ern sehr gerafften Überblick auf die österrei-
he Kunst der siebziger Jahre möchte ich
so sehr über ihre Begleitumstände als viel-
anläßlich bestimmter Entwicklungen schrei-
Jas "über" wird hinlänglich besorgt, und der
olick auf ein Jahrzehnt wirft Aspekte auf, die
e es sein soll - weit über Kunst hinaus, un-
unst hinweg, auf Kunst dahin - wohin? -
lfl. Ein wenig unorthodoxe Kunst-(und Ge-
hts)betrachtung wird in diesem Zusammen-
erlaubt sein, weil ohnedies alles ineinander
- weil in einem Überblick deutlich erkenn-
erden sollte, in welchen gemeinhin verschüt-
, vorn Gedanken-Unrat einer geistfeindlichen
lberschütteten Regionen Künstler zu schür-
tegonnen haben. Und zwar auf eine Weise.
lem mitunter inferioren Optimismus der sech-
Jahre und angesichts des Onivell-Jahrzehnts
s entgegengestellt werden konnte, das aus-
ochenen Rückzugsbewegungen in die Tiefe
ieschichte, eines Herkommens, einer Flucht-
gung nach hinten - auch genannt "Spuren-
eu oder "individuelle Mythologie" etc. - el-
idäquaten Ausdruck geben konnte.
lso im öffentlichen Leben, in seinen verschie-
n Ausdrucksformen zwischen Selbsterhal-
und den damit verbundenen Zwängen, zwi-
1 politischen Rochaden, die den gelegentli-
Wähler bei guter Laune zu erhalten suchen
2 den sogenannten Medien mehr niedergehal-
werden muß als offengelegt wird, dringen
tler unter die so geschaffene Oberfläche und
r aus nicht mehr wahrgenommenen Tiefen
lf, was von allen Teilen und Richtungen einer
nach wie vor um Arbeitszeitverkürzungen und
eitvermehrung kümmernden Gesellschaft zu
ieren versucht wird: Bohrende Fragen nach
rerlorengegangenen Idealen, nach den Mög-
eiten, Löcher aufzufüllen, die sich hier und da
n und die man immer wieder notdürftig zu-
l, mit einer geistigen Von-der-Hand-in-den-
l-Mentalität überkittet. Von ihr leben Psycho-
i, Politologen, Soziologen, Ärzte und Predi-
(V0 alles so eng und auf wenige Fetische hln
erichtet wird, träumen Künstler einerseits
Expansionen (so bereits 1971 in einer der Gra-
lrigon-r-Veranstaltungen, zuletzt im Sommer
in der Wiener Secession, die unter dem The-
Expansion-i stand) - graben sie sich ande-
its ein und entwickeln eine Art Ersatz-Kult.
ai man auf der einen Seite stets an Erweite-
an über "Kunstri hinaus denkt, denn "solange
.unst nicht von der Kunst befreit" ist, "wird
t auch weiterhin von der herrschenden Ge-
zhaftsideologie vereinnahrnt bleiben". So der
er Richard Kriesche, Videokünstler und
ttherapeut besonderer Art 1976: "Kunst ist
ufhebung von Kunst durch Kunst,"
1 Kunst aber (auch) Hilfe bedeutet, wie der
lauer Karl Prantl immer wieder und darin
1 verstanden betont hat - ein Künstler, der
zwanzig Jahren die Bildhauer-Symposien im
enländischen St. Margarethen begründet hat
o muB sie auch von irgend jemandem als sol-
verstanden und angenommen werden. Gerade
ersuche der Bildhauer, die sich zu Aufgaben
orzutasten suchten, mit denen ein Angebot
ie Gesellschaft verbunden ist, schlugen fehl;
dort, wo sie unter sich experimentierten, vor
1 aber vor einem großen Projekt, dem der Er-
rung des Stephansplatzes in Wien. Trotz an-
'engter und meist sehr selbstloser Bemühun-
erwies sich einmal mehr, daß die Pragmatiker,
"laner, Techniker und Politiker, mit Künstler-
:ellungen nichts mehr anzufangen wissen,
wie zu Zeiten eines Adolf Loos konsequent
Leeren gesprochen wird. Etwa auch von ie-
die Videoproduktionen zum Anlaß von Kam-
len nehmen, Bewußtwerdungsprozesse ins
Rollen zu bringen, und kläglich an den Vorstellun-
gen der Programmacher scheitern. Kein Zufall al-
so, wenn versucht wird, Kunst anders und überge-
ordnet, weniger von einem "Werk- her zu verste-
hen - es sei denn, ein solches entstehe in der
Folge des Einwirkens mittels nsozialer
Strategiem, über die Künstler im vergangenen
Jahr anläßlich eines der Kunstgespräche der Ga-
lerie nächst St. Stephan diskutiert haben.
Künstler hätten mitunter allen Grund, zu verzwei-
fein; andererseits machen sie sich weniger vor als
die Gesellschaft, innerhalb derer sie zu operieren
suchen und in der sie nach Möglichkeiten Aus-
schau halten, für ihre Vorstellungen so zu werben,
daB ihr Nutzen evident wird. Neue Weichenstel-
lungen vor allem an der Hochschule für ange-
wandte Kunst suchen die Grundlagen dafür zu
schaffen. Speziell in Wien hat das Kunstleben im
vergangenen Jahr eine Expansion rein äußerlich
erfahren; durch die Gründung eines neuen moder-
nen Museums etwa oder durch gesteigerte Gale-
rieaktivitaten und die damit verbundenen Vermitt-
Iungsformen.
1 Arnulf Rainer, "Schlinger. Aus der Serie "Frauenakte -
Frauenposenri. Uberzeichnungen 1979
Bruno Gironcoli, Objektstudie. Grafik
Fritz Wotruba, Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit,
Mauer-Georgenberg. Eingeweiht Oktober 1978
Haus Rucker 8 00., wOasew, 1972. Projektstudie.
Zeichnung
Hans Hollein, Museumsprojekt für Monchengladbach.
Modell (Fertigstellung geplant für 1981)
Joseph Bauer, Taktil, 1969
(DOIJIQN
Die "Situtationenir oder "Positionenu (Titel zweier
Ausstellungen vorwiegend junger Künstler an der
Jahreswende 1979180 in den Wiener Galerien
nächst St. Stephan und Modern Art) erweisen sich
dennoch keineswegs als rosig: "Was wir gemein-
sam haben . die Isolation-i, bemerkt Karin
Schöffauer und fährt fort: uWir produzieren, jeder
für sich, wir preisen uns an, jeder für sich, wir wol-
len alle von unserer Kunst leben können, wir müs-
sen uns bekämpfen, uns gegen unsere Konkurren-
ten durchsetzen. Wir werden durch unsere Isola-
tion gegeneinander ausgespielt, wir verlieren, wir
gehen unter."
Das klingt alles andere als optimistisch, klärt aber
zunächst einen Sachverhalt, läßt eine Erkenntnis
zu, von der aus wStrategienv für die achtziger Jah-
re ausgearbeitet werden könnten, für deren Ver-
wirklichung (oder Entwicklung) Künstler aller-
dings der Mithilfe jener bedürfen, die ihnen mitun-
ter, nicht völlig uneigennützig, den Hof machen:
die Kulturpolitiker, weil sie wissen, was künstle-
rIsch-unorthodoxes Denken, das über engste Be-
reiche hinauszudrangen versteht, mitunter bewir-
ken kann - vor allem, wenn es sich um mehr han-
delt als um Hundertwassers Humus-WC oder das
"Recht aufs Fenstern. Was in den späten sech-
ziger Jahren zumindest theoretisch an Verweige-
rungsdikta entwickelt worden war, hat für wichti-
ge Künstler seine Rolle im übrigen nicht ausge-
spielt - im Gegenteil.
Zur Sache: Während der siebziger Jahre hat eine
Reihe österreichischer Künstler noch dominieren
können, obwohl sie zu einem gewissen Abschluß,
zur verbindlichen Artikulation ihrer selbst, zum
Überschreiten eines Zenits im wesentlichen
schon zuvor gekommen waren (wie überhaupt auf-
fallen muß, daß wahrend der siebziger Jahre we-
nig auftrat, das nicht wenigstens seine Vorberei-
tungen im vorangegangenen Jahrzehnt gefunden
hätte). Drei von ihnen sind in den letzten fünf Jah-
ren verstorben: Fritz Wotruba (1975, ein Jahr vor
der Einweihung seiner Kirche "Zur Heiligsten Drei-
faltigkeitu, einer Skulpto-Architektur besonderer
Art), der Zeichner Kurt Moldovan (1977) und der
Maler Mario Decleva (1979). Die anderen haben ih-
re zuvor errungenen Positionen, Denkweisen und
Ausdrucksformen im wesentlichen beibehalten:
die Maler Georg Eisler, Adolf Frohner, Johann
Fruhmann, Wolfgang Hollegha, Joseph Mikl, Pe-
ter Pongratz, Markus Prachensky, Franz Ringel
oder Max Weiler, um ein auch altersmäßig buntes
Gemisch aufzustellen, das die Situation der
Vierzig- bis Sechzigjährigen aber kennzeichnet.
Dann der Objektmacher Curt Stenvert (ohne das
ihn begünstigende Fahrwasser der kritischeren
sechziger Jahre nicht denkbar); die Bildhauer-
Maler Rudolf Hoflehner (1972 im Museum des
20. Jahrhunderts mit seinen existentiell bestimm-
ten Bildern) und Karl Anton Wolf; die Aktionisten,
von denen sich nur Günther Brus zum Zeichner
und Neo-Romantiker gewandelt hat. Schließlich
die Bildhauer: Roland Goeschl, Alfred Hrdlicka,
Rudolf Kedl, Karl Prantl und Erwin Reiter, um je-
weils signifikante Persönlichkeiten für bestimmte
Ausdrucksbereiche zu nennen und hervorzuhe-
ben.
Andere, die sich schon während der sechziger
Jahre eine bestimmende Position erworben hat-
ten, bauten in den siebziger Jahren aus und ver-
dichteten, was die zuvor Zitierten lediglich noch
auszubauen vermochten. Bei ihnen ist eine fort-
schreitende Entwicklung, sind Wandlungen, Neu-
ansätze, "Expansionenu festzustellen. Sie bilden
daher auch den eigentlichen Kern der Entwicklung
während des letzten Jahrzehnts. Einige unter ih-
nen entwickelten eine exemplarisch wirkende Tä-
tigkeit. Zunächst aber eine Liste von Namen, die
ln diesem Zusammenhang zu notieren waren und
sind:
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