erhaltenen
Majoratshaus für Ernst Karl Reichsgraf Hoyos-
Sprinzensteln, Wien I, Kärntner Ring 5, von Chri-
stian Friedrich Ludwig Ritter von Förster mit Bau-
konsens von 1861 und Benützungskonsens von
186313. Die Kassettenmotive (Polygone, Quadrate)
an sich und in ihrem Verhältnis untereinander
sind dem großen Breunnerpalais-Raum ähnlich,
aber nicht so großformig.
Der andere Plafond ist der des Herrenzimmers von
Rudolf Auspitz, Wien I, Löwelstraße 22, zweiter
Stock. Da die gesamte Wohnung, zu der das Zim-
mer gehört, im Frühjahr 1874 bezogen wurde",
war sie damals vermutlich vollendet. In der groß-
zügigen Rhythmisierung ähnelt die Decke wieder
besonders der des großen Salons in der Sin-
gerstraßel5. Die künstlerische Ausstattung der
Auspitz-Wohnung schreibt Carl von Vincenti Karl
Gangolph Kayser zu, welcher unter Hans Graf
Wilczek auf Burg Kreuzenstein wirktelö.
Im großen Hauptraum des BreunnerpaIais' finden
sich zwei relativ verselbständigte (aber nicht iso
lierte) Einzelmonumente: die Tür und der Kamin.
Sie sind formal aufeinander bezogen und In Har-
monie mit dem Raum als Einheit. Schon beim Ka-
min, aber noch mehr bei der Tür ist eine derartige
Steigerung beim kontinuistischen Wohnbau in
Wien sehr selten, auch bei Haupträumen. Wenn
der Salon in der Singerstraße ein Monument ist,
dann sind die beiden Motive Monument im Monu-
ment, und zwar Architekturen in der Archi-Tektur,
der Ordnungsmacht bei Gesamtkunstwerken.
Auch In Grafenegg sind derart monumentale und
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