Günter Haese
Symbole technischer Poesie
Günter Haese, geboren 1924 in Kiel, studierte von 1950
bis 1957 an der Akademie in Düsseldorf und war an-
schließend einige Jahre hindurch Assistent bei Ewaid
Matare.
Bei der 33. Biennaie in Venedig 1966 sah ich zum ersten
Mai eine geschlossene und sehr wirkungsvoll präsen-
tierte Kollektion der Arbeiten von Günter Haese. Die
poesievoiien, felnnervig-grazilen Gebilde des Deutschen
errangen damals in der Fachwelt große Aufmerksamkeit
und wurden zur stillen Sensation dieser Ausstellung.
Haese hob sich durch seine in gleicher Weise eigen-
ständige wie eigenwillige Leistung vom Gros dessen ab,
ÖÖÖÖÖ Ü _ ' was damals in der Plastik gerade up to date war.
_;_ . - . ' 4 Venedig festigte den von ihm eingeschlagenen Weg und
"ÖÖÄ -' bestimmte in vorderster Front seinen Rang als interna-
tional anerkannter Künstler, der inzwischen bereits zum
Klassiker geworden ist. Zu den prominentesten öffent-
lichen Sammlungen, die Arbeiten von ihm erwarben,
zählen das Wallraf-Richartz-Museum in Köln, die Tate
Gailery in London sowie das Museum of Modern Art
und das Salomon R. Guggenheim Museum in New York.
Durch eineinhalb Jahrzehnte hat Günter Haese seine
Möglichkeiten als Außenseiter der internationalen
Plastik-Szene konstant weiterentwickelt und vervoll-
kommnei. Er konnte dabei an die, seinen Anlagen und
Vorstellungen kongenial entgegenkommende und be-
reits in der Mitte der sechziger Jahre ausgeprägt in Er-
scheinung tretende Grundhaltung anschließen, so daß
vorn Frlihwerk bis zu den Arbeiten von heute ein durch-
gehender Konnex festzustellen ist.
im Zusammenhang mit Haeses Werk wurde wiederholt
der Begriff von iiZeichnungen im Raum-i zitiert und da-
von ausgehend der zweifellos passende, innere Ver-
wandtschaiten und Übereinstimmungen zum Ausdruck
bringende Vergleich zu Paul Klee gemacht. Die Zartheit
der aus Draht, Rädern, Teilen von Uhrwerken und ähnli-
chen Materialien gefertigten Gebilde, ihre Skurriiität
und charmant-spröde Schönheit lassen einen derartigen
Vergleich auch durchaus legitim erscheinen, obwohl da-
mit über Assoziationen und einen frappierenden Stim-
mungsgleichkiang hinaus noch nichts über die formale
und technisch-materielle Seite der Werke gesagt wird.
Letzteres erscheint nämlich vor allem deshalb wichtig,
weil die Arbeiten von Günter Haese der Assoziation
einen besonders großen, aber auch verführerischen
Spielraum geben und mit einem Spektrum rasch auf-
kommender Eindrücke konfrontieren, das sich durch
Tantra, 1975, Unikat
M P ri b . . . . .
ßBäJQgIGIiä 0' mnw Schlagworte wie bizarr, insektenhaft, mikrokosmisch
2 Sirius, 1975. Unikat und dergleichen abstecken läBt. Durch eine alizusehr
äejäyglilälalilcüllofbfolllß von Stimmungen und eher vagen Empfindungen getra-
3 Haeses plas"ken1g7al7gvn de, gene Betrachtungsweise wird iedoch dem gestatten-
Neiieri Galerie der Stadt Linz schen Anliegen des Künstlers und den Qualitäten seiner
g Eägtzgrjegäg unlm Plastiken nur zum Teil Rechnung getragen. Entschei-
Messingüpnosbhonmonze dend scheint mir vielmehr die innere wie äußere
A9.5x 32x 7 crri Organisation dieser Gebilde, ihr Aufbau, die Verwen-
5 Ame P0"aS"-1969-U"'kßl dung gleichartiger bis ähnlicher addiliver Elemente die
messirigiPriospnorbronze . _ . . . '
,oax5zxa3 cm in spannungsreicher Formation der ieweiis deutlich
nachvollziehbaren Grundvorsteiiung untergeordnet wer-
den. Dieser präzise, doch keineswegs stereotype und
auch in handwerklicher Hinsicht von hohen Ansprüchen
und großem Zeitaufwand getragene Aufbau unter-
streicht den formalen Aspekt der in ihren Dimensionen
richtig abgesteckten, nie zur Gigantonomie und fal-
schen Maßverhaitnissen neigenden, meist mittelgroßen
Arbeiten.
Günter Haese praktiziert in seinem Werk ein gestaiteri-
sches Grundprinzip, das im Gleichartigen die kleine
Abweichung sucht, daraus seine Spannung bezieht und
in der additiven Organisation spezifisch gewählter Eie-
mente zu einer beherrschenden Grundstruktur und
Grundform findet (nKonventii, iiSiriusii). Allen diesen
Arbeiten ist ein architektonisches, den Raum definieren-
des und in seinen Proportionen absteckendes Grund-
geri.ist eigen. Es fungiert als Träger und bestimmendes
Ordnungsgefiige für die mit viel Feingefühl vorgenom-
mene Piazlerung und Reihung gleichartiger, in ihrer
Größe allerdings meist unterschiedlichervorgefertigter
Teile. Haeses Plastiken lassen in der partiturähniichen
Anordnung dieser Elemente deutlich Zentren und
Rhythmen, Strömungen und Dynamik erkennen. Raum
wird von ihm nicht illustriert, sondern im Sinne jeweils
neu eriundener Organismen von allen Seiten aus und
nach allen Seiten hin definiert.
Zum Symptomatischen seines Werkes z'a'hit auch das
Moment der Musikalität und des Fragiien. in der Polari-
tät von Intellekt und Emotron, von Ratio und irrationa-
iem, erschließen Haeses Plastiken einen genau definier-
ten, den Betrachter jedoch keineswegs eingrenzenden
Spielraum anregender Rezeption. innerhalb der heutigen
Piastikszene setzen sie in ihrer unauldringlichen
Symbolik Llfld technischen Poesie einen von hohen
asthetischen Ansprüchen getragenen Akzent Kammer-
musikalischer Art. Peter Baum
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