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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXV (1980 / Heft 171)

2h Jahrtausende hindurch wurden immer wie- 
Städte "geplant" gegründet. Die Vorausset- 
1 für die Wahl des Platzes und die Gestalt die- 
Neugründungen gab nicht in erster Linie das 
llergehen der Menschen, die darin wohnen 
en, sondern ganz andere Motive waren maß- 
znd: Strategie, besonders wichtige Punkte der 
delswege oder eine günstige Landesteile am 
roder Fluß. In seltenen Fällen aber war es das 
v der Repräsentation, um die Macht eines gro- 
Reiches augenfällig zu machen, um einen 
itlichen, erdachten Mittelpunkt zu schaffen 
iine groß gewordene Völkerschar, die nach ei- 
gemeinsamen Prinzip leben sollte. Diese 
legung war maßgebend, als man am Ende 
18. Jahrhunderts Washington gründete. Denn 
ahre1790, 14 Jahre nach der Unabhängigkeits- 
lrung, ermächtigte der Kongreß des neuen 
tenbundes von Nordamerika seinen ersten 
identen, George Washington, auf einem Terri- 
m von 10 Quadratmeilen, unabhängig von 
 
auf das antike "Vorbild" zurückgriff und die ge- 
wünschten Impulse auch dort fand. 
Für das erste Motiv, das der Repräsentation, bie- 
tet sich nun, abgesehen von später zu behandeln- 
den römischen Vorbildern, Persepolis als ideales 
Beispiel an. Nicht etwa der Form nach, sondern 
nach dem Konzept. 
Am Ende des 6. vorchristlichen Jahrhunderts 
gründete der Perserkönig Darius l. auf einer künst- 
lichen Terrasse eine neue geplante Königsstadt, 
die die Repräsentalionssumme seines riesenhaf- 
ten Reiches sein sollte und war: Paläste, Schatz- 
häuser, Flegierungsgebäude für die Hofhaltung 
der Achämeniden. Alle Teile seines Reiches waren 
dort, schon allein durch die künstlerische Form 
der einzelnen Gebäude, vertreten. Es war keine 
Stadt für Menschen, die dort wohnen wollten, son- 
dern das Zentrum der Regierung und der Reprä- 
sentation eines großen Reiches. Selbstverständ- 
lich war diese neue Stadt nicht nneutraltt, sondern 
Mittelpunkt eines autoritären Königreiches. 
Das Motiv der Neutralität aber wird nötig, wenn es 
sich nicht um ein Reich, sondern um den Zusam- 
menschluß verschiedenartiger selbständiger Kör- 
perschaften handelt. Dafür aber ist das ideale an- 
tike Vorbild in Delphi zu finden. Zwar waren die 
griechischen Kleinstaaten der Antike nur zum Teil 
zu Bünden oder Freundschaften zusammenge- 
schlossen, und doch bestand das Bedürfnis nach 
einem neutralen Punkt, der unabhängig sein soll- 
te; wenn Delphi auch kein "Regierungssitzti war, 
so war doch dort eine neutrale Instanz geboten, 
die jedem immer offenstehen sollte und in ernsten 
Fällen eine Verhandlungsbasis war. Das Verbin- 
dende in diesem Fall war die Religion des Apollo- 
kultes sowie die Bestimmung, daß Delphi ein eige- 
ner Staat sein solle, der niemals in einen Krieg ver- 
wickelt werden durfte und seine selbständige Ju- 
risdiktion hatte. Delphi war in gewissem Sinne ein 
"Federal Districtu und stellt das erste Beispiel ver- 
bindender Neutralität in der abendländischen Ge- 
schichte dar. 
einzelnen Bundesstaaten, ein Regierungszen- 
zu planen. Die Wahl fiel auf ein unbewohn- 
ia sogar versumpftes Territorium in der Nähe 
Nashlngtons Gut Mount Vernon, an der Mün- 
i des Flusses Potomac, das an der Grenze 
chen den Süd- und Nordstaaten lag und als 
rales Gebiet eingerichtet werden sollte. Wort- 
ir dieses Planes waren Thomas Jefferson, da- 
ger Außenminister und späterer Präsident, und 
ander Hamilton. der Venualter der Finanzen. 
ahl der Südstaat Virginia wie der Nordstaat 
riand muBten dazu Gebiete abtreten; geschaf- 
vurde ein unabhängiger "Districtu, der von An- 
an dazu bestimmt war, die Verkörperung der 
in amerikanischen Demokratie, aber auch sei- 
aatliche Repräsentation darzustellen. Die Ju- 
Ktion in diesem ivFederal Districtrt unterstand 
chlleßllch dem Kongreß selbst. Geplant wur- 
amit nicht eine Hauptstadt im Sinne der euro- 
zhen Reiche, denn es handelte sich hier ja um 
1 Staatenbund, der bei Aufrechterhaltung der 
einen Seibständigkeiten doch ein gemeinsa- 
Oberhaupt erhalten sollte: einen Präsidenten 
lle und einen Kongreß aus allen. 
us folgen drei Motive für die neu zu gründen- 
tadt: die Repräsentation der Einheit, die Neu- 
ät unter der Verschiedenheit und der archi- 
inische Plan einer neuen Stadt, die das alles 
bar machen soll und an einer Stelle geplant 
e, an der bisher kein Haus stand. 
ausgehende 18. Jahrhundert bot in seiner kul- 
ien Situation für alle diese Fragen - für Euro- 
enauso wie für Amerika - die Antike als Leit- 
tn; ja es war geradezu selbstverständlich, daß 
für derartige Überlegungen und Planungen 
4 Gesamtbilck über die Stadt Washington, an dem das 
Achsensystem deutlich wird. Aquarell von F. L. V. Hop- 
pln 1902 (U.S. Commission of Flne Arte, Washington 
D. C.) 
5 Der Obelisk für George Washington, nach Plänen von 
Robert Mills ab 1848 errichtet 
 
Das dritte Motiv ist das des architektonischen Pla- 
nes, der alles Verlangte zum Ausdruck bringen 
soll. Dafür aber waren antike Vorbilder in großer 
Zahl gegeben. 
Das Grundsystem für geplante Neustädte schuf 
Hippodamos von Milet im 5. vorchristlichen Jahr- 
hundert mit der Idee, rechtwinkelig sich kreuzende 
Straßen im "Rastersystemu anzulegen mit Einbe- 
ziehung größerer Platze an wichtigen Kreuzungen, 
um dort die offiziellen Gebäude, wie Tempel, Ver- 
sammlungshallen und Theater, errichten zu kön- 
nen. 
Dieses System beherrscht nicht nur die späteren 
griechisch-helienistischen Städte, sondern vor al- 
lem die römischen Neugründungen in den Provin- 
zen. Durch Diagonaistraßen und große, nicht nur 
quadratische, sondern auch ellipsoide und runde 
Plätze wurde das System erweitert und perfektio- 
niert. Das in vielen Beispielen, wie Leptis Magna, 
Sabrata, Timgad oder Gerasa, durchgeführte ro- 
mische System hatte schon in den europäischen 
Stadtveränderungen des 17. und 18. Jahrhunderts 
seine große Nachwirkung erreicht. Dazu kam, daß 
bis an das Ende des 18. Jahrhunderts die Auffin- 
dung des Architekturwerkes des augusteisch- 
römischen Architekten Vitruv im 15. Jahrhundert 
und dessen großer Einfluß auf die Baukunst und 
Stadtplanung der Renaissance fcrtwirkte. Filare- 
tes, Pailadios und Scamozzis Werke über die Ar- 
chitektur nach römischem Vorbild lagen vor. 
Aus alledem lernte Major Pierre Charles L'Enfant, 
der geniale Architekt von Washington. Er, der in 
Washingtons Heer diente wie ein Vitruv im Heer 
des Augustus, bekam den großen Auftrag zum 
Plan für die neue Stadt.
	        
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