1 a Bavtholomäus Spranger (Antwerpen 1546- 1611
Prag), wDie Weisheit beugi sich den Fesseln der Lieben
(wFesselung Merkursu). OIlLeinwand, 158 x 178 cm
2 Lukas Kllian (Augsburg 1579-1637), nDie Fesselung
Merkursu. Kupferstich nach B. Sprangers Gemälde
Abb. 1. Bez. "S C M Pictor B. Spranger pinxit - L. Kllian
sulpsit et excudnu. Undatiert
Von vielen verschwundenen großen Malerwerken
der Vergangenheit geben uns reproduzierende
Kupferstiche heute noch Kunde. Manchmal ge-
lingt es glückhaft, mit Hilfe eines Stiches ein un-
gedeutetes Gemälde neu zu bestimmen, es wieder
einzuordnen in seine kunsthislorischen Bezüge.
Im Folgenden soll die Identifizierung eines ver-
schollenen Werkes von Bartholomaus Spranger
(1546-1611), des hervorragendsten Meisters der
Prager Spätrenaissance, vorgelegt werden.
Das großformatige Ölgemälde (158 x 178 cm, Öl
auf Leinwand) (Abb. 1)tauchte nach mehrmaligem
Besitzerwechsel, verdunkelt und verunklärt durch
alte Firnisschichten, als namenloses Werk der ita-
lienischen Spätrenaissance auf. Vergeblich ver-
suchte man verschiedene Zuschreibungen. Eine
kürzlich erfolgte Reinigung und Restaurierung
machte die außerordentliche Qualität sichtbar.
Neues intensives Studium des Werkes wurde da-
mit angeregt. Das Gemälde vereinigt gleichsam in
sich Züge der verschiedenen Schulen des italieni-
schen Manierismus, es konnte jedoch keinem die-
ser Künstler überzeugend zugewiesen werden.
Rätselhaft schien auch die besondere Eigenart
der Thematik, welche in der lkonologie sonst nir-
gends feststellbar war. Merkur wird von Amor ge-
fesselt auf Venus' Geheiß. In meisterlicher Kom-
position verbinden sich die schönen Leiber der
Götter zu einer Gruppe von mitreißender Bewegt-
heit.
Hier liegt eine ganz besondere Allegorie zugrunde,
welche vorerst ungedeutet blieb.
Die Suche nach der besonderen Morphologie der
Handschrift des Meisters führte schließlich zu po-
sitiven Vergleichen mit den Werken des großen
Flamen Bartholomäus Spranger, der in jahrzehn-
telanger Entwicklung die Strömungen der so viel-
faltigen Schulen der italienischen Spätrenaissan-
ce in seinen Personalstil aufgenommen hatte.
Beim Studium Sprangers fand sich überraschend
auch als Beweisstück der Kupferstich, der zur
Identifizierung des Gemäldes und zu seiner Deu-
tung führte.
2
Das Blatt (Abb. 2) stellt ebenfalls die "Fesselung
Merkurs-i dar. Es ist eine Arbeit des fruchtbaren
Augsburger Stechers Lukas Kilian (1579-1637).
Es ist bezeichnet: "SCM Pictorl B. Spranger pin-
xit - L. Kilian sculpsit et excuditu Der Stich ist
undatiert.
Zum Verständnis der allegorischen Bezüge sind
die am unteren Blattrand wiedergegebenen latei-
nischen Distichen bedeutsam:
"Cedit Amor nulli, sapientia cedit Amori
Mercurio, cernit, vincula ut indat Amor.
Mercurio demum feliciter ergo litabis
quam tua placatus sacra adamabit Amom
(Die Liebe weich! vor nichts, die Weisheit weicht
der Liebe,
Merkur trägt die Fesseln, wie es die Liebe beut.
Merkur wirst du darum glückhaft opfern können,
wenn Gott Amor versöhnt dein Opfer liebgewinnt.)
Diese Verse sind vermutlich geschaffen von dem
Emblematiker und Hofdichter Kaiser Rudolfs ll.
Ottavio da Stradaz. Sie werden uns deutlich in der
doppelten Handlung, die auf dem Stiche darge-
stellt ist: der Fesselung Merkurs im Vordergrund
und des Opfers vor Merkurs Standbild im Hinter-
grund. Dieses steht in einem klassischen Rund-
tempel, unverkennbar von Gianbolognas berühm-
ter Bronzestatue - dem Glanzstück der Kunst-
kammer Rudolfs ll.: - abgeleitet. Eine Priesterin
bringt das Rauchopfer dar. Beide Bildebenen ma-
chen deutlich, daß es sich um eine Allegorie han-
delt, die mit der einfachen Benennung "Die Fesse-
lung Merkursri nicht hinreichend benannt ist. Wir
haben daher - den begleitenden Versen gemäß
- als Titel gewählt: "Die Weisheit beugt sich den
Fesseln der Lieben, um dieses aus der Rudolfini-
schen Kultur stammende Bildthema besser zu er-
fassen!
Gertrud von Schwarzenfeldä schreibt in ihrer Bio-
graphie Kaiser Rudolfs ll., Ottavio da Strada, der
Sohn des kaiserlichen Antiquarius und Kunst-
händlers Jacopo da Strada, habe die Künstler
auch in mythologischen Fragen beraten. "Jedes
Werk mußte, um dem Kaiser zu gefallen, einen