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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXV (1980 / Heft 170)

Abfahrten in Mitleidenschaft gezogena. Mit 
Freigabe des Praters für die Bevölkerung 
nte Joseph die Wiener noch im selben Jahr 
schädigen. 
hdem mit der Zeit die Geschwister Josephs ll. 
sei es wegen ihrer Vermählung, sei es auf 
isch des kaiserlichen Bruders - Wien verlas- 
hatten und die Mutter gestorben war, konnte 
lge der daraus resultierenden Vereinsamung 
tändlicherweise auch eine zusätzliche Ein- 
änkung des gesellschaftlichen Lebens am 
ierhof beobachtet werden. 
Monarch selbst hatte seine geselligen Unter- 
nungen stark vermindert. Nach dem Tode Ma- 
Theresias pflegte er fast ausschließlich im 
indeskreis zu verkehren. Nach dem fast tägli- 
i Theaterbesuch hielt sich Joseph zumeist in 
ellschaft von Franz Xaver Fürst Orsini-Rosen- 
l und General Franz von Lacy im Kreis der 
if Fürstinnenß auf. Diese Gemeinschaft, gebil- 
IOl'l Maria Leopoldine Gräfin Kaunitz und den 
.tinnen Josefa Clary, Sidonie Kinsky, Eleonore 
htenstein und Maria Leopoldine Liechten- 
i, war Josephs bevorzugte Unterhaltung und 
alligkeit. Schönbrunn und Teile der Hofburg 
H"! damals geschlossen. Der Kaiser hielt sich 
liebsten in seinem Schlößchen im Augarten 
. 5) oder in Laxenburg auf. Da der Kaiser die 
iulust der Wiener durch die Einschränkung 
Hoffeste nicht mehr befriedigte, waren drei 
tsbesuche, die in den Beginn der Alleinregie- 
Josephs ll. fallen, für die Bevölkerung will- 
mene Abwechslungen. 
tsbesuche finden üblicherweise aus politi- 
n Motiven heraus statt. Dies kommt auch bei 
Visiten, wenngleich unter wesentlich anderen 
ikten, deutlich zum Ausdruck. Die Besuche 
n hier jedoch nicht nach ihrer Bedeutung, 
lern nach ihrem chronologischen Ablauf be- 
lelt werden. 
irste Station im Rahmen einer großen Europa- 
war für Großfürst Paul von Rußland Wien. 
es bei bekannten Persönlichkeiten üblich war, 
ein gewisses lnkognito um ihre Person ge- 
twissen wollten - Herzog Friedrich Eugen 
Nürttemberg-Mömpelgard nannte sich "Graf 
Gröningenrr -, reiste auch der russische 
wfolger unter dem Pseudonym "Graf von Nor- 
4. Joseph ll. fuhr durch die Länder als r-Graf 
Falkensteinrt, was aber seiner Anerkennung 
lcnarch keinen Abbruch tat (Abb. 4). 
ph ll. wollte seinen Neffen und voraussichtli- 
Nachfolger Erzherzog Franz, den Sohn sei- 
Bruders Leopold, mit Elisabeth Wilhelmine 
Nürttemberg-Mömpelgard (Montbeliard) ver- 
ten. Da Großfürst Paul mit Elisabeth Wilhel- 
s Schwester Sophie - sie nahm nach ihrer 
gten Vermählung den Namen Maria Feodo- 
a an - verehelicht war, sollten die politi- 
1 Absichten Rußlands durch familiäre Bande 
wsfen der Habsburger beeinflußt werden. Wie 
.aiser seinem Bruder Leopold in einem Brief 
ilte5, sollte durch diese Verbindung Paul end- 
i Preußen abspenstig gemacht und für Öster- 
gewonnen werden. Da der zukünftige Zar 
unter dem geistigen Einfluß seiner Gattin 
l und diese wiederum ihrer in relativ beschei- 
1 Verhältnissen lebenden Familie sehr zuge- 
iar, gab es für Joseph kein besseres Mittel, 
ie im vergangenen Jahr auf seiner Rußland- 
zusammengebrachte österreichisch-russi- 
Allianz zu festigen. 
'ich Eugen von Württemberg, der Vater der 
iftigen Braut, war jedoch mit dem Plan 
ihsö, Elisabeth Wilhelmine nach Wien zu 
an und sie bei den Salesianerinnen erziehen 
isen, anfänglich nicht einverstanden. Nach- 
er aber die Wiener Verhältnisse und Perso- 
ennengelernt hatte, sei er, wie Joseph be- 
richtete, dem Problem nicht mehr ablehnend ge- 
genübergestanden und hätte dem Heiratsprojekt 
zugestimmt (Abb. 6). 
Am 13. Oktober 1781 wurde die Wiener Bevölke- 
rung durch die Wiener Zeitung von dem nahenden 
Ereignis informiert. Als erste trafen Friedrich Eu- 
gen von Württemberg und Familie am 10. Novem- 
ber 1781 in Wien ein. Joseph ll. war ihnen bis Pur- 
kersdorf entgegengefahren. Da sich die Ankunft 
des russischen Thronfolgerpaares etwas verzö- 
gerte, begannen die Württemberger inzwischen, 
Wien zu besichtigen. Laut Wiener Zeitung "fangen 
die Durchl. Würtembergischen Herrschaften nun 
an, die Merkwürdigkeiten des kaiserl. Hofes in Au- 
genschein zu nehmenVu. Herzog Friedrich Eugen 
und sein Sohn Prinz Ferdinand iibelustigen sich in 
Begleitung einer Anzahl hiesiger Herren Cavaliers 
in der Gegend bey Hüteldorf mit der Wildschwein- 
jagdßu. Das Salesianerinnenkloster wurde im Hin- 
blick auf eine mögliche Unterbringung von Elisa- 
beth Wilhelmine sorgfältig in Augenschein ge- 
nommen. 
 
Unterdessen trafen auch der Graf und die Gräfin 
von Norden am 21. November 1781 in der Haupt- 
stadt ein. Die Begrüßung mit der Familie fand im 
kaiserlichen Schlößchen im Augarten statt. Um 
die hohen Gäste zu zerstreuen, wurde ein regel- 
rechtes Besichtigungsprogramm zusammenge- 
stellt. Den Abschluß jedes Tages bildete zumeist 
ein Theaterbesuch. Freitag, 23. November, wurde 
die Hofbibliothek, am nächsten Tag die Bilderga- 
lerie im Belvedere und die Karlskirche besichtigt. 
Sonntag fuhr man nach Schönbrunn und besah 
sich das Schloß einschließlich des Theaters und 
der "Zugmaschine in das dritte Stockwerk-r. Am 
Abend fand in dieser von Maria Theresia sehr ge- 
schätzten Residenz ein Maskenball für ca. 4000 
Personen stattQ. Neben der Kapuzinergruft, dem 
Theresianum, der Stephanskirche, wo auch der 
Turm bestiegen und die große Glocke besichtigt 
wurde, stand der Besuch von sozialen Einrichtun- 
gen auf dem Programm. So fuhr man beispielswei- 
se am 29. November in das Krankenhaus der 
Barmherzigen Brüder und in das Waisenhaus am 
Rennweg oder im Dezember in das K. K. Invaliden- 
haus und Großarmenhaus, das Nepomukspital 
und in das Militärspital. 
Ein obligater Punkt jeder Besichtigungstour war 
der Besuch der Porzellanmanufaktur in der Ftoß- 
au. Dort i-geruhten die Frau Großfürstinn K.H. ei- 
ne Tasse, die Frau Herzoginn v. Würtemberg aber 
die Schale dazu, mit höchst eigenen Händen zu 
malen, und dem Hrn. Direktor zu übergebenmulo. 
Auf Befehl Josephs ll. überreichte man beiden Fa- 
milien Erzeugnisse der Fabrik, nämlich je ein Ta- 
felservice als Geschenk. Weiters wurden die 
Schatzkammer, die Regierungsgebäude, das bür- 
gerliche und das K. K. Zeughaus, die Universität, 
die Akademie der bildenden Künste, ja sogar die 
Buchdruckerei von Trattner besucht. Unter gro- 
ßem Interesse der Gäste wurde im physikalisch- 
mathematischen Kabinett von Friedrich von 
Knaus ein von ihm entwickelter Schreibapparat 
vorgeführt. Manöver wurden in Simmering abge- 
halten. Die kaiserlichen Ställe und die diversen 
Kasernen in Wien wurden gleichfalls besichtigt. 
Ausflüge in den Prater, in den Augarten, nach La- 
xenburg oder zum neuen Schloß des russischen 
Botschafters Graf Gallizin bei Dornbach wurden 
veranstaltet. Das Weihnachts- und das Neujahrs- 
fest (Abb. 7) wurden in der Hofburg begangen. Als 
der russische Thronfolger und seine Gattin end- 
lich am 5. Jänner 1782 Wien verließen, war der 
Wiener Hof sehr erleichtert. Man wußte bereits 
nicht mehr, womit man die Gäste weiter unterhal- 
ten sollte. Der Kaiser, sein Bruder Maximilian und 
die Familie der Großfürstin gaben dem Graf und 
der Gräfin von Norden bis Wiener Neustadt das 
Geleit. Die russischen Gäste reisten nach Florenz 
und Rom weiter. Friedrich Eugen von Württem- 
berg mit Gattin, Sohn und Tochter begann die 
Rückreise am 9. Jänner 1782. 
Am Ende ihrer Europareise machten Paul von Ruß- 
land und seine Gemahlin vom 4.-19. Oktober 
1782 noch einmal halt in Wien. Dieser Besuch galt 
hauptsächlich der Sorge um die Unterbringung 
von Elisabeth Wilhelmine, die bereits in Wien leb- 
te. Bald darauf reiste das Thronfolgerpaar nach 
St. Petersburg zurück. 
War der Besuch des Großfürsten erwünscht, da 
man sich von dieser Freundschaft Vorteile erhoff- 
te, traf dies auf die von Papst Pius Vl. verlangte 
Kontaktnahme nicht zu. 
Stärker noch als die durch soziale und wirtschaft- 
liche Reformen hervorgerufene Erregung war die 
Unruhe, die die kirchenpolitischen Neuerungen 
des Kaisers bei Teilen des Klerus und in weiten 
Schichten der Bevölkerung verursachte. Joseph ll. 
wollte die Kirche und ihre vom Staate neu geord- 
neten Einrichtungen der unumschränkten Staats- 
gewalt unterordnen. Hatte Maria Theresia bereits 
einige kirchliche Reformen begonnen, war sie 
doch stets bestrebt, ihr politisches Handeln mit 
den kirchlichen Geboten in Einklang zu bringen. 
Joseph hingegen stand nur dann auf seiten der 
Kirche, wenn es ihm Vorteile brachte". Sein kir- 
chenpolitisches Reformwerk bestand hauptsäch- 
lich darin, die Kirche unter das Gesetz des Staates 
zu stellen, um sie nach seinen Motiven lenken zu 
können. 
An der Spitze der Opposition gegen des Kaisers 
kirchliche Maßnahmen standen der Kardinal-Erz- 
bischof von Wien, Graf Christoph Anton Migazzi, 
und der Kardinalprimas von Ungarn, Graf Joseph 
Batthyany. Als dann, bereits unter der Aufmerk- 
samkeit der römischen Kurie, eine Reform der an- 
deren folgte, entschloß sich Pius Vl., 1781 selbst 
nach Wien zu reisen, um persönlich mit Joseph ll. 
zu verhandeln. Weder der Kaiser noch der Staats- 
kanzler Wenzel Anton Fürst Kaunitz-Ftietberg war 
darüber sehr erfreut. n... die Abreise des Papstes 
fürwahr ein unbesonnener Streich, der sich nicht 
anders rechtfertigen und begreifen läBt, als durch 
jene mysteriöse Sehnsucht, die ihn beherrscht, 
als Retter der Rechte der Kirche zu erscheinen, 
während man ihr doch durchaus kein Leid zufügt. 
Wie außergewöhnlich seine Ankunft in Wien auch 
sein mag und wie wenig man sich auf das vorbe- 
reiten kann, was er hier vorschlagen, tun oder ver- 
Q
	        
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