Lrvrluxrla: HirtmvÄ-vrulvr.
Berliner Tageblatt.
2. März 189;.
In unserem Kunstleben will es ein wenig Frühling werden. Die De-
batten darüber, ob die Kunst das Recht und die Pflicht habe, sich zu
verjüngen, verstummen nicht, und das Beste daran ist schliesslich, dass
die Kunst ganz ohne Rücksicht auf den Ausgang dieser Debatten wirk-
lich schon am Verjüngtwerden zu sein scheint. Und in diesem Moment,
wo das Interesse für Malerei aus einem allzulangen Winterschlaf zu er-
wachen beginnt. erscheint in dem bekannten Münchener Kunstverlag von
G. Hirth ein Werk: vRichard Mulher: Gexcbicblr-dzr Malerei im neun-
zehnten [ahrhunderm Das kommt gerade jetzt so passend, wie der Doktor
zum Kranken, oder der Pastor zur Trauung. Denn wer es mit dem Kunst-
interesse ernst meint, wer die moderne Malerei und die Ideen der Pleinäristen,
Impressionisten, Neuidealisten und wie man sie alle nennen mag, wirklich
verstehen will. der muss zunächst einen tiefen Blick in die Geschichte
der Entwickelung thun. Man kann von dem Muthefschen Werk schon
nach der ersten Lieferung sagen: das ist ein Buch, das Aufklärung und
Verständniss verbreiten muss. Es ist prächtig ausgestattet _ das ganze
dreibändige Werk wird circa 1000 Illustrationen bringen - aber es ist
kein Bilderbuch mit begleitendem Text. Man spürt nach den ersten drei
Seiten, dass das Werk die Arbeit eines Mannes mit feinem Blick für Kunst
und Literatur, mit einem freien Verständniss für das moderne Wollen ist.
Kein beschränkter Fachgelehrter, der sich, fremd allen anderen Gebieten
geistigen Schaffens, ganz in seine engbegrenzte Welt einsehliesst _ son-
dern ein wirklich Kundiger, der die niemals zerstörbaren Beziehungen aller
geistigen Arbeitsreiche zu einander begreift.