In dieser klerikalen und säkularen Position, wel-
cher in Migazzis Denken die Macht der einander
konstituierenden Kräfte von Kirche und Kaisertum
entsprach, verstand sich denn auch der Kardinal
als rrcardon der Triumphpforte des ewigen Hau-
ses. "Cardinalrr könne in seinem Wortursprung
r-von Gardine, so eine ThtJr-Angel heißttt, hergelei-
tet werden, trdaß also das Wort Cardinalis etwas
beständiges andeuten, bemerkt Zedler. Und es
klingt wie auf Migazzi gemünzt, wenn Picinello un-
ter rtCardorr die rrDependentiarr mit der Deutung
r-Portam a cardine gubernatam affirmatn auf-
führt39.
Nicht minder wörtlich wie als Kardinal erscheint
Migazzi aber auch als r-Pontifexrr - als Brücken-
und Wegebauer. im Lapidarium des Waitzener
Stadtmuseums werden die Überreste der Stein-
brücke aufbewahrt, deren stark verwitterte In-
schrift bezeugt, daß diese Brücke zur Ankunft der
allerhöchsten Fürsten 1764 von der ausgezierten
und erweiterten Stadt. sowie nach beiden Seiten
eine Straße gebaut worden waren40. War beim Tri-
umphbogen jeglicher Moment des rtPassierenstt
vermieden zugunsten der Fest-Stellung, so ist es
bei einer Brücke noch bezeichnender, wenn bei
dieser Passage über das Unfeste, gedächtnislos
Dahinströmende der Zeitpunkt und das Befestigte
denkmalhaft betont werden. Durch die ausdrückli-
che Bezeichnung der rrzweiten Stadtrr (VRBE ll)
Waitzen läßt sich die Brücke vor allem als bewuß-
ter Brückenschlag über die Zeiten hin verstehen;
ein Brückenschlag, der die Herrschaftszeit Migaz-
zis über den völligen Niedergang während der tür-
kischen Brandschatzungen hinweg mit der Zeit
der ersten großen Blüte Waitzens unter Nikolaus
Bathori verbindet. Floka berichtet in seinem Ge-
schichtswerk, dessen Einteilung genau dieser Zä-
sur folgt. daß der Bischof Bathori dem König Mat-
thias Corvinus Hunyadi so nacheiferte, daß Wait-
zen das Ofener Schloß nachgeahmt hätte. Der Ko-
nig habe die Stadt nbesonders zu des Bischofs
Bathori Zeitenrr öfters besucht, während Bathori
die Kathedrale und die Anlage der Stadt durch ita-
lienische Architekten mit großen Kosten auszie-
ren ließ". Diese verheißungsvolle Konjunktion von
Herrscher und Bischof, von Bischof und Stadt war
Migazzi ebenso fraglos bewußt, wie seine ganze
generös-weltläufige Tätigkeit deutlich das histori-
sche Beispiel widerspiegelt.
Nach Khevenhüllers Diarium" zeigte die Kaiserin
nicht nur bei der Einhaltung des längst gegebenen
Versprechens eine geradezu vorsätzliche Huld ge-
genüber ihrem Kardinal, sondern sie legte auch
die ihr eigene nvivaciterr derart an den Tag, daß
sie, früher als erwartet, am Abend des 27. August
auf der Donau von Preßburg kommend in Waitzen
eintraf. So hielt man zwar "durch die nur halb illu-
minirte neu erbaute stainerne Triumph-Porten und
lange Gassenrr den Einzug in die Stadt, aber mit
ttder bekanten Lebhaftigkeit des Herrn Cardina-
lenrr wurde in den darauffolgenden Tagen die fest-
liche Stadt um so unermüdlicher präsentiert, wo-
bei nicht zuletzt die Besichtigung des im Bau be-
findlichen neuen Dorns einen Glanzpunkt darstell-
te: nwelch-lezterer mit villem Eiffer und sehr
prächtig sous la direction des vor wenig Jahren
aus Franckreich gekommenen Ingenieur, i'i'l0n-
sieur Ganneval, disciple du fameux Sr. Servando-
ni, continuiret wird." Spürt man hier nun deutlich,
wie das Bestreben der Rekultivierung in Waitzen
seinen architektonischen Ausdruck für die Zu-
kunft finden soll, so zeigt sich dagegen dem Blick
auf das Ofener Schloß, anders als in den goldenen
Zeiten des Wetteiferns, eine merkwürdig zukunfts-
18
lose, äußerliche Angestrengtheit herrscherlicher
Präsenz. Als man nämlich von Waitzen aus das
neuentstehende Schloßgebäude zu Ofen besich-
tigt, äußert sich die Kaiserin nmit einigem Condo-
gliort über die vielen unnützen Ausgaben, und Khe-
venhüller findet es itin der That recht ridiculerr. daß
man ein so großartiges und prächtiges Gebäude
an einem Ort aufführt, wo "nach allen menschli-
chen Ansehen jemahls der Hof residiren Wlft
len noch könnenrr. Die Vorzeichen von Zukun
füllung und Nimmermehr, von Augenblicks
und Architekturdauer fließen seltsam ineine
wenn Khevenhüller dann unmittelbar nach c
geäußerten Aussichtslosigkeit bei der ab
chen Rückkehr nach Waitzen schildert, daE
vinsonderheit bei der Überfahrt der Donau
Anmerkungen 351. - 461. (Anm. 36. 37 s. Text S. 17)
rung der bedeutendsten antiken Zitate in der Dekoration entspre
chen die Froportionskalküie Blondels. der mit diesem Bogen ein
ewig g" ' es Paradigma eineraus sich selbst sprechenden Archi-
tekturschönheit schaffen wollte Vgl. A. E. Brlnckmann, Baukunst
des 17. und t8.Jh.s in den romanischen Ländern. Berlin 1815
(Handbuch der Kunstwissenschaft). S. 230 (.1 Stopfel (Vgl. Anm. 6)
S. 45-49 u. S. 57. Die VorbildlichkeitsliIietlon der Fnrte St. Deriis
geht bis zum Selzburger Neutor, WO der Gedanke ihrer Ruhrrles-
Unversehrtheit im naturruinösen Kontext In eine Zeilrelativierung
verkehrt wird (Adoit Hahnl. Dä Neutor. Salzburg 1977. Schriften-
reihe des Stedtvereins Salzburg. H. 6. S. 50) Der r-historische- In-
szenierungsetfekt ist auch die Pointe bei einem Gemälde Hubert
Roberts, der die Forte St. Denis im ruinciseri Zustand zeigt (vgl.
Anm. 47 und Hubert Burda. Die Fluine in den Bildern Hubert HO-
berts. München 1967. S. B7).
Vgl. Briefzitat in Anm. 30. lrn Bereich der steinernen Triurnphplor-
ten ist die Anknüpfung in Frankreich und Österreich an romani-
sehe Triumphtora als Herrschattszeichen und Erweis genereller
t-Dauera offenkundig. Bezeichnend ist hlertur die Medaille aul die
Thronfolge Maria Theresias 1740, die bewußt die lkonographie des
trömischaniAdlersmitderdes Phönix durchdringt. um diele ' 'me
Erneuerung des absterbenden Hauses durch Maria Theresia zu
manifestieren (Scheu- und Denkmünzen - vgl. Anm. 10 - Nr. Xll. Da
der Waitzener Triumphbogen dem ewig währenden Haus Habs-
burg gewidmet ist. ware auch hier eine damit verwandte Andeu-
tung durch d" römischen Adlerzeichen sehr sinnvoll. Zumal der
Phönix auf österreichischen Ehrenptorten immer wieder adler-
gieich alsZaichen der Ewigkeit im Sinne Flipas aurtauchtt -l'eterrti-
ta, rinovendo so medesima- [Herta Blaha, Österreichische
Triumph- und Ehranplorten der Renaissance und des Barock.
Mssch. Dlss. Wien 1950. S. 206-211 u. S. 216). Maria Theresia
spricht einmal sogar ihren kaiserlichen Sohn direkt als -Pho'nix-
an (F wallar, Maria Theresia - vgl. Anm. 2 - Nr. 374).
Der Haupthistorlograpn Waitzens Ende des 1a. Jh s. der Domherr
Johannes Rcka. schrieb mit seinem Buch -Alt und Neu Waitzen-.
PreBburg und Kßchau 1777. eine zeitgenössisch: Primärouelle
zum Waitzen Mlgallis. Er vergleicht ausdruckllch i-die Aussicht
der oberen Stadt gegen den Triumphbogen mit jener von Rom-
und dichtet r-slgna Triumphi Flomae . . . oculos ludat imagd tucs-
(s. so).
" Johann Matthias Korahlnsky, Geographisch-Hlstorisches urld
ra
Jr
Produkten Lexikon von Ungarn Preßburg 173115619. Un
sern Gesichtspunkt wird In einem der folgenden Hefte die
drale von Waltlen erörtert werden.
a" J. H Zedlers Universal LeXlkOrl Bd. 5, 1733, So 799. Pi
Mundus symbolicus,Koln16ß7,Liber XVll. Cap li. Mit Welt
Zerrl Selbstverständnis Migazzi von seiner Kardlnalswurder
Reputation am H01 durchdrungen war, zeigte sich eln Jat
dem Waiizener Besuch, als er ursprünglich in Innsbruck de
ungsakt vornehmen sollte. Alsiedoch umdrsponiert wurde,
Idesungeachtetderrl Holvorausweil es r-ihmefreuete, einen
Praetext zu haben. in seinem Vatterland mit dem Purper L
H01 besitzenden villem Credit zu brilliren- - wie Khevenhulle
ironisch bemerkt (Knevenhüller- vgl. Anm 17 S 1tt)
w OPTIMOHVM PRINCIPVM ADVENTVIIANNO A CHHISTO
MDCOLXIVIAB OFlNATA ET AMPLIATA VREE IIIHIC FONS
VTHOQVE LATERE VIA STHVCTA SVNT (Wappen Migazlisl
STOPHORO CARDINALI A MIGAZZI VACIENSIEVS SECV
DOMINANTE. Dazu Vezeto a vaci Vek Bottyan Muzeurribr
1971. S. 28.
" .i. Fldka, Alt und Neu Waitzen (vgl. Anrrl. a7), s. 2a.
4' Khevenhüller (vgl. Anm. i). s 54-57.
n J. Roke, Alt und Neu Waitzen (vgl. Anm. 37). S. 74 l.
" J. Floke, Alt und Neu Waitzen (vgl. Anm. a7), s. 721
H" Thieme-Becker, Künstlerlexlkorl, 5d. 31]. 1936, S. 5251. -E
donle. Zur Bedeutung dieses Festes lur die sich znbah
komplexe architektonische Entwicklung in Wien (Ferdinarlc
henbergrlsidnre Canevala; Einllusse Piranesls und Blonde
Theaterarchilektur): Renate Wagner-Flieger. Vorn Klassizlsr
Zur Secesslon. in. Geschichte der Stadt Wien, Neue Heine, i
3, Wien 1973, S. 85-97.
" Zu Canevale in Ungarn mit Literatur: Mlklos Moizer, Werke.
Anm. 27) s. a7 l.
R. Wagner-Rieger, Die Anfänge klassizistischer Architel
Wien. in: Mitt. d. GesellschJ vergl. Kunsttorschung lrt Wien.
1960 und dies . Wiens Arcnltekturim re Jh , wran 1970. s
odrt wird Oainevale als Vermittler revdluhcnskinsstztstrsch
surlgen angesehen. Servandonl als Nüassizist erstaunlich st
omrarvanz- Da Canevale, seil 1760m Wien nachweisbar. s:
licn als Vermittler vdn Ideen betrachtet werden kann. den
nahe unmerkliche. lruheste Ansätze ab 1755 erscheinen.
Cenevale eher eine Parallelentwlcklung zum Stil der Revoli
architekten. die seine Altersgenossen sind. Die gemainsarrii
zel liegt in der lranzosischen Architekturtheorie des 1