Notizen
BremenlLinz - Kunsthalle
Bremen kommt das Verdienst zu, mit der Ausstellung
t-Aspekte der Zeichnung in Österreich 1960-1980. ein
wichtiges Unternehmen gestartet zu haben. Der Förder-
kreis des Bremer Kunstvereines für Gegenwartskunst ini-
tiierte und teiifinanzierte diesen Überblick über zwanzig
Jahre moderner Zeichenkunsl in Österreich zugunsten
der weiteren Stationen: Düsseldorf, Tübingen, Heidelberg
und derzeit Linz. Peter Baum, Direktor der Neuen Galerie
Linz, der sich bereits im Rahmen der nKontraste-Zelchnen
heute-t - 1975 - als profunder Kenner auswies. stellte
Österreichs Künstler der Zeichnung überaus selektiv vor.
Als Landsmännin im Bremer Bereich hatte Uta Hellmann
ein besonders gutes Verhältnis zur Sache und unterstütz-
te hervorragend.
lm Auf und Ab aller soziologischen und künstlerischen
Traditionen, aller Konventionen steht die Handzeichnung
als autonome Kunstlorm mit dem Status des Unveränder-
baren da. Alles Aufrührerische der Gegenwartskunst, alle
progressiven, provozierenden aktionistischen Elemente,
aller Widerspruch zwischen künstlerischer Utopie und
Realität können ihr nichts anhaben. Aus archaischen An-
fangen heraus bleibt sie stärkster Träger künstlerischer
lnitiativen, des Emotionellen, und manifestiert sich heute
letztlich im teilweise unverstandenen Ausdruck von auf
Mauerwänden versprühten Text- und Bildparolen aus
Spraydosen. Spontanste und krasseste Form einer
iHandlt-Zeichnung.
Vorneweg, hier präsentiert sich nun in Linz ein In der Bun-
desrepublik wahrhaftig äußerst erfolgreiches Unterneh-
men. Mit 42 Künstlern sonderte Baum nicht nur Weizen
von Spreu, sondern engte den Zeitraum der Entstehung
der Werke auf 20 Jahre ein. Knüpfte mit diesem beach-
tenswerten Querschnitt direkt an die Gegenwart an. Man-
che Künstler mögen fehien, doch hat man sinnvollerweise
das wesentliche Österreichische herauszustellen ver-
sucht. Querverbindungen zum Literarischen und zur Ak-
tionistenszene schufen einen undoktrinaren, von keinem
Klischeekonzept beengten, breit informativen Ausstel-
iungskörper, und nur künstlerisch hochqualitative Werke
hat Baum angenommen. Rainer, einmal mehr Aushänge-
schild - siehe letzte Biennale -, scheint uns zu Recht
bevorzugt zu stehen. Er entwickelte eine so neue, so ei-
genwillige Komponente innerhalb der autonomen Kunst
der Handzeichnung im alten Sinne, belebte diese wie kein
anderer neben ihm. Nicht zuletzt, auch Rainer provoziert
mit seinen Über-Zeichnungen allen Glauben an reine
künstlerische Vergangenheiten. Doch wie meisterhaft tut
er das, aus den Ursprüngen frühester christlicher Glau-
benswurzeln heraus. Sein Abreagieren an entdeckten
Unzulänglichkeiten aller Meister scheint blasphemisch,
ist es nicht. Sein Wervolikommnungsdrangtt ist ein per-
manenter, meist verkannter Versuch einer Annäherung an
das vielgepriesene idealkunstwerk, um nicht zu sagen
das Überkunstwerk. Unter den übrigen Künstlern, vielen
bekannten Namen, auch einigejunge, denen man zur Ent-
deckung verhelfen will. Deutlich spürbar, ausgehend von
den großen alten Lehrern Boecki, Gütersloh, Wotruba
nach 1945 bis zu den heutigen Frohner, Oberhuber, Spalt,
Holieln bis Beuys, deren edukativer Einfluß auf diejungen
heranwachsenden Studenten und Künstler. im Lentia
2000, wo die Neue Galerie der Stadt Linz ihren neuen Sitz
hat, kann die österreichische Handzeichnung ihren Erfolg
aus der Bundesrepublik prolongieren. Peter Baum als ihr
Leiter kann die "Aspekten auf die trächtige Habenseite
der Galerie setzen.
Düsseldorf - Hetjens-Museum l Deutsches Kera-
mikmuseum
Kurt Spureys Schöpfungen zu begegnen, ihres lichten
ätherischen substanzleichten Charakters inne, ist stets
erfreulich. Auch in der Hochburg der bundesdeutschen
Keramlkervereinigung der Gegenwart erregte er mit sei-
nem eigenakzentuierten Werk Aufsehen. Sein Verzicht
auf Farbe - mit wenigen Ausnahmen - ist mehr als Be-
schränkung. Alle Erscheinung des Objekts lebt bei ihm
von der handfeinen Modellierung, dem daraus resultieren-
den Spiel von Lichteinfall und differenziertem Schatten-
dunkei. Lameilenaufbrüche und -kreise, amorphe Auffä-
cherungen und Faltungen prägen Objekte und Reliefs, die
seil 1970 geschaffenen Köpfe in Variation. in den
itTouchu-Objekten der mittels handgezielter, gebändigter
Aggression ein Spurey von äußerster Konzentriertheit.
Wie auch dann in tiefstem Einverständnis mit dem tragi-
ien Material, dessen Formen und Glasur, wenn er feinfüh-
lig Schraffen setzt. Objekte, die - jedes einzelne - im-
mer wieder aus der vollendeten Leistung eines wahrhaf-
ten Keramlkers entstehen.
Hamburg - Galerie L
im Heine-Haus betreibt Charlotte Gräfin von Finckenstein
ihre moderne Galerie, lud kürzlich zur 53. Ausstellung.
Zwei amerikanische Künstler, Margie Hughto und Marvin
Lipofsky, zeigten sowohl wColiagen aus handgeschopf-
tern Papier! Keramlku wie iiGlas als Objekten. Beide ver-
suchen ideale formale und räumliche Farbenkomblnatio-
vm uisw is-
Adolf Frohner, was Sitzen-t, 1978. GralitIPapier. 1ü4x80 cm
Jürgen Messensee, t-Nancy-i, 1980. Rohrfeder, BlauIPapier.
29,7 x 21 cm
Kurt Spurey, Fall-Objekt, 1930
Patung (Kürbis Kachlria), verschieden ausgeführt
Claes Oldenburg, Vor Werken aus dem t-Storei, 1961. Manna
Jackson Gallery, New York
Tone Vigeland, Haisschmuck
Sog. Zuckerwasser-Garnitur, Novy Svet, Harrachsche Glasstätte,
1539-1541. Uraniumglas, In sog. nÄnhBQEibu, mit Medalllons.
Dekoration mit Wappen des Herzogs Desfours-Walderode in
Farbemaii
Vittorio Zecchin, t-Le mille e una nette: Le principesse e l guerrie-
(II, 1914. Öl und GOIGIHOIZ
nen anzustreben und zu erreichen. Lipofksy "schreibt mit
dem heißen Giasu seine Arbeiten. Sie sind, wie er selber
meint, wie Skizzen. Aus deutschen Glashütten kommend,
vollendet er seine Objekte in kalter Bearbeitung.
Karlsruhe - Badisches Landesmuseum .
Ein etwas unorthodoxes Unternehmen, diese Präsenta-
tion aus der Studiensammiung des bekannten deutschen
Künstlers Horst Antes: nKachina-Figuren der Pueblo-
Indianer Nordamerikas-i. Auch im Badischen erregt diese
interessante Schau phantasiereicher Schnltzfiguren in-
dianischer Herkunft einiges Aufsehen. Als bildhafte Zeug-
nisse des reichen Zeremoniaisystems aller heute bekann-
ten 350 Kachinatypen sind diese in allen möglichen ame-
rikanischen Museen, aber auch in Europa seit der Jahr-
hundertwende gesammelt und bekannt. ihr spezielles
Ausdrucksbild zog seit den zwanziger Jahren besonders
die Surrealisten an. So auch Horst Antes, der seit 1960
diese seine sehenswerte Sammlung aufbaute und sie
nun, nach Karlsruhe, wo sie am 26. April endete, in Zürich,
München und Hamburg zeigt.
Köln - Museen der Stadt
Eine sehr interessante Fotoausstellung, die eine Reihe
von Städten der Bundesrepublik, Österreichs, aber auch
der Schweiz und Dänemarks zusammenführte, war im
Frühjahr im Museum Ludwig zu Gast. Eine im Jahr 1979
über Anregung des Museums FolkwanglEssen initiierte
Arbeitsgemeinschaft, die Museen und Institute im Bemü-
hen, Fotografien zu sammeln, verbindet, machte sich zum
Ziel, neuartige Probleme von Konservierung, Archivierung
und Restaurierung zur Diskussion zu stellen und Lösun-
gen zu suchen. Ais eine erste Ausstellung iiArbeltsge-
meinschaft öffentlicher Fotcsammlungenu verband sich
eine Kette von Städten wie Bonn, Koin, Essen, Leverku-
sen, Hamburg, München, Wien, Bad ischl, Zürich und Ko-
penhagen. Von jeder dieser Sammlungen wurden 10 foto-
grafische Werke selektiert, die die "Kunst der Fotografie-
in der Öffentlichkeit als besonders repräsentativ erschei-
nen iassen. Die Zeitschrift "Camerau legte hiefür eine
Sondernummer auf.
Am 5. Mal 1981 wurde im Schnütgen-Museum ein dreifa-
ches Jubiläum gefeiert. Wie uns Erna Adelmeier hiezu
mitteilte, gab es einen großen Festakt. Dreifaches Jubi-
iäum deswegen, weil vor 75 Jahren Alexander Schriütgen
seine Sammlung kirchlicher Kunst vom frühen Mittelalter
bis zum Barock der Stadt Köln schenkte, vor 25 Jahren
das nach seinem Stifter benannte Museum in die romani-
sche Basilika St. Cäcilien umzog. in der es sich, wohl
beengt, noch heute befindet, und weil sich zur gleichen
Zeit die Freunde des Schnütgen-Museums zum Verein
PRO ARTE MEDii AEVI zusammenschlossen. Bemerkens-
wert ist weiter in diesem Zusammenhang, daß sämtliche
Museen in Koln auf Schenkungen seiner Bürger zurückge-
hen und durch Freunde und Stifter gefordert werden.
London - Eiectrum Gallery
Die Norwegerin Tone Vigeland präsentierte sich als eine
interessante Schmuckkllnstlerln. Sie ist fürs erste nicht
so sehr Künstlerin der Gegenwart, weil sie erkennbar
auch alte Traditionen annimmt. Und das macht ihre Ob-
jekte doch erst interessant, iäBt sie als faszinierende
Schöpfungen aus Macramee und als Kettenorganismen
aus einer sieben Jahre dauernden Entwicklung heraus
technisch briiiieren. Vigeland ist auch eine Meisterin von
außerordentlicher Flexibilität in der Anpassung an die
Trageform ihrer Objekte. Sie sieht quasi die Wirkung ihres
Schmuckes am Körper voraus. Sie verarbeitet Silber und
Altsliber, Goldstücke und Stahielemente sowie Kristalle,
natürliche Steine oder Halbedelsteine. Überraschendes
Moment, die meisten Vigeland-Schöpfungen scheinen
schwerer im Gewicht als sie sind. Präziser, sie
schmücken und tragen sich angenehm und leicht. DaB sie
sich skandinavischen oder wikingerischen Ursprüngen
annähern, weist auf die Kontinuität Kette aller künstleri-
schen Äußerungen zwischen Moderne und Tradition hin.
Venedig - Museo d'arte moderna I Ca'Pesaro
Vittorio Zecchin, Sohn muranesischer Giasmecher, absol-
vierte die Accademia Belle Arti di Venezia. Sein hier ge-
zeigtes Werk ist typisch für die Kunst der Jahrhundert-
wende, ist verwurzeit in der Art Deco wie auch im breiten
Produktionsfeid des Giasmacherzentrums Murano. Wir
begegnen Werken eines exzellenten Künstlers der deko-
rativen Kunst, der sowohl Glasfenster schuf als auch mal-
te. Als künstlerischer Direktor von Murano leitete er im
1. Weltkrieg ein Versuchsiaboratorium. 1909 begann er
vielversprechend als Exponent der künstlerischen Avant-
garde Veneziens, feierte 1923 als Biennaleteilnehmer in
Monza seinen ersten großen Erfolg. Schon routinierter
zeigte er sich dann auf den Biennaien in Paris von 1925
bis 1938 mit Giasmaiereien, Mosaiken und Werken in den
Stilarten der dekorativen Kunst der Zeit. Eine übersichtli-
che Schau. die deutlich den originären Zug Zecchinis In-
nerhalb der venezianischen Kunst seiner Zelt aufzeigt.
Ieopold netopil