Sieglinde Mayer-Kum
Die Malerin, die ihr Studium an der Wiener Kunst-
akademie bei Professor Andersen mit dem Diplom
abschloß, errang schon im Laufe ihrer Ausbildung
einige Fügerpreise und fiel bei diesen Grafiken
mit ihrer kraftvollen, für eine Frau ganz ungewöhn-
lichen Linienführung auf.
Die Linie, das grafische Element, ist auch eine je-
ner Komponenten, die in allen ihren Bildern eine
dominierende Rolle spielen. Meist sind es Land-
schaften, die der Künstlerin den Anstoß zu ihren
Arbeiten geben. Sie setzt das Geschaute dann
freilich mit sehr heftigen, breiten Pinselstrichen in
ein eigenwilliges Kompositionsgefüge um. Ihre
Farben sind gedämpft bis stumpf, oft nur mehr
Grau in verschiedenen Abstufungen, wobei sie mit
wenigem viel Atmosphäre erreicht. So gelingt es
ihr etwa, mit eher trockenem Pinsel Tönungen in
einem Auftrag zu erreichen, die, durch die fast
kratzigen Schraffuren, eine föhnige Aufbruchstim-
mung auslösen.
lst das grafische Element die eine Komponente,
die bei den Bildern der Mayer-Kum besonders si-
gnifikant ist, so ist eine vehemente Dynamik die
andere. Das ist schon ganz eindeutig und klar aus
der Arbeitstechnik der Künstlerin ersichtlich. Mit
groben Wischern wird die Farbe auf große Flä-
chen aufgetragen. Es ist etwas Wildes, Ungestü-
mes in dieser Gestik. Schwünge gehen den Falten
und Erhöhungen der geologischen Erscheinungen
nach. Eine vorherrschende Farbtönung, Ausdruck
einer Stimmung, einer Jahreszeit oder einer Wet-
terlage, gibt den Grundakkord. Schon dieses ma-
lerische Unterfutter ist von einer sehr bewegen-
den Art. Nun setzt die Mayer-Kum aber noch dick-
balkige, dunkle, oft schwarze Begrenzungen. Fast
gewalttätig modellieren diese die Flächen, geben
Tiefen, grenzen ab, zeichnen Baum und Haus und
geben Distanz.
Es ist nur selten, daß sich in den Blättern weiche
Übergänge finden. Sind sie dann aber, wie in eini-
gen Landschaftsbildern aus dem Süden oder aus
dem niederösterreichischen Hügelland, gegeben,
dann flimmert wohl auch die Luft mit, breitet sich
über die Konturen aus, macht sie weich und flie-
ßend. Bei den meisten Blättern kommt so ein dä-
monischer Grundakkord zum Tragen, ein Akkord,
der Landschaften, Baumgruppen, Wolkenfahnen
zu einem doppelbödigen, emotionale Schichten
des Beschauers ansprechenden Ergebnis führt.
Alles wird lebendig, hat sein Eigendasein, atmet
und bewegt sich.
Einen eigenen Raum in dem Oeuvre der Sieglinde
Mayer-Kum nehmen die Arbeiten mit figürlichen
Darstellungen ein. Auch hier ist es der breite Pin-
selstrich, der augenscheinlich ist und der den
Menschen durch seine variierende Dichte Plastizi-
tät gibt. Er ist es auch, der von einer Vitalität, einer
Kraft und wohl auch einer Eigenwilligkeit der
Künstlerin zeugt.
Der Raum ist nur ganz wenig angedeutet, wird
durch die Perspektiven der agierenden Personen
erschlossen. Wenn die Malerin dann hier einmal
Farben einsetzt, dann sind es eher akzentuierende
Signalwerte plakativer Art, die einen gewissen
Ausdruck zu unterstützen scheinen, an den Ju-
gendstil und Toulouse-Lautrec erinnern. Diese Fi-
guren verlangen nach größeren Bildebenen, und
wir können gespannt sein, ob die Künstlerin den
eingeschlagenen Weg konsequent weiterverfolgt.
Alois Vogel
1 Landschaft, Farbgralik
2 Winterlandschaft, Farbgrafik
a Bäuerin, Farbgralik
4 Doppetporträl, Mann mit Frau, Farb-
gralik
5 Landschalt, Farbgrafik
6 Sieglinde Mayer-Kurn