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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXVI (1981 / Heft 174 und 175)

is Posturbanen oder, um es in die Sprache 
r Überlegungen zu übersetzen, zwischen 
odell einer von der Renaissance inspirier- 
1 einer auf diese folgenden, vorerst namen- 
Geseilschaft ganz bestimmte Gegensatz- 
zusammenzutragen. Wir könnten dann sa- 
Ielpunkt der Periode 1 (15. - 20. Jahrhun- 
eht der Mensch als Individuum, die Erde als 
Erkennbares und die Gegenwart als der ein- 
titabschnitt, der für das Individuum erfahr- 
. im Mittelpunkt der Periode 2 steht der 
1 nicht als Individuum, sondern als Teil ei- 
ialen Ganzheit, die Erde nicht als etwas Er- 
ires, sondern als der Ausgangspunkt von 
in mikrokosmischen und makrokosmi- 
Studien, die aber ihrer eigenen Grenzenlo- 
bewuBt sind, die Gegenwart nicht als der 
Zeitabschnitt, der uns zur Verfügung 
sondern als Vorstufe einer allerdings vor- 
r schemenhaften Utopie; der Mensch die- 
genwart ist sich der provisorischen Be- 
inheit seines Zeitalters jedenfalls bewußt. 
mmunikationsmittel in der Periode 1 ist in- 
ii. Es ist das Buch, die Zeitung, das Pam- 
ten und bringt auch aus der Arbeiterschaft und 
aus dem Bauernstand ein neues Bürgertum her- 
vor. 
Die Periode 1 ist optimistisch, epikuräisch, liebt 
Harmonien und die Geometrie, versöhnt Gegen- 
satze, erfreut sich an der Heiterkeit der geschlos- 
senen Form; ihr ideal ist der stattliche Mann, der 
sich in seiner Umwelt sicher bewegt. Die Periode 2 
ist mit ihren Zweifeln beschäftigt, ersetzt den Epi- 
kuräismus durch Askese und Ekstase, stellt die 
Geometrie in Frage, interessiert sich für Dishar- 
monie, empfindet nicht Gegensätze gerne versöh- 
nen woilend, sondern antithetisch und antagoni- 
stisch, scheut die Heiterkeit, hat eine Vorliebe für 
das Lehrsame, wendet sich der offenen Form zu; 
ihr ideal ist der schlanke Jüngling, von Phantas- 
magorien besessen. 
Die Kunst der Periode 1 hat sich an ein konkretes 
Publikum gewendet, zum Beispiel an den Freun- 
deskreis eines Papstes oder eines Kaufmanns; sie 
hatte für diesseitige Zwecke eine praktische Funk- 
tion, zum Beispiel: Reichtum oder Bildung zu re- 
präsentieren. Sie hatte zu zeigen, was man sah. 
Die Kunst der Periode 2 wendet sich an kein kon- 
kretes, dem Künstler bekanntes Publikum, son- 
dern kommt mlt dem anonymen Kollektiv in Berüh- 
rung; ihre Funktion ist nicht praktisch, sondern 
abstrakt-esoterisch; sie hat nicht zu zeigen, was 
man sieht, sondern die winneren Klängen, die win- 
nere Weltu (Kandinsky), die vverinnerlichte Äußer- 
lichkeitu, die nspiritueile Harmonien (Mondrigan). 
Solche Gegensatzpaare entsprechen aber nicht 
nur der Unterschiedlichkeit zwischen Periode 1 
und Periode 2. Wir entdecken in ihnen auch Kate- 
gorien, die Periode 1 von der vorangegangenen 
Epoche unterscheiden. 
Diese Epoche wird von der Kulturgeschichte unter 
dem Titel Mittelalter behandelt. "Der Begriff ,Mit- 
telalter' (medlum aevum), weicher vor einigen 
Jahrhunderten als Bezeichnung jener Epoche ent- 
stand, die das griechisch-römische Altertum von 
der Neuzeit trennte, und der von Anfang an eine 
kritische, herabmindernde Bewertung trug - ein 
Bruch in der Kulturgeschichte Europas -, hat 
auch bis zum heutigen Tag diesen negativen in- 
halt nicht völlig verlorener, schreibt Aaron Jakowle- 
witsch Gurjewitsch. Dürfen wir also zwischen der 
Zeit, die man uns unter der Bezeichnung Mittelal- 
ter als so sehr düster schildert, und der Epoche, 
der wir vielleicht entgegensehen, eine Analogie 
 
 
1er Bughdruck entspricht den Bedürfnissen 3 Constantin Brancusi, Porträt Madamoiselle Pogäny, 
Sam Lesenden' also dem Zerfall des K0." 4  Venus von Wisternitz, um 2300 v.Chr. 
das bis dahin gemeinsam den Sängern 5 Reginald Butler, Mädchen, 1953 
l Märchenerzähiern getauscht hatte. In der 6 Bot" V0" R005 03'" Howemess- E"9'3"d 
2 ist das Kommunikationsmittel kollektiv; 
achend sind Fernsehen, Hörfunk, Massen- 
n - um es etwas vereinfachend zu sagen: 
eht und hört jeden Tag das gleiche. 
in wird Periode 1 vom Geist der antiken 
n. Die Renaissance ist - programmatisch 
Wiedergeburt der Antike, hervorgerufen 
ie städtische Entwicklung und ihren Säku- 
s, auch durch das Ausschwärmen griechi- 
ielehrter aus dem bedrängten Kaiserreich 
und Erscheinen der Araber in Europa, die 
achollenen Autoren der Antike uns wieder 
ein konnten. Doch wollen wir die Gründe, 
Entstehung der Renaissance geführt ha- 
er freilich nicht näher untersuchen. Äuße- 
zhen jener Orientierung zwischen dem 14. 
Jahrhundert war jedenfalls die Vorherr- 
ies Griechisch und des Lateins an den hö- 
chulen. Periode 2 sieht keine Notwendig- 
:h mit den antiken Kulturen kurzzuschlie- 
terrschende Gesellschaftsschicht von Pe- 7 Her," Mam'sse, La Serpermne, 1909 
st das Bürgertum ursprünglicher Prägung. 8 Tänzerin. Nßuvy-ßn-Sullias. 1- Jh- v-Chr- 
2 stützt sich nicht auf das alte Bürgertum 9 Gwham S""'e"a"d' cove""y'Teppich' 1958" 1962 
I emanzipiert weitere Gesellschaftsschich- 139 v, Fieicheneu, Ende 10. Jahrhundert 
10 Evangelist Lukas, Evangeliar Otto III., Clm. 4453, foi. 
entdecken? Wir werden darauf verzichten, in die- 
sem Punkt irgend jemanden um Erlaubnis zu bit- 
ten. Wir wollen ohne Umschweife zugeben, daB 
wir - freilich mit einem Fragezeichen - eine 
Analogie zu sehen glauben. Doch zurück zu den 
Ausführungen des sowjetischen Historikers: 
"wenn von Rückständigkeit, kultureller Zurtlckge- 
bliebenheit und Ftechtiosigkeit gesprochen wird, 
greift man oft zu dem Ausdruck ,mittelalterlich'. 
Das ,Mitteialter' gilt fast als Synonym für alles 
Dunkle und Reaktionäre. Seine frühe Periode be- 
zeichnet man als ,düstere Jahrhunderte". Das Ox- 
forder Wörterbuch der englischen Sprache dehnt 
den Ausdruck Dark Ages sogar auf das gesamte 
Mittelalter aus. - Ein solches Verhältnis zum Mit- 
telalter, das im 17. und 18. Jahrhundert in be- 
stimmtem Maße erkiärlich ist, als nämlich diejun- 
ge Bourgeoisie in der Vorbereitung auf den offe- 
nen Kampf gegen den Feudalismus ideologisch 
den Nimbus der Herrschaftsepoche des Adels und 
der Kirche zerstörte, hat längst jegliche Daseins- 
berechtigung verloren. Es darf nicht vergessen 
werden, daß gerade im Mittelalter die europa- 
ischen Nationen geboren wurden, die modernen 
Staaten sich herausbildeten und die Sprachen 
sich formten, in denen wir bis heute sprechen. 
Mehr noch, viele kulturelle Werte, die unserer Zivi- 
lisation zugrunde liegen, haben im Mittelalter ih- 
ren Ursprung. Bei allen Kontrasten ist die Verbin- 
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