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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIV (1979 / Heft 164)

. Österreichisches Museum für angewandte Kunst 
Blickpunkte 
Das Museum verzeichnete in diesem Vorsommer eine 
kaum jemals gekannte Programmdichte. Kaum eine Wo- 
che, in der nicht eine Ausstellung eröffnet wurde, somit 
reiche Abwechslung für den Besucher. Dazu immer wie- 
der Unternehmungen uauswärtiger Natura, die zusätzlich 
Wlssenschafter, Werkstätten und Personal über das nor- 
male Ausmaß hlnaus in Beschlag nehmen. Der Aktions- 
radius des Hauses, über den lokalen Rahmen hinaus, 
hat in einem Ausmaß angezogen, daß man berechtigt 
die Frage aufwirft, wie weit Substanzdeterminierung ei- 
nes Museums im Hinblick auf das internationale Aus- 
stellungsweseh - bis zu welcher Grenze überhaupt- 
noch gehen kann. Deutsche Restauratoren beginnen, 
massiv das Thema "Ausstellungen und die Problematik 
der Erhaltung von Kunstwerken-t auf breite Diskussions- 
basis zu stellen. Sie meinen, daß es von größter Bedeu- 
tung sei, ndie Öffentlichkeit als die ,Besitzer' des Kul- 
turerbes darauf aufmerksam zu machen, daß durch die 
glamourösen Exhibitionen' ein unverantwortlicher Ver- 
schleiß originaler Kultursubstanz eingesetzt hat". Damit 
will man bewußt die bereits unerträglich eskalierte 
Schwelle der Ausleihpraxis neu dimensionieren. Damit 
wird aber auch ausgesprochen, was Museumsleute in 
aller Welt im Zusammenhang mit Kunstausstellungen 
immer wieder bewegt und besorgt macht. Einerseits Hil- 
festellung zu geben, um dem internationalen Publikum 
Zugang zu Kunstwerken zu verschaffen, die dieses be- 
stensfails in Zweitanfertigungen sehen konnte, die da- 
durch bedingte - wenn auch nur teilweise (so doch) s 
Entblößung des leihgebenden Museums. Mit der gewis- 
sen Angst, den einen oder anderen unersetzlichen 
Kunstgegenstand trotz aller Sicherungsmaßnahmen - 
auch die höchsten Versicherungssummen wären dann 
gegenstandslos und ohne Sinn - ladiert oder doch 
stärker geschädigt zurücknehmen zu müssen. Wenn wir 
von den Hauptieidtragenden, den Restauratoren, ausge- 
hen, die mehr und mehr dazu mißbraucht werden, 
Kunstwerke wreisafertigu zu machen oder diese nach 
Leih-Reisen wieder instand zu setzen, d. h. sie von ihrer 
eigentlichen Tätigkeit der Konservierung der Kunstge- 
genstände abzuziehen, scheint es, als ob das Pendel 
der Überlegung doch zugunsten einer vernünftigen Re 
duzierung des Aussteliungswesens ausschlagen müßte. 
Mit anderen Worten, bei Fortentwicklung der Ausstei- 
lungshausse, aber auch schon beim derzeitigen Über- 
soll muß befürchtet werden, wdaß die Kulturelnrlchtung 
Museum als Ort fLtr die unbeschadete Überlieferung un- 
seres Kulturerbes grundsätzlich in Frage gestellt wirdu. 
Dies ist die Meinung der deutschen Restauratoren. Wir 
geben zu, daß wir als Museumsleute in einem heftigen 
Zwiespalt mit uns selber stehen. Ein Ausweg ist, neben 
der primären Präsentation von Museumssammlungen in 
ihrer möglichen Ganzheit das Aussteiiungswesen ent- 
scheidend einzuschränken, die Themen gezielter zu 
wählen, jedoch dieses als einen unerläßlichen beleben- 
den Faktor in seiner Relevanz zu erhalten. Somit kehren 
wir auch zur momentanen Situation des Österreichi- 
schen Museums zurück, das selbstredend gerade durch 
die Dichte seiner Ausstellungen in den Jahren des Di- 
rektoriums w. Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Mrazeks einen 
außergewöhnlich hohen Bekanntheitsgrad erreichte. 
Hier, in erster Linie, Ausstellungen von Künstlern der 
Gegenwart einerseits und solche zu Themen grundsätz- 
licher Art im Bereich der alten wie der modernen Kunst, 
besonders der angewandten Kunst. So ist die Situation 
am Haus nicht ganz der oben enuahnten Problematik 
unterworfen, und man sieht in diesem speziellen Fall, 
wie schwierig ein Herausmanovrieren aus der gegenwär- 
tigen Virulenz überall zu bewerkstelligen sein wird. Na- 
türlich ist man für Ausstellungen außerhalb Österreichs 
nach wie vor von seilen des Museums offen und hat in 
vielen Fällen mit nicht wenigen Leihgaben stets seine 
Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Schwesterinstitu- 
ten bekundet und wird dies auch nach neuen Überlegun- 
gen in Durchführung auch wieder tun. 
Eine Sonderstellung nehmen die Ausstellungen in den 
Außenstellen der Museen -ein. Denn hier bietet sich die 
Möglichkeit, das qualitativ wertvolle Sammiungspoten- 
tial, das aus Raummangel nicht im Stammhaus präsen- 
tabel ist, aber auch nicht nur Depotobjektorium ist, zu 
zeigen. Eine Spieian des Aussteliungswesens für einen 
speziell angesprochenen Publikumskreis. 
Zu einer besonderen Feierstunde wurde die Präsenta- 
tion der Neuaufsleiiung der Ostasiatischen Sammlung, 
der sog. ChinasaallXX im Neuen Haus. in Anwesenheit 
von Frau Bundesminister Dr. Dr. h.c. Hertha Firnberg 
konnte Dr. Herbert Fux, der Leiter der Sammlung, mit 
Direktor w. Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Mrazek zur sach- 
lieh-noblen Repräsentation eines der wertvollsten Samm 
iungsteile beglückwünscht werden. Zusammen mit der 
neu aufgestellten Sammlung orientalischer Teppiche 
ein Markstein im Hinblick auf die ursprüngliche Ge- 
samtpräsentation der Sammlungen des Museums. I. n. 
an 
Photographien 
von Stephanie Windisch-Graetz 
Schriften der Bibliothek 17 
Galerie 
Altes Haus, 1. Stock 
Wien 1, Stubenring 5 
16. 2. - 16. 4.1979 
Fotografieren ist in diesem ausgehenden 20. Jahrhun- 
dert weit verbreitet und Ailerwelts-Selbstverständlichkeit 
geworden, als eine Möglichkeit von den Menschen er- 
kannt, unkompliziert in die nähefe Sphäre künstleri- 
schen Erlebens zu kommen. Viele Spielarten der Foto 
grafie gibt's, und mitunter kann eine völlig un-erzogene 
Hand nmeisteriichli agieren, indes der technisch Profes- 
sionelle, uaffiniert-r und perfekt, unter dem Zwange die 
ser Auflagen den Verlust solcher unbekümmerter Natür- 
lichkeit hinnehmen muß. Überschneidungen finden im- 
mer wieder statt. Annäherungen beider Pole, aber kaum 
registriert. So kam es auch, daß aus der Natürlichkeit 
frühen Erlebens, quasi spielend, Stephanie Windisch- 
Graetz bereits als Kind wahr gewordene Träume in natu- 
ra, als Realität - was anderen ein Leben lang Traum, il- 
lusion bleibt - erlebte. Auch im Zeitalter des Jet-Sets 
und Charter Flying. Sie erlebte innerstes jungfräuliches 
Afrika. eindringlich, in seiner ganzen Unmittelbarkeit 
von exotischer Landschaft. üppiger Vegetation, einer 
herrlich wilden Fauna voller Geheimnisse. Das prägte 
von früh an und färbte auch ihr Wesen, ließ sie, mit Bil- 
dern übervcll, Malerin werden. Sie reiste durch Europa, 
Süd- und Nordamerika, letztlich Asien. Einmal kam die 
Kamera in ihre Hand. Und sie begann getreulich in foto 
grafischen Bildern aufzuzeichnen von ihren langen Rei- 
sen. Und die Kamera verdrängte allmählich den Pinsel. 
Alsbaid erkannte Stephanie Windisch-Graetz ihre Be- 
stlmmung als Porträtfotografin. Und hier, wie oft im Le- 
ben, verhalf ihr ein deutlicher Zwang zu einem Hilfsmit- 
tel, dem Kerzenlicht. Mag sein, daß das, was man an 
ihren Bildern als eigene Kreativität bezeichnet, nämlich 
die mittelbare und unmittelbare gedämpfte und milde 
Strahlkraft des Kerzenscheines, zu sehr dominiert. Das 
obskure Dunkel der Tempel und Behausungen des Hi- 
malajagebietes zwang ihr ja erst die Kerze, als Ersatz 
für Blitzlicht und Strahler, in die Hand, und sie erkannte 
darin vorerst nur eine Möglichkeit, der Porträtfotografie 
neue Akzente zu verleihen. 
Stephanie Windisch-Graetz porträtiert ungewöhnlich. ihr 
Modell steht jeweils unter besonderen, subjektiv über 
ihre Person frei werdenden Usancen. Sie drapiert in hi- 
storischer Kostümierung, leuchtet mit den wkreativenit 
Kerzen eine veristische Vergangenheit herauf. Gelegent- 
lich auch ein Stück Gegenwart um eine Person, das je 
doch stets in das gleiche imaginäre "Retount führt. 
Mensch und Modell, ein Antlitz, umgebende Räumlich- 
keit, erscheinen malerlsch. Sie porträtierte viele soge- 
nannte Berühmtheiten, nStarsw. Alle gleich aus- und an- 
geieuchtet, mystifiziert. Alle haben mehr oder minder 
auch unter der Maskerade - man verzeih' das Wort - 
an menschlicher Natürlichkeit eingebüßt, sind Objekte 
einer gewollten künstlerischen Auseinandersetzung 
geworden, die altmelsterliche Malauffassung aus der 
Kamera entspringen läßt. Manches wirkt posisch zu ver- 
schnörkelt, ist Blendung und Beiwerk, nimmt von der 
Eloquenz der eigensten Personaiitat. Sicher zeigen die 
Bilder soweit iebensgetreu Porträtierung, doch erreicht 
uns der packende künstlerisch-autarke Aufschrei nicht. 
Vor Stephanie Windisch-Graetz' Porträts wird uns be- 
wußt, wie ein klassischer Bereich der Fotografie der 
künstlerischen Voiiblutnatur bedarf. 
Die Ausstellung auf dem halben Galerleflügei über dem 
Säuienhof, außer der Intimität des Aussteilungsraumes 
als Ganzes, harmonisch, gestaiterisch klar. Man zeigte 
Interesse für das Ouevre, ohne es übermäßig zu lobprei- 
sen, und befand vor den Porträtfotografien, was sie dem 
einzelnen gaben. Doch allgemein, nach höheren Krite- 
rien gemessen, vermißte man sichtbare lwEntzündunglt, 
die Verinnerlichung am Modell. Als Primäres, das ja 
letztlich den (Selbstl-Auslöser zum Kunstwerk bedeutet. 
Somit blieb manches leblos-lebendiges Zentrum einer 
variantenreichen Staffage, geschmacksorientlerten, hi- 
storisierenden Rückblendungen untenuorfen. 
Wolfgang Haipl 
Möbel und Raum 
Katalog Neue Folge Nr. 55 
Altes Haus, Eiteibergersaai 
Wien 1, Stubenring 5 
23. 2.- 1. 4.1979 
(verlängert bis 16. 4. 1979) 
Architekten bestimmen in einer Weise unser Leben, die, 
zu allen gebräuchlichen umweitschützerischen Belan- 
gen summiert, von einschneidender Wirkung auf l 
Dasein ist. Allerdings, dieses abgedroschene WOI 
heute, nArchitekten leben gefährlich-t, steht imme 
der unter deren ungeheuren Verantwortung vor de 
sellschaft im oft gefährlichen Sog von Statikern t 
Technologien, unter der Knute auftragsheischend 
kulationen, terminerpreßter Bauherren. Daher auc 
greift die itBiLlSChWinÜSUChlii so rasch um sich. ll 
früher für Jahrhunderte, ein halbes oder zuminde: 
Jahrzehnte gebaut, tut's man heute für ungleich v 
ger. Hauptsache, man hat den Auftrag und baut. I 
der Schonfrist oft bröckelt, morscht und bricht de 
ren das "stolz Errichtete-t - so die festfrohen Ert 
- jäh ein. Man repariert, bekreuzigt sich und tut 
ter. - Innenarchitekten wie unser Ausstellender l 
um nichts weniger gefährlich, auch wenn ihren W 
beglückten nicht gleich die Decke auf den Kopf f: 
Dennoch, sie müssen mit ausbaden. was ihnen al 
lent Architekten aufhaisen. An baulichen Unzulän 
keiten, nach gegängelten Architektursystemen au 
richteten formverkrampften Grundkcnzeptionen. F 
ein "volles Haus", vordergründig begleitet von Str 
lärm, "schiäftit in ein herrlich neubauliches Leber 
Was das mit unserem hier präsentierten J. W. Hai 
tun hat? Nun so viel, daß wir ihn doch als einen l 
erkennen, der voller Überlegung gegen den ideell 
materiell verblockten Baustrom zu schwimmen vs 
sucht. in seinem großen Schaffansdiagramm - s 
Bezugkreis des Wohnens - setzte er obenan i-Ur 
i ich, du, er, sie, es: geht von der Nuiisituation I 
den Menschen, die Sinne, das Atom in einer breit 
Skala zu "Plaskom und Quarantaineu, statt nnega 
Fernen zur Endsituation der wpositiven Näheu. 
Möbel und Raum sind für den Innenarchitekten J. 
Haipl die großen Schaffenskomponenten. Er setzt 
kalt-nüchternen Kausalität der Moderne, einer reg 
tierten Architektur bewußt Antiakzente entgegen. 
das mit allen fünf Sinnen herbeizuführende Raum 
Erlebnis, den erlebbaren Raum. Das klingt hochgi 
chen, ist es im Endeffekt ganz und gar nicht. Hail 
damit über die der Gegenwart entsprechenden Gr 
strukturen, erstarrte Formenvariabilität hinaus. Ul 
sieht voraus, daß man vielleicht in einem Jahrzeh 
schon den abgebrauchten Begriff Wohnen völlig I 
hen wird. Mancher mochte vor dem präsentierten 
liar nicht ganz die volle ideologische Adaquanz ei 
nen. Das volle lns-Biid-Setzen solcher Haiplscher 
legungen und Sentenzen vermissen. ideelle Auss: 
Wort und Ding, in Bezug zueinander zu setzen, be 
klarerer Basismoglichkeiten als dem einschränke 
Ausstellungsstückwerk. Wie weit sind wir gerade 
Shpäre des Wohnens von echter i-Lebensgerechti 
entfernt. Früher, damals, heute und auch morgen' 
Corbusier und Hundertwasser fanden sich im sch 
Wohntraum, dem Dachgarten, als gemeinsame W 
reiter zu einer realisierbaren Human-Utopie. Sie p 
gierten, befreit von aller urbanen Bedrückung, hoi 
oben im grünen Freien, in einer Dimension, wie s 
auch Haipl etwas anders konzipiert, zu leben. We 
gleich letzterer mitten im normalen innenarchitek 
schen Alltag steckt, der weniger Geniebiilze vertr 
Als Lehrer an der Hochschule für angewandte Ku 
vermittelte er eine Reihe von grundsätzlichen Übe 
gungen zum Wohnen, zum besseren Raumgefühl, 
auch eine Fülle solider Baugesinnung, praktikabe 
durch- und ausführbar. Markantester Ausgangspu 
zum Jahr 2000 hin Haipls Aspekt "nach dem Mob 
"Absolute Hohlräume werden zur Verfügung steht 
Bewohner wird seine Raumeinteilung selbst verär 
können, und die Möbel werden in großzügig gepia 
und perfekt strukturierten Raumbildungen als Ein 
stücke eine völlig andere Bedeutung bekommen." 
Damit stellt Haipl sicherlich keine Utopie in die Z 
vor, denn manches davon stößt, verandernd, evoli 
längst als Vorläufer in unseren Tagen an den pra: 
ven Beginn dieser Entwicklung. leopold 
Ausstellungen: 
Derzeit laufen im Stammhaus die Ausstellungen t 
Rader Souiek, Bilder und Zeichnungen" bis 4. 8. 1 
i-Koloman Mosent bis 15. 7. 1979 (verlängert bis 
19. 8. 1979), "Anton KiingI1ß81-1963 und sein Fri 
deskreisu bis 30. 9. 1979, „Barockes Kupfer aus H 
grund und ornamentale Vorlagebiättera bis 30. 9. 
im Schioßmuseum Riegersburg ist am 29. 6. 1979 
Ausstellung l-Chinamode - Beispiele der Ost-We 
Begegnung im 17. und 18. Jahrhundert" eröffnet v
	        
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