3 Michelangelo, Capella Medicea. Grabmal des Giuliano
de'Medici ohne Figuren, Neue Sakristei. Florenz. Kirche
von San Lorenzo
4 Michelangelo, Capella Medicea, Portaltraveen der Neuen
Sakristei. Florenz, Kirche von San Lorenzo
nmerkung 1
Heinrich Freiherr v Geymuller, Michelangelo Buonarrotl (DieAmni-
tektur der Renaissance in Toscana, au, VIII). Munchen 1904, s 13
und 45,
4
einem Fassadenschema folgen, das mit S0ckelge-
schoß, mit den zwei Stockwerke übergreifenden
Doppelsäulen oder -pilastern und abschließender
Attika ganz der römischen Hochrenaissance ange-
hört und dort an einer Reihe von Palästen zu finden
ist.
Dieser höchst ß-moderneu Grabmalsaufriß ist aber
mit einer Ornamentik versehen, die in ihrer Zartheit
und Schwerelosigkeit. mit ihren scharf geschliffe-
nen Profilen und der ziselierten Oberfläche an eine
viel ältere Stute erinnert. sie verweist auf den Höhe-
punkt dieser Ornamentkultur im mittleren Ouattro-
cento, auf die Kleinarchitekturen etwa Desiderio da
Settignanos oder Benedetto da Maianos - auch
wenn sie diese natürlich nicht kopiert. Es findet also
über Kreuz eine Angleichung der Kontrastmomente
statt: Das altertümliche System der kolossalen Pila-
ster-Gebälk-Gliederung geht zusammen mit dem al-
tertümlichen Charakter der Ornamentik an den
Grabmälern; andererseits verbindet sich der "mo-
dernet- Aufriß dieser Marmorarchitekturen mit der
"modernen" ornamentalen Einkleidung und Aus-
stattung der Rahmenarchitektur, Die Kontraste be-
gegnen sich also auf verschiedenen Ebenen des Ar-
chitektonischen. in ihren Aufrißsystemen und in ih-
ren ornamentalen Instrumentierungen. Das heißt.
daß die unmittelbare, enge Bindung von Bauglied
und Ornament sich gelockert hat und jedes einen
unter. A
Charakter annehmen kann, dersich mit dem des an-
deren nicht mehr voll zu decken braucht.
Wie die Elemente des Quattrocento auf die Medici
bezogen werden können, habe ich zu zeigen ver-
sucht; doch sind auch diejenigen Formen. die stili-
stisch die Erbauungszeit vertreten, also "modern--
in dem skizzierten Sinne sind, als mediceische Ar-
chitektur zu verstehen. Als Grabmal und Portal, die
beide seit dem Altertum miteinander verbunden
werden, vertreten sie den Zeitpunkt des Endes der
Familie allein durch die stilistische Prägnanz, die
sie, als auf der Höhe der Zeit stehend, ausweist. Der
Anfang und das Ende der Medici manifestiert sich in
solchen von Michelangelo bewußt gewählten und
miteinander verschränkten Stilstuten. In dieser ar-
chitektonischen Mehrsprachigkeit, wie ich dieses
Phänomen nennen möchte. stehen die eingesetzten
Stilstufen für jene Zeitstufen, die für das Haus der
Medici Wendepunkte bedeutet haben. Die Zeitstile
werden zu Zeitsymbolen.
Es wäre wohl ein arges Mißverständnis, wenn man
in dieser Mehrsprachigkeit der architektonischen
Form eine eklektische Haltung sähe. Trotzdem ist es
notwendig, dieser immerhin möglichen Auffassung
vorzubeugen mit der Frage. was denn das einheit-
stiftende Prinzip sei, oder anders. wie die Mehrheit
von Zeitstilen in der Einheit eines lndividualstiles
aufgehen kann. Würde man sich auf diese Frage mit