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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXV (1980 / Heft 168)

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Kennzeichnend für die Latenekultur ist ein eigen- 
artiger, unverwechselbarer Kunststil, der uns vor 
allem in der Verzierung von Metallgegenständen, 
auf Schmuck, Waffen, Gerätschaften und Metall- 
gefäßen, aber auch auf Keramik entgegentritt. Oh- 
ne daß ein Entwicklungsprozeß, ein allmahliches 
Werden dieses neuen Stils erkennbar wäre, tritt 
dieser plötzlich in Erscheinung. 
Wie man das Problem auch betrachten mag, man 
stößt immer und immer wieder auf dasselbe Phä- 
nomen, nämlich, daß die keltische Kunst keine 
i-Genesisu, keine Entwicklungsgeschichte erken- 
hen läßt. - Diese Zeilen schrieb einer der bedeu- 
tendsten Kenner keltischer Kunst, Paul Jacobs- 
thal, in seinem umfassenden Werk über die frühe 
keltische Kunst (Early Celtic Art, Oxford 1944). 
Diese Feststellung hat im wesentlichen auch heu- 
te noch Gültigkeit. Zwar haben zahlreiche neue 
Forschungen das Problem einer Lösung näherge- 
bracht, erst durch neue Funde jedoch, insbeson- 
dere jene des Dürrnberges, hat sich die Material- 
basis für systematische Untersuchungen wesent- 
lich verbreitert. Von einer endgültigen Klärung die- 
ses Phänomens sind wir jedoch noch weit ent- 
lernt. 
Paul Jacobsthal führt weiter aus: "Die keltische 
Kunst hat drei Wurzeln: Italien, den Osten und 
Hallstattnt 
Die Hallstattkultur (ca. 730 bis 450 v. Chr.) bildete 
die Grundlage für die Entfaltung des keltischen 
Stiles. Diese Kultur, benannt nach dem bekannten 
Salzort In Oberösterreich, war in weiten Gebieten 
Mitteleuropas, von Ostfrankreich über Süd- 
deutschland und Österreich bis Ungarn und Nord- 
jugoslawien, beheimatet. Im westlichen Verbrei- 
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tungsgebiet wurde diese Kultur zweifellos von kel- 
tischen Völkerschaften getragen. 
Zwar hat der Hallstattstil mit seiner rein geometri- 
schen Ornamentik (Dreiecke, Quadrate und Rhom- 
ben) nur wenig mit der Kunst der Lateneperiode 
gemein, in der Hallstattzeit wurden jedoch die 
technischen Grundlagen erarbeitet, auf denen das 
frühkeltische Kunsthandwerk aufbauen konnte. 
So hat man z.B. das Verfahren des Bronzegusses 
in verlorener Form perfekt beherrscht. Einfache 
Drehbanke zur Holz- und Metallbearbeitung stan- 
den bereits in Anwendung. In der Keramik wie 
auch in den Schmuckformen lebt hallstattzeitli- 
ches Formengut auch noch in der Lateneperiode 
fort. 
Eine zweite Wurzel des keltischen Stils um- 
schreibt Jacobsthal mit dem Begriff "Osten-i. 
Gemeint sind damit Einflüsse aus der Kunst der 
östlichen Reiternomaden, insbesondere der Sky- 
then, die im Frühlatenestil wirksam werden. Man- 
che Motive scheinen von den Thrakern im heuti- 
gen Bulgarien übernommen worden zu sein, ein- 
zelne Formen haben noch weifer im Osten, z. B. im 
Kaukasus, ihren Ursprung. Diese östlichen Ein- 
flüsse machen sich vor allem in keltischen Tier- 
darstellungen geltend, so z. B. im Motiv des Adler- 
kopfes mit geöffnetem Schnabel, das im gesam- 
ten frühkeltischen Bereich Verbreitung fand. Auf 
welchen Wegen diese Einflüsse den Kelten über- 
mittelt wurden, läßt sich nicht befriedigend klä- 
ren. Zwar sind die Skythen im Verlauf des 7. Jahr- 
hunderts v. Chr. in die ungarische Tiefebene vor- 
gedrungen und haben sich dort niedergelassen, 
zum Zeitpunkt der Entstehung des Frühlatenestils 
waren sie jedoch nicht unmittelbare Nachbarn der 
1 Bronzehelm aus dem i-FiJrstengrab-i Nr. 44 vom Dürrn- 
berg. 2. Hälfte 5. Jahrhundert v. Chr. Der Helm getrie- 
ben aus Bronzeblech, der Aulsalz separat gegossen 
und aufgenietel. Keltenmuseum, Hallein, 
3 Fünf Tonkannen mit schnabel- bzw. röhrenförmigem 
Ausguß aus Gräbern des Dürrnbergs. 2. Hälfte 5. Jahr- 
hundert v. Chr. Keltenmuseum, Hallein
	        
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