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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXVI (1981 / Heft 176)

 
2 Carl Schlickum, wAnsicht von Wetter an der F 
1841. In einem Stahlstich von H. Winkies, 9,9 x 15, 
Münster, Westfälisches Landesmuseum 
3 Carl Schlickum, "Ansicht von Weiter an der F 
1872. In einem Stahlstich von C. Mayers Kunstar 
9,8 x 14,8 cm. Hatiingen, Heimatmuseum 
Textilwerke Herrburger St Rhomberg und ist um 
1850 entstanden (Öl auf Leinwand, 48 x 63 cm, Pri- 
vatbesitz, Dornbirn). Die Spinnerei - der linke 
Trakt wurde 1810112 erbaut, der rechte 18201 - ist 
mit Ausnahme des fehlenden Schornsteins topo- 
graphisch exakt wiedergegeben und bildet den 
Mittelpunkt des Bildes. im Vordergrund sehen wir 
auf einer leichten Anhöhe eine Frau - dem Be- 
trachter den Rücken kehrend - mit drei Kindern; 
rechts von dieser Gruppe zwei Knaben, einer auf 
einem weidenden Pferd sitzend, daneben, das Bild 
rahmend, eine dominierende Baumgruppe mit rei- 
chem Blattwerk. Als Gegenstück dazu links lich- 
tes Astwerk, auf einem geknickten Ast ein Knabe 
mit einer Hacke sitzend, daneben ein stehendes 
Mädchen. Die beiden Baumgruppen geben die 
Sicht frei - dem Blick der Frau im Vordergrund 
folgend - über die Fabrik und die sie umgeben- 
den Häuser hinweg auf das Rheintal, welches im 
Dunst der Ferne von einer Gebirgskette, die paral- 
lel zur Fabrik durchs Bild zieht, abgeschlossen 
wird. Mehr als die Hälfte des Bildes nimmt ein von 
 
Wolken bewegtes Firmament ein, das rechts 
durch die Baumgruppe zum Teil verdeckt wird. 
Das Bemerkenswerte der Darstellung zeigt sich 
einerseits im Fehlen charakteristischer Industrie- 
attribute, wie rauchende Schornsteine, anderer- 
seits in der Venuendung der Figurengruppen im 
Vordergrund als Staffage ohne jegliche Beziehung 
zum Thema des Bildes, eben einer Fabrikanlage. 
Dem Betrachter wird eine idyllische Atmosphäre 
geboten, für die Funktion der Anlage gibt es keine 
äußeren Merkmale. Spielende Kinder als Staffage- 
figuren für eine Fabrik, in weicher - zu dieser Zeit 
durchaus üblich und allgemein anzutreffen - vor 
allem Kinder und Frauen Beschäftigung fanden, 
sowohl tags als auch nachts. Kreishauptmann Eb- 
ner schreibt in seinen Aufzeichnungen über die 
Spinnerei Juchen: "Die Verwendung so vieler Kin- 
der... sah ich wahrlich sehr ungern, da ihre mora- 
lische und besonders ihre physische Bildung not- 
wendig dabei leiden muß. Es ist ein widriger An- 
blick, die armen Kinder eine ganze Tag- oder 
Nachtschicht, und zwar bei dem heftigsten Ölge- 
3 
 
ruche gleichsam an eine Stelle gebannt zu st 
was wenigstens ihrem körperlichen Gedi 
sehr hinderlich sein mußßr" 
Diese Darstellung von Johann Kaspar Rick 
für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts als 
rakteristisch für lndustriedarsteilungen bez 
net werden: Ein einziges Fabrikgebäude wl 
die Landschaft gestellt, Staffagefiguren t: 
den Vordergrund, jeder Hinweis auf die Vei 
dung des Objekts oder gar auf arbeitende 
schen wird vermieden. Mit großer Wahrscheil 
keit kann angenommen werden, daß wir ein 
tragswerk der Fabrikbesitzer vor uns haben. l 
zuletzt die Tatsache, daß es sich um ein Ölgi 
de handelt, läßt darauf schließen. 
im folgenden werden anhand von fünf Vergle 
beispielen oben erwähnte Thesen bekräftigt 
soll auf weitere Gesichtspunkte des lndustri 
tivs in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert: 
gewiesen werden. 
Daß die "malerische Vergegenwärtigung der 
zeitlichen Industrie und Technik in ihren A 
gen weitgehend an Stille und Tradition der l 
schaftsmalerei gebunden (war)u', zeigt nebe 
Darstellung der vSpinnerei Juchen:: von J. K. 
auch die "Ansicht von Wetter an der Fiuhri 
Carl Schlickum aus dem Jahre 1841." Aucr 
wird dem Betrachter eine idyllische Atmos; 
geboten. im Vordergrund des Bildes, am Ufe 
beinahe diagonal durchs Bild ziehenden Flut 
gern Personen, andere gehen ihrem Fischerl 
werk nach. Zwei den linken Bildrand begrenz 
Baume bekräftigen dieses friedliche Idyll. 
sanft sich erhebenden Hügeln werden jen 
des Flusses eine Kirche, daneben die Burg wi 
gegeben. Für die Venivendung dieser Anlag 
Fabrik gibt es keine Hinweise. Wir haben der 
druck einer verfallenden Festung mit Wohr 
Rundturm und Wirtschaftsgebäuden. Selbst 
als dreißig Jahre später, 1872, wird die inzwis 
nicht mehr zu verleugnende lndustrieanlag 
dieselbe Staffage hineingestellt. Hauch 
Schornsteine stehen in einem eigenartigen Vl 
Spruch zu den friedlich lagernden Figurengru 
im Vordergrund. Dieser Widerspruch wird u 
deutlicher, als Carl Schiickum seine Archits 
gruppe eindeutig als Fabrikanlage ausgibt, 
dings ohne sich kritisch mit den Auswirku 
technischen Fortschritts auseinanderzusetzi
	        
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