Als es dem Präsidenten des Wiener Künstlerhau-
ses, Hans Mayr, im Jahre 1977 gelang, eine Aus-
stellung mit Werken moderner Kunst aus den
Sammlungen von Prof. Ludwig in Aachen für Wien
zu organisieren, war zunächst keinem der Beteilig-
ten deutlich, daß dies der erste Schritt zur Grün-
dung des Museums moderner Kunst war. Noch
während der Ausstellung konnte das Ehepaar
Ludwig für den Plan gewonnen werden, ausge-
hend von den im Künstlerhaus gezeigten Arbeiten,
eine Gruppe von Werken als längerfristige Leihga-
be nach Wien zu geben. Ein Komitee, eingesetzt
von Frau Bundesminister Dr. Hertha Firnberg,
führte Verhandlungen mit dem Sammlerehepaar,
um für Wien eine gültige Liste der auszustellen-
den Werke zu vereinbaren. Diese Liste veränderte
sich im Laufe der Gespräche wesentlich. Viele
Werke kamen hinzu, neue Künstler wurden für
Wien hinzugenommen. Die anwachsende Zahl der
Leihgaben Ludwigs verband sich schnell mit der
Frage nach dem Ort ihrer gemeinsamen Unterbrin-
gung zusammen mit den österreichischen Bestan-
den unseres Jahrhunderts. Die Entscheidung fiel
zugunsten des Gartenpalais Liechtenstein im
9. Bezirk. Das Gartenpalais, das bis 1945 die fürst-
liche Galerie beherbergte (heute in Vaduz) und
schon einmal, 1958, Gegenstand von Verhandlun-
gen zur Unterbringung der modernen Galerie ge
wesen war, wurde für die neue Nutzung als Haupt-
gebäude des Museums moderner Kunst renoviert;
ergänzt durch das Gebäude des bisherigen Mu-
seums des 20. Jahrhunderts im Schweizer Garten,
das 20er Haus, für die Präsentation von Teilen der
Sammlung und für umfangreiche Wechselausstel-
lungen. Fernziel sollte es sein, beide Häuser an ei-
nem Ort zu vereinen.
Mit der Renovierung des Gartenpalais Liechten-
stein konnten nicht nur geeignete Ausstellungs-
räume geschaffen werden, sondern auch eines
der bedeutendsten und schönsten Wiener Barock-
palais instand gesetzt werden. Das Gartenpalais
wurde von einem der baufreudigsten Fürsten sei-
ner Zeit, Johann Adam Andrea Liechtenstein (1662
bis 1712) erbaut. im Jahre 1687 hatte der Fürst
ausgedehnte Gründe in der Roßau, dem Augebiet
vor den Toren Wiens (damals floß an der Stelle der
heutigen Porzellangasse ein Donauarm), erwor-
ben. Wenig später ließ er Gärten anlegen und ein
Lustgebäude, das sogenannte Belvedere, nach
Plänen des Architekten Bernhard Fischer von Er-
lach errichten. Dieses wurde 1873 abgebrochen
und durch einen Neubau nach Entwürfen von
Heinrich von Ferstel ersetzt.
Die Baugeschichte des Palais Liechtenstein ist
bis heute nicht ganz geklärt. Wahrscheinlich war
der Bologneser Architekt Domenico Egidio Rossi
an den Planungen für die Familie Liechtenstein
beteiligt. Die endgültige Ausführung des Baues
Qrthnint nhnnsn win das Qfnritnalais in da! Ranke
Die Gründung des Museums wurde durch die Pri-
vatsammler Peter und Irene Ludwig, Aachen, mög-
lich. lhrAngebot, dem österreichischen Staat leih-
weise eine Gruppe von Werken aus ihrer Privat-
sammlung zur Verfügung zu stellen, wurde der
entscheidende Impuls, die moderne Sammlung
auszubauen. Die kulturpolitische Weitsicht des
Unterhaltsträgers und das leidenschaftliche En-
gagement der Mitglieder des Komitees für das
Museum moderner Kunst führten in kurzer Zeit zur
Realisierung dieses erstaunlichen Projektes.
Die Arbeit des Museums verteilt sich auf zwei
Häuser, das barocke Palais Liechtenstein, Wien 9,
Fürstengasse 1, und das moderne i20er Hausit,
Wien 3, Schweizer Garten. Die Öffnungszeiten
sind: Palais Liechtenstein täglich 10-18 Uhr,
Dienstag geschlossen; Museum des 20. Jahrhun-
derts täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch geschlos-
S811.
1 Joseph Beuys (1921 KlevelBRD), "Ttlrii, 1954-1956.
Assemblage, verbrannte Holztür. Vogelschadel, Ha-
senfell. 210 x108 x 10 crn
2 Vorbereitungsphase der Adaptierung des Palais
Liechtenstein. Deckenfresko von Andrea Pozzo.
fiApotheose des Herkulesii, im Festsaal das heutigen
Museums moderner Kunst während der Restaurie-
rungsarbeiten
3 Festakt zur Eröffnung des Museums moderner Kunst
im Palais Liechtenstein am 26. April 1979. Bundes-
präsident Dr. Rudolf Kirchschläger. Erbprinz Liechten-
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Schmuck Giovanni Giuliani und nicht zuletzt für
das große Deckenfresko im Festsaal des Palais
Andrea Pozzo aus Rom. Dieser schuf in den Jah-
ren 1704 bis 1708 das Deckenfresko mit der Apcr
theose des Herkules. (Ein Leporello über das Pa-
lais Liechtenstein gibt Auskünfte über die Ge-
schichte, Baugeschichte und Inneneinrichtung,
öS 51.-.)
In diesem Festsaal wurde am 26. April 1979 das
Museum moderner Kunst eröffnet im Beisein des
Bundespräsidenten Dr. Rudolf Kirchschläger, der
Frau Bundesminister Dr. Hertha Firnberg und des
Bundesministers Dr. Fred Sinowatz sowie des
Ehepaares Prof. Peter und lrene Ludwig und des
Ehepaares Wolfgang und Hildegard Hahn. In der
Eröffnungsrede wurde zum Ausdruck gebracht,
daß die Neugründung des Museums moderner
Kunst Wien in den kleinen Reigen der internatio-
nalen Zentren moderner Kunst integrieren soll.
Frau Dr. Firnberg erinnerte an die jüngere Ge-
schichte der Wiener Museen. Sie sagte unter an-
derem: i-Die Geschichte der Museen ist mit der
Geschichte unseres Landes untrennbar verbun-
den: Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges und
dem Ende der Doppelmonarchie endete auch eine
fruchtbare Periode musealen Aufbaues. Die junge
Republik konnte zwar ein reiches Erbe bedeuten-
der Sammlungen vergangener Jahrhunderte über-
nehmen, aber die mit großen Schwierigkeiten be-
lastete 1. Republik, die Wirtschaftskrise, der Fa-
schismus wie die Annektion Österreichs und der
2. Weltkrieg boten kein Klima des staatlichen För-
derns und Sammelns zeitgenössischer Kunst.
Auch nach Ende des 2. Weltkrieges war der Auf-
bau des vom Krieg schwer zerstörten Österreich
wichtiger, als ,Kunst zu sammeln' und zu doku-
mentieren; auch die Impulse dazu waren schwach,
um so mehr, als in den 50er Jahren und im folgen-
den Jahrzehnt eine starke Verlagerung des zeitge-
nössischen, bestimmenden Kunstschaftens in die
USA erfolgte. Die Ursachen dafür, daß die Repu-
blik grandiose Bestände an Kunstwerken vergan-
gener Jahrhunderte besitzt, die Moderne aber nur
lückenhaft vertreten ist, liegen im historischen
Geschehen...
Immer wieder aber tritt der Versuch auf, auch der
zeitgenössischen Kunst ihr Recht zu geben, in die
Gegenwart einzutreten: so zur Jahrhundertwende,
als, bestimmt durch die Initiative der Künstler-
gruppe .Secession' unter der Führung von Otto
Wagner, die Staatsgalerie gegründet wird. 1928
fand der Plan mit der Eröffnung der Modernen Ga-
lerie in der Orangerie des Unteren Belvederes im
Rahmen der Österreichischen Galerie seine erste,
freilich recht bescheidene Verwirklichung. Für die
Kunst des 19. Jahrhunderts wurde in der Folge ei-
ne Lösung in der Stallburg-Galerie gefunden. Für
die Kunst des 20. Jahrhunderts schließlich wurde
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