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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXVII (1982 / Heft 184 und 185)

aus Berninis mittlerer Epoche (Rom. Galleria 
lese). Bekanntlich hat er die Gruppe iiDie Zeit ent- 
lie Wahrheit". als er in Ungnade war. sich zum 
begonnen; beim Einsetzen der neuen großen Auf- 
hat er die Figur des Chronos unausgeführt gelas- 
ie der i-Wahrheitw aber. als sein einziges Werk. im- 
ei sich behalten und der Familie als Fideikommiß 
icht. 
:heThemenhaben ihnauchsonst beschäftigt. 2. T. 
rkasmen. In einer seiner Komödien sagtjemand 
Ihantelou berichtetfg zu einem. der sich verkannt 
vTröstedich. dieZeitenthülltdieWahrheitJi Erant- 
t: vDas tut sie wohl. nur kommt sie damit nie zur 
I-XufeinerEntwurfszeichnungfürKöniginChristine 
shweden enthüllt Chronos einen SpiegeLmwoist 
ie Wahrheit? im Spiegelbild dessen. der hinein- 
incl dabei von der Zeit in seinem Sichwandeln. vor 
im Altern enthülltwird. Königin Christine dürfte für 
las Sinn gehabt haben. Ganz ohne Sarkasmus. ei- 
fache. reicheversinnlichungdes Spruches. istdie 
Gruppe. Geht man von der hochgehobenen Dra- 
aus. so dürfte für die Ausführung der Zwischen- 
zwischen Chronos und der Veritas etwas größer. 
umigerangelegtgewesen seinals inderplastisch 
n Entwurfszeichnung." lnjedemFall:diehalbsich 
htende schafft sich selber einen Raum durch Hal- 
nd Agieren, durch ihre Mimik. ihre Modellierung. 
' Raum vor ihr ist nicht festgelegt. er entsteht 
ar vor ihr aus dem Geschehen in der Figur. 
und Her der langen Glieder und des Leibes. etwa 
ast gestreckten und dem scharf angewinkelten 
lern gebogenen Rumpf. dem querausgestreckten 
erihrAttribut,diestrahlendeSonne.vorweist. wie 
l scharfgratigen schnellzüngelnden Falten. in 
enartigen Locken, in all diesem Sehnigen und Ge- 
en zeigt sich etwas von den "linearen" Grundla- 
ir körperhaften Gestalten Berninis, wenn man das 
m nicht-wölfflinischen Sinn so nennen darf: nicht 
re Begrenzung. sondern das immer neu Gerichte- 
imt hier und schon in bestimmten Vorzeichnun- 
ifaLlS, die die Gestalt aus Strichbündeln erstehen 
Fzschondasverhindert.daßmandasAusmessen 
sich öffnenden Raumes vor dem Leib und durch 
statisch nimmt; immerhin ist hier durchaus wie- 
vas von der kubischen Architektonik eines Arnol- 
ambio oder auch Michelangelos. verwandelt in 
tum eines Vorgangs. Dieser Vorgang liegt vor al- 
ch im Plastischenüselber: in dem Aufblühen. wie 
1 der Veritä vorgezeigte Sonne Aufstrahlenden. 
ufgehenden der ganzen Gestalt und des freudig 
(ten Gesichts. Die Oberfläche der Figur verbin- 
ihrer zarten vollen Schwellung sich dem Raum. 
luhen Fels und dem schnellfließenden Stoff klar 
atzt. umfangt sie einen Leib. der schon von seiner 
lnz her sich auftut. von sich her ins Licht tritt. 
früher als der römische Bildhauer hat Rubens. 
nische Maler. in seiner späten nAndromedaii von 
zu Berlin, in einereinzigen. nicht vom Ort beweg- 
ureinenganzen Vorgangdargestellt.denderEnt- 
i ähnlichen. der Befreiung. Perseus und der Dra- 
Hintergrund sind nur Erläuterungen. im Aufstei- 
cht von den Füßen her. überdie nimbenartig um- 
iLeibesmltte. leichte Biegung bei vielfachen Ver- 
ungen. bebend bis in die Konturen. blickt sie. von 
men gerahmt. großäugig weinend über die Fes- 
taus aufwärts zum Liebesgott mitder Fackel, der 
t das Bild krönt und mit Gestalt und vorauswei- 
Geste seine Tiefe aufschließt. (Man vergleiche 
iheren Sebastian. 1606108 in Berlin. mit seinem 
;chen Kontrapost und festem Körper.) Die ste- 
Figur ist mit dem zeitlichen Geschehen der Be- 
eins. Dabei scheint erfüllt. was am Anfang der 
zeit gewünscht wurde: i-Oh schmölze doch dies 
iste Fleischxr 
abgesetzt.jasogar(wiebeianderen Bernini-Wer- 
ianchmal leicht auseinandergedrückt sind die 
teiIebeiderVeritä; man sehedieGelenke. diebel 
s. etwa an den Knien, durch vielfältigen Über- 
setztsind. Doch auch bei Bernini ist das Schwel- 
B Peter Paul Rubens. 
iiAndromeda an den Felsen 
geschmiedet". Berlin, 
Staatliche Museen. 
Preußischer Kulturbesitz. 
BerlinIDahlem 
len der Substanz des Fort-währenden eines Wesens ei- 
ne Bewegung von innen. Wo sie bei Rubens in den allge- 
meinen.vom farbigen Helldunkel erfüllten Raum und zu- 
gleich nach oben geht. erschließt sie sich bei Bernini ei- 
nem Gegenüber. dem geplanten Chronos. heute dem 
von der Eigenbewegung der Figur erzeugten Raum. 
Auch als Einzelfigur istsie vollstandigwnd so hat Bernini 
dieses sein Vermächtnis zuletzt wohl auch angesehen): 
Daß Wahrheit. ßUnverborgenheitrr. in einem Aufschei- 
nen eines Wesens von sich aus kund wird. sagt. vom Ur- 
heber selbst bedeutet. schon die Sonnenscheibe in der 
rechten Hand der Figur. Hat man zuerst den Symbol- 
spruch vernommen. der dem Werk zugrunde liegt: wDie 
Zeit enthüllt die Wahrheitii. und dann die Verita in ihrer 
künstlerischen Durchführung betrachtet. so könnte 
man das Ergebnis aufeiner anderen Ebenewieder in die 
Worte fassen: wDie Zeit enthüllt die Wahrheitk - dies- 
mal auf der Ebene der anschaulichen Realisierung. Die 
Darstellung wäre also hier - nicht gleichmäßig in je- 
dem Kunstwerk - wohl ein Symbol in einem volleren 
Sinn zu nennen. als es der Spruch war. den derTitel for- 
muliert. 
Das 18. Jahrhundert hat die Zeitlichkeit seiner Kunst- 
werke in verschiedener Weise zugespitzt. verengt. ge- 
rade damit aber neu herausgehoben und zum G 
stand neuer Reflexion gemacht. Die kurz behanc 
Werkevon Roubillac. Nahl. Hogarthßhardinoder 
ren. etwa von Watteau. neben Fragonard. oderdie 
kirche könnten es bei genauerer Betrachtung z: 
Nur ein Teil dieses Weges endet bei J. L. David. fi 
oft der Zeitmoment iiStörungii. Unterbrechung vc 
schehen ist (Toter Marat 1793. Raub der Sabiner 
1800)". oder bei tiefer deutenden Werken von Goy 
schon in derZaldivia-Maragolo-Serie nach 1B06(C 
go). den Desastres. besonders In der nErschießur 
Aufständischenu. 1814. auch dem Ölberg-Christu 
1819. gesteigertes Dasein ek-statisch. ein ruckt 
Aus-sich-heraus-Tretenwird. Das 17. Jahrhundert 
die Zeitlichkeit eines Geschehens. aber auch von 
ren und von Dingen überhaupt umfassender 
als kontinuierlichen Wandel wirkend in der gese 
Substanz (dem Fort-währenden) des dargest 
Daseins? Frühere Autoren haben. bei rein visi 
Zeitdarstellung. schon ähnliches behandelt; hier 
es. trennend und verbindend. im Zusammenhan 
dem literalen Symbolsinn in seiner Durcharbei 
z. T. auch in seiner Verschiebung. immer als ansi 
liche Konkretisierung gezeigt werden.
	        
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