der Deckplatte und an der linken Seitenwand des
Schreibfachs angebracht, laßt sich in der Mitte
knicken, rastet ein und hält so die Platte in nahezu
senkrechter Stellung offen. Dabei wird jedoch
nicht nur die untere, über die ganze Breite des Auf-
satzes gehende Lade verdeckt, sondern auch das
Öffnen der Türe und der beiden unteren Seiten-
laden verhindert. Die Konstruktion iäßt also an
Zweckmäßigkeit manches zu wünschen übrig. Sie
muß aber auch für die damalige Zeit bereits als
reichlich altmodisch bezeichnet werden, weil die
nach rückwärts aufklappbare Schließplatte nur
gelegentlich bei viel früheren Sekretären ohne
Aufsatz vorkommt! Dort war sie auch richtig am
Platze, da in diesem Falle nichts im Wege stand,
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sie waagrecht nach hinten umzuiegen. - Um das
Schreibfach zu benützen, kann man dessen Vor-
derwand, ohne eine Sperre lösen zu müssen, nach
vorne in horizontale Lage bringen.
Es ist verwunderlich, daß Fiohde eine so umständ-
liche und unpraktische Anordnung verwendete. Er
muB sich dieser Mängel auch bald bewußt gewor-
den sein, da er bei dem Schreibschrank der Samm-
lung Kremayr die zeitgemäßere Lösung mit schräg
aufgelegter Platte gebrauchte, die zum Schreiben
auf die aus der Tischzarge herausziehbaren Kant-
hölzer zu liegen kommt (Abb. G).
Der unterschiedliche Einbau des Schreibfachs ist
von entscheidendem Einfluß auf die Proportione-
verhaltnisse zwischen Unter- und Oberteil der bei-
den Möbel. Der Liechtensteinische Schrank er-
scheint bei nahezu gleichen Maßen (Abb. 1)
schwerfälliger, und die kubisch aufeinanderge-
stellten Massen geben ihm ein wuchtiges Ausse-
hen. Beim Sekretär der Sammlung Kremayr hinge-
gen (Abb. 5) leitet die schräge Verschlußplatte or-
ganisch vom Schreibtisch zum zurückgesetzten
Aufsatz über, eine Funktion, die von den mit ge-
schweiften Stufen profilierten Seitenkanten noch
betont wird.
Die Konzeption der Marketerie entspricht dem voll
entwickelten Laub- und Bandwerkstii, wie ihn Fer-
diand Plitzner (1678 - 1724) vertrat, mit dem Flohde
zusammengearbeitet hatte, wenn er nicht sogar
sein Schüler war. Jedenfalls stand er, wie aus der
Signatur hervorgeht, gleich Plitzner im Dienst des
Mainzer Kurfürsten Lothar Franz Grafen von
Schönborn (1655 -1729).'
Das Repertoire der Marketerie besteht aus Bän-
dern und Laubwerk, das den Verlauf der Bänder
an den Biegungen, Schlingen und Volutenendun-
gen betont oder auch - aus zusammengesetzten
Formen gebildet - für sich allein steht. Dazu
kommt das Gitter- und Netzwerk in verschiedener
Ausführung und die Darstellung von Insekten
(Abb. 7), die zumeist die freie Grundfläche beleben
oder gelegentlich in das Netzwerk eingefügt sind.
An den Häuptern der Aufsätze beider Schränke
bildet ein auf einem Zweig sitzender Vogel die Mit-
te des ganzen Dekorationssystems (Abb. 2, 8 bis
9). Eine Besonderheit des Liechtensteinischen
Schranks ist die kleine Tänzerfigur, die in der Mit-
te der Deckplatte auf einem Sockel und unter ei-
nem Baldachin dargestellt ist (Abb. 3). Sie wurde
aunh vnn Plitmer auf seinem Kahinettschrank in
Liechtensteinischen Schrank aus Amaranth- und
Paiisanderholz, am anderen aus Pflaumenholz. Ei-
ne Übernahme von Plitzners Pommersfeldener Ka-
binettschrank sind die in stumpfem Winkel schräg
zum Mittelstück des Aufsatzes gestellten Laden-
teile.'. Ein weiterer Hinweis also auf die Zusam-
menarbeit der beiden Meister.
Der Stil Plitzners und in einer entwickeiteren, d.h.
lockerer über die Fläche ausgebreiteten Form
dann auch der Stil Fiohdes beruhen auf der Orna-
mentkunst Jean Berains und - wie Kreisel unter
Berufung auf Ludwig Baron Döry hinzufügt - sei-
ner lnterpreten Schenk und Denker." Bezüglich
der Figur des kleinen Tänzers stellt Döry fest, daß
sie i-einer bis jetzt noch nicht ermittelten Stich-
Serien entnommen ist." Die im Vergleich zu Plitz-
ner weniger dichte und somit ntransparentereu An-
ordnung der Marketerie iäßt den Furnierhölzern
des Grundes und ihrer reichen Strukturierung ei-
nen entscheidenden dekorativen Beitrag zukom-
men. Motivisch bereichert Rohde den Formen-
schatz Plitzners überdies um die Palmette, die er
an beiden Schränken an prominenter Stelle als
hervorstechendes Ornament einsetzte; an dem
der Sammlung Kremayr um eine Nuance mehr als
an dem des Fürsten Liechtenstein, weil sie bei er-
sterem in großer Ausführung an den Häuptern des
Aufsatzes erscheint (Abb. 9).
Einen augenfalligen Unterschied zwischen den
beiden Schranken bilden die vergoldeten Schnit-
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