Dora Heinz
Wiener Stickereien des
8. Jahrhunderts und
ihre Vorlagen
im Besitz der Schottenabtei in Wlen sind Werke
der barocken Stickkunst erhalten geblieben, die in
mehr als einer Hinsicht besonderes Interesse be
anspruchen dürfen.' Erstklassig in der Ausfüh-
rung wie im Erhaltungszustand, bieten sie ein für
die Zeit ihrer Entstehung ungewöhnliches und rei-
ches lkonographisches Programm und gestatten
es zudem, manche Fragen, die bei der genauen
Bestimmung von Werken des Kunsthandwerkes
oft offenbieiben müssen, zu beantworten: die Fra-
ge nach der Herkunft der Vorlagen für die Bilddar-
stellungen sowie die nach den Ausführenden der
Stickereien.
Von Abt Carl Fetzer(1705 - 1750), in dessen Regie-
rungszeit das Schottenstift zu besonderer Blüte
gelangte} wurde auch die Sakristei der K he Un-
serer Lieben Frau zu den Schotten mit zahlreichen
neuen Ornaten ausgestattet. An erster Stelle un-
ter diesen steht der Benedictusornat, der unveran-
dert und - abgesehen von den Antependien -
vollständig erhalten ist. Er umfaßt 2 Pluviale, 2 Ka-
sein, 4 Dalmatiken sowie die entsprechenden klei-
neren Stücke. Das Inventar der Sakristei aus dem
Jahr 1738 verzeichnet ihn mit den Worten nEin mit
Gold, Silber und verschiedenen Farben, Blumen
und Figuren künstlich genäter Ornat desgleichen
selber Zeit, id est Anno 1738 in ganzer Wienstadt
nicht zu ersehen war" und dem Zusatz "Dieser
kostbahr und herrliche Ornat ist von unseren Gna-
digen Herrn, Herrn Abbten Carolo Fezer verschaf-
fet wordenuß
Die reiche Ausführung der Stickerei und das um-
.fangreiche Bildprogramm lassen diese stolze Ein-
tragung begründet erscheinen, obwohl zu dieser
Zeit der Ornat keineswegs das einzige große
Stickereiensemble in Wiener Kirchenbesitz war.
Abgesehen von Werken wie dem Breunerornat von
1649 in St. Stephan mit seiner prachtvollen Hoch-
reliefstickereif wären als Paramente mit Bild-
schmuck vor allem der sog. Mod aornat im Kio-
ster der Heimsuchung Mariae, den die Prinzessin-
nen von Modena 1727 dem Kloster schenkten}
und der dem Benedictusornat in seiner Gesamter-
scheinung und Ausführung nahestehende Ornat
in St. Stephan zu nennen, den die Kaiserin Eleono-
re Magdalena 1697 gestiftet hatte." Diese über-
trifft der Benedictusornat durch seinen Bilder-
reichtum und sein spezielles Programm.
Den gesamten Grund der Gewänder bedecken in
kleinen Rauten niedergenähte Goldfäden, darauf
entfaltet sich eine schwungvolle Dekoration aus
silbereingefaßten Bändern, gebogenen Zweigen
und Blättern und bunten Blumen in reichschattier-
ter Petitpointstickerei. in den Hauptfeldern bilden
die geschweiften und gebrochenen Bänder Rah-
men für figurale Szenen. Ausgehend von den Bil-
dern der Dalmatiken, bietet sich hier ein für das
18. Jahrhundert ganz ungewöhnliches ikonogra-
phisches Programm. Die acht Bilder der Dalmati-