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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIV (1979 / Heft 166 und 167)

1elangelo.Capella Medicea. Relief einer Sarkophag- 
ze in der Neuen Sakristei derKirche von San Lorenzo, 
enz 
Jngen R9 
dathias Winner, Pontormos Fresken in POggil) S Caiano, in: 
rlftfurKunstgeschichte,541351972, Heft 3, und Gerhard B. 
Vegetation Symbolism und the Ccncept cf Renaissance, in: 
aus Dpuscula XI. Essays in Honour of Erwin Panofsky, ed 
New York 1961; in deutscher Übersetzung srschienenals: 
nsymbclik und der Renaissance-Begriff, Zu Begriff und 
'I der Renaissance. hrsg. von August Buck, Darmstadt 1969. 
ultpold Dusaler, Die Zeichnungen des Michelangelo. Kriti- 
aralog. Berlin 1959. Kat. Nr. 153. 
lt. Nr. so. 
illen über den Totendienat finden sich zusammengestellt bei 
v. Einem. Die Medicimadonna Micnelangelos, Vorträge der 
ch-Wastfälischon Akademie der Wissenschaften. e 190. 
1 1973. S. 26 N. 
  
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scher Raum. Das wird nirgends deutlicher als dort. 
wo sich im Bereich der kclossalen Pilasterordnung 
das Verhältnis des Innen zum Außen in den Blend- 
öffnungen der Wand als ein Absolutwerden der 
Raumgrenze konkretisiert. In Gestalt flach ge- 
schlossener Nischen und Ädikulen sitzen diese Öff- 
nungen als blinde Fenster in den Fassaden. In acht- 
facher Wiederholung besetzen die Portale die Eck- 
traveen. Echte Türen und Scheintüren sind nicht zu 
unterscheiden, die reale Funktion der Ein- und Aus- 
gänge verliert ihre Bedeutung. Der mundane Zweck 
der Portale wird in der Wiederholung irreal; das 
scheinbare Geöffnetsein des Raumes nach allen 
Seiten schlägt in ein Erlebnis des Eingeschlossen- 
seins um, das zugleich ein Ausgeschlossensein ist. 
Die Zugänge zur draußen liegenden Welt sind nur 
noch Bilder oder funktionsleere Kunsttormen. Darin 
liegt das Prinzip des Hermetischen. In der Hermetik 
endet jedes Kontinuum, alles lnnen- und Außen- 
Verbindende und Zueinander-Ordnende. Ein Raum 
aber, in dem die Verbindung seines innen mit dem 
Außen keine Gültigkeit mehr hat, besitzt in allen 
Dingen, die er einschließt, Absolutheitscharakter. 
Sie können nicht mehr vor dem Hintergrund mun- 
daner Ordnungen und Verhältnisse gesehen wer- 
den; die Dinge sind nicht mehr mit Maßstäben zu 
messen, die draußen, außerhalb dieser Hermetik lie- 
gen. 
Das gilt für die beschriebene Form der Komposit- 
ordnung. die eben nur innerhalb eines Raumes mit 
solchen Eigenschaften möglich ist und sich damit 
nicht dem Kontinuum der allgemeingültigen Nor- 
men der architektonischen Ordnungssysteme ein- 
gliedert - es ist sozusagen eine hermetische Archi- 
tekturordnung; und esgiltfürdieZeit, die gleichsam 
abgeschnitten vom Zeitkontinuum abstirbt und neu 
gestaltet wird. 
In dieser Zwischenwelt wird der Besucher nicht nur 
seines Ortsgefühles enthoben, er spürt zugleich, 
daß hier kein gelassenes Verweilen möglich ist, er 
wird sich, wenn nicht als Eindringling, so doch als 
paradox empfinden, weil ihm die Basis für ein 
raum-zeitliches Kontinuum entzogen ist. 
Wenngleich die Kapelle schon bald nach Michelan- 
gelos endgüitigem Fortgang nach Rom 1534 für Be- 
sucher zugänglich wurde- Karl V. hat sie sich 1535 
aufschließen lassen - ist sie doch kein Ort, der auf 
Besucher Rücksicht nimmt oder mit ihnen rechnet. 
Dies wird schon durch die ungewöhnliche Stellung 
des Priesters hinter dem Altar angezeigt. Diese 
nachweislich ursprüngliche Orientierung schließt 
aus, daß sich zwischen dem Kultbild. der Madonna 
an der Eingangswand gegenüber dem Altar und 
dem Priester hinter dem Altar Zuschauer oder Besu- 
cher befinden; sie können sich ebensowenig in dem 
Chorraum aufhalten, der ohne eigenen Zugang und 
überdies sehr klein ist. In ihrer kultischen Funktion i 
wird die Kapelle also vollends hermetisch. Man 
könnte die Neue Sakristei als eine i-summa medi- 
cea-i bezeichnen und als ein "nach innen gewende- 
tes Denkmal-t, das seine Denkmalsfunktion nur in- 
nerhalb der kultischen Hermetik erfüllt hat. 
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