reich komponierte Türen, abgesehen vom Ritter-
saal, selten.
Die Tür ist ein Aedikula-Motiv mit Voilsäulen.
Aedikuia-Türen sind in Innenräumen des Wiener
kontinuistischen Wohnbaus selbst bei Palais sel-
ten. Dagegen sind sie in Grafenegg auffallend
häufig. Mit Vollsäulen finden sie sich in zwei gro-
ßen Räumen durchgängig; es handelt sich um das
nSpeisezimmer-i und den westlich anschließenden
"Salonu oder "Großen Salon- in der Beletage des
Nordfliigeis westlich des Torvorbaues. Das Spei-
sezimmer hat Plafondkonsolen mit Maskarons,
der Salon ist leicht kenntlich durch die Balkenköp
fe - nach Art britischer wopen timber roofsw -
am Plafond, versehen mit Büsten, alternierend Rit-
ter und Engel darstellend. Die Entwürfe zum Spei-
sezimmer sind teilweise 1867 datiert". Auch die
Entwürfe zum Salon sind teilweise 1867 datiert
und teilweise von Hugo Ernst signiertla. in den
übrigen Grafenegger Räumen bilden Aedikula-
Türen, mit Pilastern oder Halbsäuien instrumen-
tiert, fast die Regel. Sie sind offenbar als eine
Symboltorm für gesteigerte feierliche Monumen-
talität aufgefaßt, gesteigert besonders durch ih-
ren direkt tektonischen Ausdruck und ihre selb
ständige (nicht isolierte) abgerundete Vollendung
in sich als solches tektonisches Gebilde, quasi
den Ausdruck selbständiger i-Existenzfähigkeitu,
symbolisch aufgefaßt.
Besonders in der Beletage des Westfiiigels, aber
auch sonst in Einzelfällen, sind in Grafenegg auch
die Fensterchambranen im Inneren des Schlosses
zu Aedlkulen monumental tektonisiert. So finden
sich in der Westflügel-Beletage Fensteraedikulen
im schon erwähnten i-Damensalonu und, identisch
gestaltet, nur ohne ein sie verbindendes Gebälk,
im anstoßenden, ebenfalls bereits angezogenen
nSchreibzimmer der Frau Gräfinii, sowie ähnlich
im vom Schreibzimmer aus nach Süden zu über-
nächsten Raum, dem "Schlafzimmer-i, zumindest
teilweise 1864 entworfenlg.
Die Sauienschäfte bei Tür und Kaminaufsatz im
großen Raum des Breunner-Paiais' sind tordiert.
Auch dies ist ein beliebtes Grafenegger Motiv
schon bei Leopold Ernst, bei diesem beispielswei-
se an der Aufsatznische des fragmentarisch erhal-
tenen Eckkamins aus geschnitztem Holz im uNeu-
en Salon des H. Grafen-i, dem östlichen Raum des
ersten Stockes im Tor-Vorbau des Schlosses an
dessen Nordfront, einem Raum, der stiikritisch
vorn Verfasser etwa zwischen 1845 und 1855 ange-
setzt und schon deshalb Leopold Ernst zuge
schrieben wirdzü, oder beim Schaft eines Leuch-
ters, der wegen des Stilcharakters und der Engels-
hermen am Fuß wohl für die Kapelle bestimmt war
und nicht vorhanden istäl. Weitere tordierte Säu-
len zeigt ein Entwurf zu einem fragmentarisch er-
haltenen Waschschrank in der Nordostecke des
schon angeführten i-Schreibzimmers der Frau
Gräflnzzu. Auch die sich teilweise an der Wand
hinziehenden, nicht vorhandenen doppelstöcki-
gen Etageren auf Entwürfen zum wTOlIBIISZlMMOW
(Beletage, Westflügel, zwischen dem mehrfach er-
wähnten wSchreibzlmmer der Frau Gräfin-i und
dem auch schon erwähnten Schlafzimmer) haben
tordierte Säuichen. Das Toilettezlmmer wurde im
Wesentlichen 1866 entworfenzß. Zumindest teil-
weise ausgeführte, aber nicht mehr in Grafenegg
vorhandene Möbel für das vertäfelte Zimmer von
lgnaz Graf von Markovics (Nordtiügel, Torvorbau,
westlicher Eckraum des obersten Stockwerks)
weisen vielfach tordierte Säulen oder Stäbe aufzi
Sie finden sich dann beim Buffet für das schon ge
nannte Speisezimmer; das Möbel ist zerlegt frag-
mentarisch erhaiten25. Bei Teilung großer Räume
in Kornpartlmente werden tordierte Säulen zwei-
mal verwendet: lm Rittersaal von Leopold Ernst,
der 1845 schon im Bau warzß, seiner Entstehungs-
zeit stilistisch weit voraus ist und daher eine Wer-
16
tung Leopold Ernsts als Bahnbrecher des Konti-
nulsmus rechtfertigt27, dann im mehrfach erwähn-
ten liDamensaion-r der Westfiügei-Beietage, wie
erwähnt vermutlich von Hugo Ernst.
Um 1850 waren rrtwisted columnn und wtwisted pil-
ianr sogar in den - intensiv britisch beeinflußten
- Vereinigten Staaten beliebt. Verschraubtheit
und Undulieren entsprachen der prezlösen Zier-
lichkeit und zeitweiligen Bizarrerie (rrquaintnessrr)
des frühen Kontinuismus. Andrew Jackson Dow-
ning (1815-1852) widmet dem ntwisted pillarrr in
seiner 1850 erstmals erschienenen nArchitecture
of Country Housesu eineinhalb Seiten der Elogeiß
wegen seines formalsymbolischen Gehaltes, ver-
zeichnet ihn unter den nprincipal characteristicsrr
des rrElizabethan Styleir, der überall für romanti-
sche Schlösser ein Hauptanregungsqueli war, an
erster Stelle?! allerdings als rrtwisted columnii,
und bildet ihn bei vielen Möbelentwürfen und ei-
Anmerkungen 20-40 (Anm. 17-19 s. S. 15)
1" Vollständige Ansicht des Kamins: Zit. Anm. 7,1 Blatt, urinume-
riert. bez. iJben in Leopold ErnstsSchrift -Kamin im neuen Salon
des H. Grafen Grafenegg-
" Zit. Anm. 7. 1 Blatt. unnumeriert. Auirii! und GrundriB das Leuch-
ters mit weiteren 5 Detailstudien dafür, l. über Grundriß in Leopold
Emsts Schrift bei. -GrundriB u. Daraufsicht des Leuchtarsr-
11 Der Schrank ist durch muschelförmiges Waschbecken mit Tri-
tonsmaskn als Wasserspeier darüber im Entwurf leicht kenntlich;
Zit. Anm. 7, 1 Blatt. unnumeriert. r. unten Sign. -L. Ernst-
" Zit. Anm. 7. beispielsweise 1 Blatt, unnumeriert. bez. oben
r-Schloßbau Grafenegg llöbToilette-Zimmer Ansicht derSelte 4,-,
1 Blatt. unnumerlert, bez. oben -Schloßhau Grafenegg 1566. Toi-
lette-Zimmer. Ansicht der Seite Nc.1,.
u Zit. Anm, 7. 1 Blatt, unnumeriert, mit 9 Mdbelaufrlssen und einem
Schema für Verwendung verschiedener Hölzer bei einem uneruler-
ten Objekt
" Zit.Anm,7, 1 Blatt. unnumeriert. bez. oben -Schldßbau Grafenegg
1567 Buffet im Speisezimmer . _ _..
2' Wien. Haus-. Hcf- und Staatsarchiv, Handschriften Grafenegg S81,
Rentamts-Hauptbuch für das Jahr 1845. pag. B66. Pest 34, 35
" Zum Rlttersaal vgl. Eggen. zit. Anm. s. pag. 15
u Fleprint New York (1969). pag. 345-347 m. 2 Abb.
1' Zit. Anm. 2B, pag. 392
w Zit. Anm. 2B. Abb. 1B5
3' Zli. Anm. 2B, psg. VII
"z Aus Loudons Fruhwerk -A Treatise 011 Formlng. imbroving and
managing couritry resldences-, London 1806. zitiert Germann Ge-
org, Neugotlk. Geschichte ihrer Architekturtheorle. Stuttgart
(1974). P89, 59-62
u Für den dortigen kontinuistischen Wohnbau Beispiele bei Eggert,
Zit. Anm. 13, pag. 212, Abb. 55, 95. 111. 178. 180, 219
"1 Zit. Anm. 7, 1 Blatt, bez. i. Mitte -SchloBbau Grafenegg 1867. Biatt
Nr. 7. Salon. Kleine Rosetten . . .-
" Zit. Anm. 7. einige Blätter
i" Zit. Anm. 7, 1 Blatt. bez. oben -Schloi3bau Gralenegg, Kleine Roset-
ten. I4 Stück. Elchenhclz. Nr. B. Speisezlmmarm Slgn. unten r.
rHugo Ernst Architekt.-
Jordan Robert Furneuux. victbrian Architecture, (Harmondsworlh
isss). Abb. 2a i- Fellcbn eboir A eas)
" Giroulrd Mark, ThaVictorian Country Hbusaßkrcrd 1971. Abb es
(Hiqhciura). Abb. 40a (Thoreshy)
" The Bullder. Jg xiv, iess. 299
"' Girouard, xlt. Anm. 3a. Abb. 91. 9a. es (Highclars). Abb. so (Crewe).
Abb. B6 (Marevale). Angabe der Architekten und dar Daten bei den
britischen Vergleichsbeispielen nach Girouard. dort bei den be-
treffenden Abbildungen; Angabe beim Buckingham Palaca jedoch
nach Anm. 39. zit. Publikation
a1
ner Türeinfassungaü ab. Das Buch, von dem in
neun Auflagen über 16.000 Exemplare verkauft
wurden, erschien in den USA3'. Aber es bekennt
einen maßgeblichen Einfluß von John Claudius
Loudons rrEncyciopaedia of Cottage, Farm and
Villa Architecture and Furniturerr, London 1833
und später häufig nachgedruckt, und dieses
höchst umfangreiche Werk - die Erstausgabe
enthält 1138 Seiten und 2039 Abbildungen - war
im Kontinuismus, besonders dessen Frühstufe, in
Europa von großem Einfluß. Ein Teilband ist in den
Restbeständen der Grafenegger Bibliothek
erhaltenßz.
Der Kamin des Großen Salons im Breunnerpalais
Wien steht diagonal über Eck. Diese Kaminauf-
stellung ist im Kontinuismus überaus häufig und
naheliegend. Sie nuanciert die nüchterne Recht-
winkligkeit einer Raumecke und vermittelt zwi-
schen zwei Wänden; sle ist eine der Erscheinungs-
formen des Aufbruchs des Kontinuismus gegen
kubische, kompakte Verblocktheit, in der sich im
Aufklärungsrationalismus bis zum Vormarz die
allgemeine nüchtern-simple, kaikulierende, kon-
struierende Determiniertheit durch das
Stereometrisch-Anorganische besonders zeigte.
Auch andere Objekte oder Gruppen von solchen
stellte der Kontinuismus diagonal in Raumecken
und faste am Äußeren von Gebäuden die Ecken
sehr häufig ab. Nicht nur in Grafenegg finden sich
zahlreiche diagonal gestellte Kamine und Öfen,
auch beispielsweise in Wienßß.
Die Rechteckfelder des Plafonds im Großen Salon
der Singerstraße haben als Milieu jeweils große
Rosetten. Dies ist im Wiener Kontinuismus selten,
jedoch wiederum in Grafenegg bei Leopold Ernst
und seinen Nachfolgern häufig und charakteri-
stisch. Die Rosetten des Singerstraßenraums und
die nachfolgend angeführten Grafenegger Ver-
gleichsbeispleie sind mehrschichtig verräumlicht.
Die Rosette scheint vor der Decke zu schweben,
auch ihre Einzelschichten scheinen untereinander
abgestuft zu schweben. Die Blätter und sonstigen
Rosettenteile sind dünnschalig, entmaterialisiert
wirkend - ein Hauptanliegen der Romantik, wel-
che den Kontinuismus bestimmt -, großformig
gewölbt, intensiv abwechslungsreich gestaltet
und rhythmisiert und bei aller Großformlgkeit fein
und oft tiefgeschnitten gerippt. Überhaupt zeigen
sie eine intensive, geschnitten wirkende Präzi-
sion, weiche die Rosetten frühkontinuistisch wir-
ken ließe, wenn die Großformigkeit nicht wäre, da-
zu noch die raumhaltige Piastizität. Oft haben die
Rosetten ein aus der Kelchmitte abhängendes
upendantu in Zapfenform.
Beim Grafenegger Rittersaal, wie angeführt 1845
schon im Bau, sind speziell die zwölf kleineren Ro
setten denen des Singerstraßen-Salons im Typus,
wie er oben gezeigt wurde, ähnlich. Die Form ist
beim Rittersaal gemäß der früheren Entstehungs-
zeit noch etwas kompakter, und die Einzelblätter
sind flächiger. Auch im schon erwähnten Salon
sind die kleineren Rosetten denen der
Singerstraßen-Decke vergleichbar. im Entwurf
standen sie 1867 festl". Die Entwürfe zum großen
Salon sind teilweise von Hugo Ernst signiert35.
Ferner lassen sich die vierzehn kleineren Rosetten
des östlich an den Salon anstoßenden, schon er-
wähnten Speisezimmers anschließenw, dann die
Mittelrosette des Plafonds im "Schreibzimmer der
Frau Gräfin", das auch bereits angeführt wurde.
Dies waren nur wenige Beispiele aus Grafenegger
Haupträumen.
Ein anderer, dem Raum des Breunnerpalais also
nicht völlig vergleichbarer Rosetteniypus in Gra-
fenegg zeigt Vermittelung der einzelnen Blatt-
schichten durch übergreifende. mehrfach ge
schweifte, agraffenartige Konsolen. Generell mit
Plafondrosetten in Konnex sind die zahlreichen
Hängezapien in Grafenegg zu sehen, von denen