pretation dieses Bildes der Harkortschen Fabrik
kann weitergeführt werden durch den Hinweis auf
die Polarisierung von zerfallender Burg einerseits
und Fabrikgebäude andererseits. Die Repräsen-
tanten der versinkenden Macht - Wehrbauten,
Burgfried - in ruinösem Zustand, eingeklammert
durch die architektonischen Symbole des aufkom-
menden Maschinenzeitaiters, den rauchenden
Schornsteinen.
Karl Blechen gibt mit seiner Darstellung des "Walz-
werks Neustadt-Eberswaldeu", um 1834 entstan-
den, eine eher zwiespältige Darstellung des indu-
striemotivs. Zwar scheint in einer idyilisch-roman-
tischen Landschaft die Fabrik die Burg zu erset-
zen und Angler in ungestörter Ruhe ihrer Beschäf-
tigung nachzugehen. Doch die scheinbare Harmo-
nie trügt. Blechen bringt zum ersten Mai die Herr-
schaft der Industrie über die Natur zum Ausdruck.
Dies drückt sich nicht nur in der beherrschend nie-
dergelassenen Fabrikarchitektur im Hintergrund
aus, sondern auch "mittelbar in der Verunmögli-
chung geruhsamen Fischfangs im auch damals
bereits verschmutzten Abwasser, im Ausfluß einer
verletzten Natunili "Wie in den meisten Gemäl-
den Biechens sind Sach- und Wirklichkeitsbezüge
doppeischichtig strukturiert. Wasser und Rauch
zeigen einerseits die nüchterne Wirklichkeit auf,
meinen andererseits aber Symboiformen für Kraft
und Tätigkeit. Der Angler und die Arbeiter bilden
nicht nur eine idyllische Szenerie, sondern sind
auch bewußte Kontrastmotiveßw Blechen ahnt in
seinem nWalzwerk bei Eberswaidell bereits die
Problematik der nlndustrieiandschaftlt.
Können die bisherigen Beispiele des lndustriemo-
tivs der Dokumentation in ihren verschiedenen
Darsteilungsmoglichkeiten zugerechnet werden,
zeigt das Bild von Louis Krevei "Heinrich Kraemer
vor einer Fabrikaniage der Eisenhütte Quintu",
1838 entstanden, den Aspekt der Repräsentation,
der Selbstdarstellung der führenden Persönlich-
keiten der lndustrie und ihres Selbstverständnis-
ses. Das aufstrebende Bürgertum adaptierte in
seinen Porträts aristokratische Bildformen. Wir
finden eine Verbindung von Halb- und Dreiviertel-
porträts mit einer Fabrikaniage im Hintergrund.
Dies ist auch bei der Darstellung von "Heinrich
Kraemer Eisenhüttenherr zu Quint-i der Fall. Die-
ses Porträt hat im analog konzipierten Porträt sel-
ner Frau, Henriette Kraemer geb. Flöchiing, eben-
falls im Städtischen Museum in Trier befindlich,
sein Pendant. "in repräsentativer Haltung posie-
ren der Fabrikherr und seine Frau vor und hoch
über der Landschaft, in weiche ihr Besitz einge-
bettet ist. Der Maler stellt den Fabrikanten in den
Rahmen eines traditionellen Bildschemas. ,Wo
der Landesherr der Barockzeit sich vor seinem
Schloß, seinem Park oder seiner Festung abbilden
ließ, da setzt der industrielle des beginnenden Ma-
schinenzeitalters konsequent seine Werkanlage
an deren Steile' (Fritziatll Die Bedeutung dieser
Motivwahi ist bei aller möglichen Differenzierung
eindeutig. Sie dient der Darstellung des ieweiiigen
Selbstverständnisses der eigenen Person als Fa-
brikherr, als Unternehme-L's
Das "Neuei- der frühen lndustriedarsteilungen ge-
genüber anderen ikonographischen Themen IäBt
6 Louis Krevei, "Heinrich Kraemer vor einer Fabrikaniage
der Eisenhütte Quintir, 1838. OlILeinwand, 107x 90 cm.
Trier, Städtisches Museum (aus: Sturm Hermann,
F9a7b7r)ikarchitektur - Villa - Arbeitersiedlung, München,
sich nur vor dem Hintergrund Jener tletgreii
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ve
rungen begreifen, die mit dem Aufstieg de
gertums als ökonomisch bestimmende Krz
geleitet wurden. Die entscheidende Frag
sich im Zusammenhang damit stellt, ist jen
der Funktion, die der bildenden Kunst als N
der Wiedergabe zukommt. Denn die Einsch.
und Beurteilung unserer Umwelt ist nicht
abhängig und beeinfiußt von bestimmten
nehmungsmustern. Es stellt sich die Fra
die bildende Kunst im Bezug zum lndustri-
zur Heranbiidung solcher Wahrnehmungsr
beiträgt oder aber diese nur wiedergibt, sie
tigt.
Dazu Sturm: "Es hat den Anschein, daß die
die Wahrnehmungsmuster nicht bildet, Si
sie bestätigt, und zwar im wesentlichen f
deren Interesse es ist, die Strukturen von
und Herrschaft mit Hilfe der Abbildung ihre
nen Person oder ihrer lnsignien auch dur
Kunst nobiiiert zu sehen-i" Auffaliende Q
bindungen ergeben sich zur Fabrikarchi
Denn die bildhaften Medien werden in sl
Maße der gleichen Aufgabe nutzbar gemac
die Fabrikarchitektur selbst - zu untersi
chen Zeiten verschieden stark - in ihrem ä
Erscheinungsbiid durch Adaption von Eier
und Symbolen der Feudaiarchitektur Au
verleiht: der Selbstdarstellung von Macht L
deutung der Industrie und ihrer führenden F
iichkeiten sowie eine damit verbundene Fes
von neu entstandenen Strukturen-l."
Anmerkungen 14 - 21
14
1a
u
IV
u
1:
kurt Blechen, nwaizwerk Neustadt-Eberswaldea, um 1834,
OIIHoIZ. 25x33 cm, Staatliche Museen, Preußischer Kulturbe-
sitz, Nationalgalerie Berlin (West)
Sturm Hermann. Fabrikarehltektur-Vllia-Arbeitersiedlunq.
München 1977. S. 84
Industrie und Technik in der deutschen Malerei, a.a.O., S. 1B
Krevel LOUIS, wHeinrlch Kraemer. Eisenhiltterlherr zu Quint vor
der Fabrlkaniage im Alter von 40 Jahren-r. ÖlILeinwand. 107x
90 cm. 1835. Stldtiilches Museum Trier
Industrie und Technik in der deutschen Malerei. a.a.O.. s. 30
Vgl. auch die Darstellung von Franz Krüger aOtto isersig- Öl,
was entstanden. heute verschollen. Borsig. selbstbewuhter
Mittelpunkt des Bildes. sitzt au! einer Gartenbenk. die Armleh-
rie ist zu einer barocken Veiute gekrümmt. Beschattet von el-
nem Baum. ruht seine Hand auf dem Feil eines Setterhundes.
Weit im Hintergrund. von Büschen gerahmt, der Schornstein
des Borslgschen Elsenwerka. mehr eine Randnote als elri be-
schreibenden Wesensmerkmal, vgl. dazu Vorsteher Dieter, Ein
lndustrieblld mischen nJubelleier und Revolution-i, In: kriti-
sche berichte. Helt M5 1980. '
1' Sturm Hermann. es. . S. 59
" Vgl. dazu: Bertsch Christdph. Fabrikarcnitektur. Entwicklung
und Bedeutung einer Baugattung anhand Vorariberqer Beispie-
le des 19, und 20. Jahrhunderts, Braunschweig-Wiesbaden
1981.
Literatur
Becher Bernhard und Hilia. Die Architektur der Fbrder- und Weeser-
turme. München 1971
Busse Joachim. internationales Handbuch aller Maler und Bild-
hauer de: 19. Jahrhunderts, Wiesbaden 1977
Festschritt 11100 Jahre Herrburger 81 Fttiernberg 1795-1895.. Ddrrl-
birn 1895
Fuchs Heinrich, Die Österreichischen Maler des 19. Jahrhunderts,
Wien 1973
Hoiimeister Christine. Industrie als Gegenstand der Kunst. in: Bil-
dende Kunst. Berlin (Ost) 1965
klingender Fracis D., Kunst und industrielle Revolution.
1974
Schrnücker Hedwig, Das lndustriembtiv in der deutschei
des 19. und 20. Jahrhunderts. EmSdetten 1930
Schrenk Klaus, lndustriedarsteilungen in der Mitte des
hunderts und Aspekte ihres gesellschaftlichen Charakter:
sche Berichte, 5I6, 1975
Seemann Lexikon der Kunst. Bd. 2, Leipzig 1976
Sturm Hermann, Fabrikarchitektur -Viiia - Arbeitersiedlt
cheri 1977
Tlelenthaler Meinrad (Hrsg.). Die Berichte das Kreishau
Ebner. Dornbirn 1950
Wagner Monika. Die lndustrielendschelt in der englische
und Graphik 177071530. Frenklurt 1e7s
Auestellungskataloge
DBS Bild der deutschen Industrie 1800-1850, Dortmund
Industrie und Technik in der deutschen Malerei von der I
bis zur Gegenwart. Duisburg 1969
lndustriebllder aus Westfalen. Münster 1979
Fabrik im Ornament, Münster 1980