Emil Jakob Schindlers Leben und Werk bedeutete
für das Österreich des ausgehenden 19. Jahrhun-
derts gewissermaßen den Kristallisationspunkt je
ner Bestrebungen in der Landschaftsmalerei, die
darauf abzielten, die Natur nicht nur in ihrer äuße
reri Erscheinungsform, unter besonderer, epoche
bedingter Berücksichtigung der Phänomene von
Licht und Luft "richtig" wiederzugeben, sondern
durch die momentanen atmosphärischen Gege
benheiten hindurch das allgemein Wesensmäßige
der Natur sicht- und fühlbar zu machen.
Die Geschichte der österreichischen Landschafts-
malerei im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts
wird - Einzelgänger wie Carl Schuch und Theo
dor von Hörmann ausgenommen - von den Ma-
lern bestimmt, die in den sechziger Jahren des vo
rigen Jahrhunderts die Landschaftsschule der
Wiener Akademie der bildenden Künste unter der
Leitung Albert Zimmermanns besuchten.
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Die wichtigsten nahezu gleichaltrigen Zimmer-
mann-Schüler waren Emil Jakob Schindler (1842
bis 1892), Eugen Jettel (1845-1901), Adolf Dit-
scheiner (1846-1904), Robert Russ (1847-1922)
und Rudolf Ribarz (1848- 1904).
In engem künstlerischen wie menschlichen Zu-
sammenhang mit diesen stehen jene Maler und
Malerinnen, die nach 1874 zu Schindlers privatem
Schülerkreis zählten, nämlich Tina Blau (1845 bis
1916), Olga Wlsinger-Florian (1844-1926), Maria
Egner (1850-1940), Marie von Parmentier (1846
bis 1879), Eduard Zetsche (1844-1927) und der
um eine Generation jüngere Carl Moll (1861 bis
1945).
Das Verbindende zwischen diesen sehr individuel-
len Malern ist, nach äußerlichen Gesichtspunkten
betrachtet, einerseits die Persönlichkeit Schind-
lers, sei es als Mitschüler, sei es als Lehrer, und
andrerseits die nicht zu unterschätzende Zugehö-
irgendein anderer Kunstler der bandigenden
Kunsllorm Meister. aber auch mehr wie ieder
andere der Nalurerscheinung völlig untertan
sein, Der Landschalter kommt - als Künst-
ler 7 nie in die Lage, die Natur abzuschrei-
ben, er muß sie aber durchaus erkennen...
Seine Pflanze steht in keinem botanischen
Werke, seln Stein in keiner Mineralogre, er
hat es bei allen Dingen nur mit jenem
Extrakte zu tun, den sein Auge aus ihrem
Dasein sehen soll."
Emil Jakob Schindler
rigkeit zur gleichen Generation der in den vierziger
Jahren Geborenen.
Das gemeinsame fundamentale Hauptmerkmal ih-
rer Malerei ist ein "poetischer Realismus", der mit
den Mitteln des Pleinarismus und der Stimmungs-
malerei die "wirkliche Wirklichkeitrr (wie es Adal-
bert Stifter in seiner Malernovelle "Nachkommen-
schaftenu geradezu programmatisch formulierte),
also die Natur in ihrer ganzen Breite und Tiefe
bildlich zu erfassen suchte. Diese spezifisch
österreichische Form der Wirklichkeitsdarstel-
lung wird im allgemeinen als "Stimmungsimpres-
sionismusrr bezeichnet, wobei eine inhaltliche wie
formale Abgrenzung zum französischen Impres-
sionismus zu ziehen ist.
Die Werke aus Schindlers Akademiezeit von 1861
bis 1869 weisen traditionsbedingt noch deutlich
biedermeierlich-romantische Züge aufi. Schon in
den Naturstudien von der Flamsauer Ache und
2 Emil Jakob Schindler, "Mühle in Plankenberg-r, 1885
bis 1892. OllLeinwand, 94x 124cm. Historisches Mu-
seum der Siadl Wien, lnv. Nr. 59892
3 Robert Fluss, iiSüdliche Dorlstraßeri, um 1885. Oll
Leinwand. 118x153cm, bez. r. u. nFtobert Fluss-r.
Privatbesitz, Wien
4 Emil Jakob Schindler, iiHolzläller im Walde 7 Fe-
DHJEVSlImmUTIQM, 1883184. 0llLeinwand, 120x94cm.
Osterreichische Galerie. lnv. Nr. 5228
Anmerkungen 1-9
t Als repräsentatives Frunwerk kann das große Olgemalde nWald-
trauleirls Gebum von lasrlss gelten (Gemaldegalerie der Akade-
rnie der bildenden Künste. Wien). dessen Thema Joseph Christian
Zedlitz" romantisch-epischer Dichtung i-Das Waldfräulelnk ent-
nornrnen ist
1 Carl Moll EmilJakob Schindler, Wien 1930, p.9fl. (Zitat Schind-
ch gestehe. daii mirein mitGeschrrlack srrangierterGar-
Ein zopflger Park, lieber isi. als der schonste rwildei
7 Klaus Dernus. Ernll Jakob Schlndlers Zyklus "Die Monate-r und der
Stimmungsimpresslontsmus, lrl' Mitteilungen der Österreichi-
schert Galerie, wien 1959
Carl Moll op cli, p a5
S -Muhle in Fisnkerlberge. OllLwrL, 25 : 315cm, Österr Galerie,
Wien lnv Nr 2440
' Heinrich Schwarz, Kuristlerdokumenie. Wien 192a
' Alois Riegl, Die Stimmung als Inhalt der modernen Kunst, in' DIE
graphischen Kunste, XXll. lass
' Klaus Demus, Op Cll
g Hartwlg Ftscrtal, J E Schindier uber die Landschaftsmalerei. a0
Beilage zu den Monatsblattern des wissenschaftlichen Clubs in
Wien. Nr 6. 1893