Walter Weer
Geboren 1941 in Wien, beendete Walter Weer ursprüng-
lich ein naturwissenschaftliches Studium als Magister
der Pharmazie auf der Wiener Universität. Erst in den spa-
ten sechziger Jahren wandte er sich der Malerei zu. Wir
finden ihn an der Akademie für angewandte Kunst bei
Professor Wolfgang Hutter. Von der Arbeitsweise seines
Lehrers scheint freilich nichts in Weers Bilder eingegan-
gen zu sein.
Schon sehr früh können wir bei Weers Blättern feststel-
len, daß es dem Maler nicht allein um die Wiedergabe von
etwas, das er einmal gesehen hat, geht. Wir können fest-
stellen, daß den von ihm geschauten Dingen sehr haufig
bedrückende, gefährliche oder beklemmende Situationen
inhärent sind. Einige ganz frühe Gouachen zeigen sonder-
bare, immer wieder eingeschnune Bahnen zu einem Om-
phalos. Schon bei diesen eher noch recht unklaren und
wenig einsichtbaren Blättern wird uns eine tiefenpsycho-
logische Komponente der Weerschen Bilder bewußt. Es
scheint sich bei diesen Wiedergaben um Abnabelungen
zu handeln.
Sehr bald, etwa 1972, sehen wir, daß der Maler das Motiv
gefunden hat, das ihn nun für Jahre festhalten wird: das
Wasser! Die Verbindung zu dem vorangegangenen Motiv
ist frappant. Vorerst sind es allerdings noch Bilder von
Schwimmern, deren Körper, von halb unten gesehen, vom
Wasser umgeben, verzittert und verschwommen durch ei-
nen sehr unbestimmbaren, in seinen Farben unwirklichen
und grenzenlosen Flaum schweben, wobei sie naturge-
maß nur etwa von der Brust bis zu den Fußspitzen zu se-
hen sind.
Es dauert aber nicht sehr lang, dann sehen wlr allein das
Wasser als das die Bildfläche beherrschende Element. in-
teressant, daß selbst in diesen die verschiedenen Licht-
reflexe, Spiegelungen und Strömungen (Bewegungen)
festhaltenden Wiedergaben der Mensch nach wie vor auf-
scheint. Er ist freilich ganz klein geworden, ein Männ-
chen, das irgendwo an den Rand gedrückt Ist. Wichtig ist
die Transparenz, die Unfaßbarkeit in des Wortes ganzer
Bedeutung, das Vielseitige des Elementes. Der Mensch
ist darin ein Vergessener, ein Verlcrener, ein Schatten
nur. Auch hier wieder die Beziehung zu tieferen Schich-
ten! Schon Calderon hat gesungen: iwWas ist Leben? Hoh-
ler SchaumJEin Gedicht, ein Schatten kaumiu Der
Mensch im Wasser, im Element des Lebens (Fruchtwas-
ser!), ein kleiner Schatten!
im Jahre 1977 werden die Blätter dann kühler, die Farben
noch verhaltener, oft von einer alles überdeckenden Weiß-
schicht überzogen. Das Wasser gefriert. Wir leben in ei-
ner kalten Zeit. Der Mensch, gleichsam um Hilfe rufend,
die Arme erhoben, versinkt in dieser nur manchmal von
wirren Rissen überzogenen Eisdecks. Es ist ein System
ohne Fluchtmüglichkeit. Da und dort bleiben noch Spuren
der Erstarrung. Sie künden: Hier war einmal Leben. Dane-
ben beschäftigen Weer aber nun auch rein formale Pro-
bleme. Die Transparenz des Wassers, bis Jetzt einzig mit
dem Mittel des Farbauftrages auf einer Flache wiederge-
geben, genügt ihm nun nicht mehr. Er legt verschieden be-
arbeitete Lagen von Seidenpapieren übereinander, wobei
das dünne Material natürlich Wellen bildet und damit
auch eine Schattenwirkung entsteht. Weer arbeitet auch
gerne mit Seidenpapier, weil es leicht verletzbar ist, wie
die Natur leicht verletzbar ist. Die Ränder werden oft will-
kürlich abgerissen. Alles sieht nach einem sehr persönli-
chen Ende aus! Das Durchscheinende der Materialien
laßt die Vorder- und Hintergründigkelt, die Mehrschichtig-
keit aller Dinge ahnen.
Ab 1979, wohl auf Grund verschiedener weltpolitischer
Ereignisse, beginnt Weer das Wasser in einem die ganze
Erde wie Adern durchpulsenden Zusammenhang zu se-
hen, Seine Bilder gleichen Flugaufnahmen über großen
Flußlandschaften. Die Farbe wird Ausdruck der Situation
menschlicher Unterdrückung, sozialer Ungerechtigkeit
usw. an den Ufern der großen Wasserlaufe.
Weers Arbeiten sind im Besitz angesehener öffentlicher
Sammlungen in Cambridge, Zürich, Venedig und Wien.
Alois Vogel
Nertrocknele Wellen, 1979
-Geflliert lle, 1978
t-Unier der Oberfläche-w, 1978
"Zwei Flüsse nach NOfdBVlur,
1979
nlnselpapiera, 197a
i-Durikler Fiußiaufß, 1979
"Stücklandpapierw, 1980
t-Grenzlendpapiera, 1950
Walter Weer
(Alle Blätter ln Mlschtechnlk,
sog. Materisibiider, auf Papier,
1.1. Mehrschichipepier).
wie-ima- num-
73