Fritz Moosleitner
Der Dürrnberg bei Hallein -
Zentrum keltischer Kunst
und Kultur
Die traditionsreiche Salinenstadt Hallein, rund
fünfzehn Kilometer südlich der Stadt Salzburg ge-
legen, steht 1980 ganz irn Zeichen der ersten Salz-
burger Landesausstellung. Unter dem Titel i-Die
Kelten in Mitteleuropa-r wird eine umfangreiche
Dokumentation vorbereitet, die einen Überblick
über Kunst und Kultur der Kelten im Zeitraum zwi-
schen dem ersten Auftreten des keltischen Stiles
um 500 v. Chr. bis zum Ende der keltischen Eigen-
ständigkeit im Ietzten Jahrhundert vor der Zeiten-
wende geben soll. Für diese Schau, die an Umfang
und Bedeutung alle bisherigen Ausstellungen zu
diesem Thema übertrifft, werden Leihgaben aus
rund siebzig der bedeutendsten europäischen Mu-
seen und Sammlungen erwartet. Unmittelbarer
Anlaß für diese Ausstellung ist die 75OJahr-Feier
der Stadt Hallein. Kein anderes Thema schien für
eine Sonderausstellung zum festlichen Anlaß bes-
ser geeignet als eine Zusammenschau keltischer
Kunst und Kultur, hat sich doch der Dürrnberg bei
Hallein durch die Grabungen der letzten Jahrzehn-
te als eines der bedeutendsten keltischen Sied-
Iungszentren erwiesen. Das i-Keltenmuseum Hal-
Ieinu birgt eine der umfangreichsten Sammlungen
keltischer Handwerkskunst in Europa. Die Fach-
welt beschäftigte sich in den letzten Jahren be-
reits sehr eingehend mit dem Fundmaterial des
Dürrnberges. Trotzdem hat diese Örtlichkeit nicht
jene Aufmerksamkeit gefunden, die ihr auf Grund
der eminenten Bedeutung zukommen müßte. Es
bleibt zu hoffen, daß die geplante Ausstellung ei-
ne Wende herbeiführen möge.
Die Erforschung des Dürrnberges
Einer der Gründe für die mangelnde Popularität
des Dürrnberges ist darin zu suchen, daß die Wis-
senschaft die Bedeutung dieses Fundplatzes erst
sehr spät erkannt hat, obwohl die ältesten Nach-
richten über Funde am Dürrnberg bereits aus den
ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts stam-
men. Bei Erdarbeiten stieß man wiederholt auf Be-
stattungen aus vorgeschichtlicher Zeit, so etwa
im Jahre 1823 am sogenannten Hallersbühel oder
1844 bei der Anlage eines neuen Friedhofes. Es
kam jedoch während des gesamten 19. Jh.s zu kei-
nen planmäßigen Untersuchungen. Kleinere Ver-
suchsgrabungen wurden mehrmals in Angriff ge-
nommen, ihnen war jedoch kein Erfolg beschie-
den. Nach der Entdeckung eines Grabes infolge
einer Hangrutschung im Jahre 1881 prüfte das Na-
turhistorische Hofmuseum Wien an Ort und Stelle
die Möglichkeit zu großangelegten Grabungen.
Dem damaligen Kustos Franz Heger schien die
Örtlichkeit jedoch ungeeignet, er beurteilte die
Chance, auf ein größeres Gräberfeld zu stoßen,
negativ. Die Zufallsfunde des Jahres 1881 riefen
hingegen erstmals Raubgräber auf den Plan, die
einige Erfolge verbuchen konnten. Zahlreiche
Grabhügel wurden geplündert, die Funde wander-
ten in den Münchener Kunsthandel. Erst ab 1910
trat eine Änderung dieser Situation ein, als sich
der junge Bauingenieur Martin Hell für die älteste
Geschichte des Landes Salzburg zu interessieren
begann. Von Anfang an bildete der Dürrnberg
einen Schwerpunkt seiner Forschungstatigkeit.
In einer Reihe von Publikationen hat M. Hell
den Dürrnberg der Fachwelt bekannt gemacht. Je-
doch auch ihm bot sich keine Möglichkeit zu groß-
angelegten Grabungen, er mußte sich mit der Be-
obachtung von Erdbewegungen im Zuge von Bau-
arbeiten sowie mit kleinen Bodenuntersuchun-
gen begnügen. Im Jahre 1925 gelang M. Hell
die Auffindung einiger reich ausgestatteter
Gräber, die durch Bauarbeiten angeschnitten wor-
den waren.
Angeregt durch diese Entdeckungen, schaltete
sich Olivier Klose, Kustos der iiAntikenabtellungu
des Salzburger Museums, in die Erforschung des
Dürrnberges ein. Von 1928 bis 1932 öffnete er
rund fünfzehn große Grabhügel, die jedoch groß-
teils in älterer Zeit geplündert worden waren. Der
erhoffte Erfolg stellte sich erst im letzten von ihm
geöffneten Grab ein. In einem großen Grabhügel
am Fuße der Hexenwand fand Klose zusammen
mit den Resten eines zweirädrigen Streitwagens
die einzigartige Schnabelkanne aus Bronze. Klose
konnte sich seines Fundes nur kurze Zeit erfreuen,
er starb wenige Monate nach Auffindung der Kan-
ne.
Von 1932 ruhte die Forschungsarbeit am Dürrn-
berg, bis 1949 Ing. Ernst Penninger zum Kustos
des Halleiner Stadtmuseums bestellt wurde. Noch
im selben Jahr begann er, am Dürrnberg Fundber-
gungen und kleinere Grabungen zur Rettung ge-
fährdeter Bodendenkmäler durchzuführen - in
den ersten Jahren noch unter Anleitung des Lan-
desarchäologen Martin Hell, sehr bald jedoch
schon auf eigene Verantwortung. Diese Untersu-
chungen gestalteten sich von Anfang an sehr er-
folgreich. Obwohl nur sehr beschränkte Geldmit-
tel zur Verfügung standen, konnte Jahr für Jahr ei-
ne größere Zahl von Bestattungen aufgedeckt
werden. Die Grabarbeiten wurden dabei zumeist
von freiwilligen Helfern durchgeführt.
Eine Änderung der Situation trat erst nach der
Auffindung eines weiteren nFürstengrabes-r im
Jahre 1959 ein. Im Zusammenhang mit der Errich-
tung eines neuen Kurparks wurde auf der Hohe
des Mosersteines ein ungestörtes Grab mit rei-
cher Ausstattung entdeckt. Von den Beigaben sei
ein Bronzehelm, eine "Pilgerflaschefr aus Bronze
sowie eine attische Schale erwähnt. Dieses Grab
erweckte das Interesse weiter Kreise, von diesem
Zeitpunkt an konnten die Grabungen am Dürrn-
berg auf eine neue Basis gestellt werden.
Im Jahre 1963 gelang die Auffindung eines ge-
schlossenen Graberfeldes im Bereich des sog.
Eislgutes, dieser Friedhof gehört sowohl der spä-
ten Hallstattzeit wie auch der Frühlateneperiode
an. Seither konzentriert sich die Grabungstatig-
keit auf den Bereich des Eislfeldes. Die systemati-
sche Aufdeckung dieses Gräberfeldes erbrachte
außerordentlich reiches Fundmaterial, gibt Auf-
schluß über Totenkult und Bestattungssitten so-
wie neue Einblicke in chronologische Zusammen-
hänge.
In den letzten Jahren ist die Forschungsarbeit am
Dürrnberg außerordentlich intensiviert worden.
Der geplante Bau einer neuen Straße auf den
Dürrnberg macht umfangreiche Rettungsmaßnah-
men notwendig. An den Grabungen im Bereich der
zukünftigen Straßentrasse beteiligen sich meh-
rere lnstitutionen, u.a. das Bundesdenkmalamt
Wien und die Universität Wien, die Hauptlast die-
ser Arbeiten wird jedoch vom Keltenmuseum Hal-
lein und vom Salzburger Museum C.A. getragen.
Im Zuge dieser Rettungsgrabungen konnten nicht
nur zahlreiche Gräber mit reichen Beigaben, son-
dern neben Siedlungsresten auch erstmalig
Werksanlagen zur Salzgewinnung aufgedeckt
werden. Ausgedehnte Salzlagerstätten bildeten
die wirtschaftliche Grundlage für den Reichtum
der vorgeschichtlichen Siedlung am Dürrnberg.
Die bergmännische Gewinnung des Salzes setzte
nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen
in der Hallstattperiode um 600 v. Chr. ein und dau-
ert mit Unterbrechung in römischer Zeit und im
Frühmittelalter bis in unsere Tage an.
Das Werden des keltischen Stiles
Etwa um die Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. tritt
in Mitteleuropa in einem Gebiet, das sich in wei-
tem Bogen von Ostfrankreich bis an den Nordost-
rand der Alpen erstreckt, eine neue Kultur in Er-
scheinung, die man nach einem Fundort in der
Schweiz als Latenekultur bezeichnet.
An Hand antiker Quellen konnte diese Kultur ein-
deutig dem Volk der Kelten zugeordnet werden.