bezeichnen. Sie sind nicht nur in derselben Tech-
nik und mit ähnlichen, wenn auch einfacheren
Bandwerkumrahmungen ausgeführt, sondern ge-
ben ebenfalls zum Teil sehr seltene Szenen aus Bi-
beliliustrationen wieder.
Nach der Chronologie des Alten Testaments sind
folgende Szenen vorhanden: die Bewirtung der
drei Engel durch Abraham (Gen. XVlll) auf der
Rückenlehne, ein Drache auf dem Sitz des Thron-
sessels; auf den Hockern: Jakobs Kampf mit dem
Engel (Gen. XXXII), Versöhnung Jakobs mit Esau
(Gen. XXXIII), Auffindung des Mosesknaben (Exod.
II), die Kanaaneischen Riesen (Num. Xlll), der blü-
hende Stab Aarons (Num. XVll), David schont den
schlafenden Saul (1 Sam. XXV), David opfert Gott
das Wasser der Zisterne von Bethlehem (2. Sam.
XXlll), die Ohnmacht der Esther (Esther XV).
Die beiden Bilder der Davidgeschichte sind der
großen Bilderbibel von Christoph Weigel uHisto-
riae veteris testamenti iconibus rappresentataerr
(1708) entnommen, deren Illustrationen Jan und
Caspar Luyken zeichneten. Beide gehen auf Cas-
par (1672-1712), den jüngeren der beiden Mei-
ster, zurück, dessen Kompositionen von Chri-
stoph Weigel gestochen wurden. Die Szene im La-
ger, als David Speer und Becher aus dem Zelt des
schlafenden Saul nimmt, zum Zeichen, daß er ihn
hätte töten können, aber verschont hat, ist genau
nach dem Stich kopiert, die andere, die David
zeigt. als er zu Gottes Ehre das Wasser ausgießt,
das ihm die drei stärksten Helden unter Lebensge-
fahr aus der Zisterne zu Bethlehem gebracht ha-
ben, gibt die Figurengruppe genau, den Hinter-
grund gegenüber dem Stich etwas vereinfacht,
wieder.
Fünf der Bilder gehen auf die Kompositionen zu-
rück, die Melchior Füßli (1677 - 1736) für die große
r-Physica sacrau (1731 -35) von Johann Jakob
Scheuchzer gezeichnet hat und die auch als vKup-
fer Bibel historischer Vorstellungen SiCir ebenfalls
in Augsburg verlegt wurden. Nach Füßli sind fol-
gende Bilder gearbeitet: die drei Engel bei Abra-
ham, Jakobs Kampf mit dem Engel, die Versöh-
nung Jakobs mit Esau, die Kanaaneischen Riesen
und der blühende Stab Aarons. Jeweils ist die
Hauptgruppe genau in die Stickerei übernommen,
die Nebenszene in den zum Teil sehr vielflgurigen
Stichen aber vereinfacht oder ganz weggelassen.
Die Vorlage für die Auffindung des Mosesknaben
durch die Tochter des Pharao schließlich ent-
stammt der i-Historlschen Bilderbibel mit Fleiß
gezeichnet, in Kupffer gestochen verlegt und her-
ausgegeben von Johann Ulrich Kraussen Burgern
und Kupfferstechern in Augsburg Anno 170244. Die
Hauptgruppe wurde genau, allerdings seitenver-
kehrt, wiedergegeben, die Zahl der Begleitfiguren
verringert und die Landschaft wesentlich verein-
facht. Für das letzte Bild, die Ohnmacht der Es-
ther, ist die Vorlage z. Z. nicht zu nennen. Die ent-
sprechende Szene kommt zwar in der rrBiblia Ecty-
parr vor, stimmt aber mit der Stickerei zu wenig
überein, um sie als Vorbild bezeichnen zu können.
Wie auf dem Ornat finden sich auch hier neben
sehr bekannten und häufig wiederholten Themen,
wie den Engeln bei Abraham, dem Engelskampf
Jakobs oder der Auffindung des Moseskindes,
sehr seltene Themen ausgewählt, wie z. B. die Ka-
naaneischen Riesen. Zur Illustration des Textes,
der die Rückkehr der von Moses ins Gelobte Land
gesandten Kundschafter berichtet (Num. Xlll), ge-
langen in der Regel Josua und Kaleb mit der riesi-
gen Weintraube zur Darstellung, nicht der Bericht
über die Riesen, die andere Ku ndschafter gesehen
haben wollten und damit das Volk in Schrecken
versetzten. Ebenso ist aus der Geschichte der
Esther zumeist nicht die Stelle aus dem XV. Kapi-
tel, sondern das Erscheinen der Königin vor Ahas-
ver, der ihr als Zeichen der Huld das Szepter ent-
gegenstreckt, aus dem V. Kapitel gewählt. Auch
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die beiden Szenen zur Geschichte Davids zählen
keineswegs zu den häufig dargestellten.
Diese auffallende Zusammenstellung würde auch
hier den Gedanken an ein spezielles Programm
nahelegen, doch ist ein solches m.E. nicht zu er-
kennen. Eine weitere Frage ist, warum die Vorla-
gen aus verschiedenen Werken genommen wur-
den, da doch z. B. die Auffindung des Körbchens
mit dem Mosesknaben auch in der Bilderbibel
Weigels vertreten ist, die allein schon durch ihr
Format für die Herstellung der Stickvorzeichnung
geeigneter gewesen wäre als der kleine vielfigurl-
ge Stich von Kraus. Es ist anzunehmen, daß von
dem Zeichner der Stickvorlagen nicht die illustrier-
ten Bibeln selbst, sondern einzelne Stiche benützt
wurden. Diese waren als Vorlagen nicht nur hand-
licher, sondern natürlich auch wesentlich billiger.
Auch das Phänomen, daß einzelne Szenen seiten-
verkehrt gestickt wurden, die anderen nicht, wie
es hier und bei dem Ornat zu beobachten ist,
spricht dafür, daß nicht die Bibeln selbst, sondern
Blätter nach ihren Illustrationen verwendet wur-
den. Daß Sticker graphische Blätter besaßen, die
ihnen als Vorlagen und Anregungen dienten, ist -
wenngleich in weit geringerem Maß als für Maler-
ateliers - historisch überliefert." Für Österreich
kann Frater Benno Haan, der berühmte Kunst-
sticker im Stift Admont, als Beispiel genannt wer-
den. Rechnungsbelege weisen aus, daß er auf
dem Egidlmarkt in Graz verschiedene Kupfersti-
che, ornamentale Blätter, aber auch "historische
Kupferu kauftels Für einen Teil der Heiligenbilder
auf den Wandteppichen im Presbyterium der Ad-
monter Stiftskirche ist überliefert, daß sie nach
Kupferstichen gemacht wurden, für andere malte
ein Laienbruder des Klosters die Vorlagenßs Es
kann daher auch bei den vorliegenden Arbeiten
nicht verwundern, wenn Vorlagen verschiedener
Herkunft in einem Stickereiensemble vereinigt
wurden."
Durch ihren Zusammenhang mit deutschen Bibel-
iilustratlonen bilden die Stickereien der Schotten-
abtei eine interessante Parallele zu den wesent-
lich früheren Leinenstickereien der Schweiz" wie
zu dänischen Arbeiten des späten 16. und des
17. Jh.s," zu denen jedoch keinerlei direkte Bezie-
hungen bestehen." in der kirchlichen Barock-
stickerei Österreichs dagegen stehen diese Bild-
programme vereinzelt da. Dieser gehören sie je-
doch ihrem künstlerischen Charakter wie auch ih-
rer handwerklichen Ausführung und Bestimmung
nach an. Die charakteristischen Formen des Laub-
und Bandwerks füllen in dem Ornat als große ein-
heitliche Kompositionen die gesamten Flächen
der Gewänder. im Gegensatz zu der sonst häufig
zubeobachtenden Methode, ein oder zwei Motive
.auf allen Teilen eines Ensembles regelmäßig zu
wiederholen und nur durch kleine Variationen dem
Schnitt anzupassen, liegt hier für jeden Gewand-
typus ein eigener, vollständiger Entwurf vor. Es
kann hier also nicht genügt haben, den Stickerin-
nen eine kleine Vorlage zu geben, die sie dann für
alle Stücke verwenden konnten, sondern es mußte
jeweils eine komplette neue Zeichnung geschaf-
- fen werden. Dies war das Werk eines Zeichners, si-
cher nicht der ausführenden Stickerinnen. Wenn
in der Umsetzung der figuraien Stiche in Stickvor-
lagen manche Unsicherheit beobachtet werden
konnte, so sind in den ornamentalen Entwürfen
Werke von großer dekorativer Einheit und Wirk-
samkeit gelungen, die für die Ausführung in Gold,
Silber und farbiger Seide bestens geeignet waren.
in dem harmonischen Zusammenklang von Orna-
ment und Blumen mit den Blldfeldern wie in der
reichen farbigen Gestaltung und prächtigen Aus-
führung zahlen diese so gut wie unbekannten
Werke nicht nur zu den interessantesten, sondern
auch zu den bedeutendsten Zeugen der Wiener
Stickkunst des 18. Jh.s.
Anmerkungen 14 - 20
" Vgl. 1.5. die Angaben bei Garde. a. 3.0., S. 194 ff., ZU Gert OSSB-
rin.
ß P. Jacob Wichner, Kloster Admont in Steiermark und seine Be-
ziehungen zur Kunst, Wien 1588, S. 137.
" Fledler, 3.3.0.
" Ein charakteristisches Beispiel bieten 12 gestißkte Wandbshan-
ge aus dem 1. Viertel des 1B. Jh.e. deren Dekorationen Stiche
nach Callot mit anderen, anonymen Stichen vereinigen, die ih-
rarseits auch als Vorlagen für Porzellanarbeiten gedient haben.
Vgl. Leonle von Wilckens, Zwölf gestickte Wandbehange aus
Dresden, Pantheon XXHQGZ.
" Verona Trudel, Schweizerische Leinenstickereien des Mittelal-
ters und der Renaissance, Bern 1964.
" Garde. a. a.O.
1" Die Unterschiede erstrecken sich ebenso auf Art und Technik
der Ausführung und den Verwendungszweck wie auf die geistig-
rellglßsen Voraussetzungen, auf denen diese Werke beruhen.