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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVIII (1973 / Heft 130 und 131)

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fremden Vorlagen zeugen, stellen den Höhe- 
punkt dieser Entwicklungsstufe dar, der Profes- 
sor Dr. Helmut Börsch-Supan eine Fülle von 
graphischen Vorlageblättern und Ausschneide- 
bögen gegenüberstellte. 
Ein wesentlich früheres Bindeglied als Porzel- 
lane und Lacke stellt der Seidenhandel zwischen 
dem Fernen Osten und Europa dar, der sich 
bereits bis in die letzten vorchristlichen Jahr- 
hunderte zurückverfolgen läßt. Rolf Bothe hat es 
in seinem Beitrag „Einfluß Chinas auf europäi- 
sche Textilien und Tapeten" unternommen, die 
ganze Spannweite der Beeinflussung aufzuzei- 
gen. 
Die „ostindischen Zeugdrucke" beherrschten 
vom 17. bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts 
den europäischen Markt dermaßen, daß man in 
Europa zeitweilig den Import von „lndien-Chintz" 
zugunsten der eigenen Webereien verbot. Sogar 
die Nachahmung dieser „lndiennes" wurde 
schließlich in Europa untersagt. Nicht aufzuhal- 
ten dagegen war der exotische Einfluß bei 
der europäischen Seidenherstellung. Diese un- 
ter dem Begriff „bizarre Seiden" zusammenge- 
faßten Stoffe, die zwischen 1695 und 1715 wohl 
hauptsächlich in Lyon entstanden, stellen eine 
Vermischung aus exotischen stilisierten Pflanzen 
und abstrakten Formen dar, die einen mehr in- 
dischen als chinesischen Einfluß erkennen lassen. 
Naturalistische Blumenmotive kennzeichnen die 
Entwicklung auf dem europäischen Stoffmarkt 
der dreißiger und vierziger Jahre des 1B. Jahr- 
hunderts, die sich gelegentlich mit chinoisen Ar- 
chitekturmotiven und figürlichen Szenen vermi- 
schen. Maßgebliche Anregungen für diese Chi- 
noiserie vermittelten die Stichvorlagen des Peter 
Schenk iun. und das „Livre des Dessins Chinois" 
des Antoine Fraisse. Die Übernahme der Ro- 
caille in Zusammenhang mit chinoisen Motiven 
im Sinne der Pariser Ornamentstecher Mondon, 
Bellay und Peyrotte hat in der Weberei keinen 
großen Niederschlag gefunden. Völlig neue Ent- 
faltungsmöglichkeiten ergaben sich durch tech- 
nische Verbesserungen auf dem Gebiet des 
europäischen Zeugdrucks, der in England und 
Frankreich in der zweiten Hälfte des 18. Jahr- 
hunderts seine Blütezeit erlebte und dessen un- 
komplizierte Technik nun eine beträchtliche Aus- 
weitung chinoiser Muster mit sich brachte. 
Bei den großformatigen Tapeten, die vor allem 
im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts maßgeb- 
lich den Eindruck chinoiser Raumdekoration be- 
stimmten, zeigt sich ein stärkerer Trend zum chi- 
nesischen Original, eine Tendenz, die dem er- 
wochenden, mehr wissenschaftlich-geographi- 
schen und kulturgeschichtlichen Interesse an 
China entspricht. 
Der Chinoiserie der Vorlagenornamentik des 17. 
und 1B. Jahrhunderts hat Thilo Eggeling einen 
eingehenden Beitrag gewidmet, der sich aller- 
dings auf die französischen und deutschen Or- 
namentstecher beschränkt. Am Beginn dieser Ent- 
wicklung findet man in Europa vielfach eine ob- 
lehnende Haltung gegenüber der chinesischen 
Ornamentik, die, wie Pater Lecomte schreibt, 
„unvollkommene Muster" und fehlende Propor- 
tionen aufweist. Stalker beschränkt sich in sei- 
nem „A Treatise of Japanning and Varnishing"- 
Vorlagenbuch im wesentlichen auf figürliche Sze- 
nen und Blumendarstellungen. Jean Berain und 
nach ihm auch Paul Decker begnügen sich bei 
ihrer Chinoiserie mit wenigen Chinesenfiguren 
und lassen die Ornamentik frei von fernöstli- 
chem Formengut, eine gravierende Einschrän- 
kung, die Allgemeingültigkeit besaß. Neue 
Aspekte sollten die wenigen Chinoiseriebeispiele 
in dem ornamentalen Stichwerk Antoine Watt- 
eous liefern. China erscheint hier als eine Traum- 
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umsponnen ist von einem feingliedrigen Orna- 
mentgerüst, eine Konzeption, die allerdings in 
der Groteskenornamentik bereits vorbereitet er- 
scheint. 
Die phantastische Chinoiserie des Rokoko, die 
sich ebenfalls zuerst in Frankreich entwickelt, 
entzieht sich weitgehend einer Wertung Chinas. 
Für sie besteht der eigentliche Reiz am Fernöst- 
lichen im geistreichen und artistischen Spiel mit 
dern Exotischen. Neben Jean Mondon war es 
vor allern Alexis Peyrotte mit seinen Entwürfen, 
der die Rokoko-Chinoiserie zur vollen Entfal- 
tung brachte. Den größten Bestand an derarti- 
gen Serien lieferte Jean Pillement. Ornament 
und Figürliches verschmelzen im Rokoko zu 
einer Einheit und gewinnen eine eminente Be- 
deutung für den gesamten Bereich des Kunst- 
handwerks und speziell der lnnenraumdekora- 
tion, die ebenfalls von T. Eggeling bearbeitet 
wurde. 
„Die Chinamode in der Malerei des 17. und 
18. Jahrhunderts" hat Professor Dr. Helmut 
Börsch-Supan seinen Beitrag überschrieben, eine 
Kunstgattung, die sich am wenigsten dem Ein- 
fluß der fernöstlichen Vorbilder öffnete. Der 
Hauptgrund für das geringe Interesse an der 
chinesischen Malerei liegt in dem grundlegen- 
den Unterschied der Bildauffassung. Die der 
ostasiatischen Malerei fehlenden Proportions- 
gesetze, der Verzicht auf ein Rahmengefüge, 
das durch die Grenzenlosigkeit in der chinesi- 
schen und japanischen Malerei aufgehoben er- 
scheint, bilden die Hauptgegensätze zur eura- 
päischen Auffassung. Als Quellen für die ost- 
asiatische Malerei haben den Europäern die bild- 
lichen Darstellungen im ostasiatischen Kunst- 
handwerk gedient sowie die illustrierten Be- 
richte des Jan Nieuhoff über die erste hollän- 
dische Gesandtschaft am chinesischen Kaiserhof 
und der Gesandtschaftsbericht des Olfert Dop- 
pert, die neben Kirchners „China illustrata" und 
Montanus' „Denkwürdige Gesandtschaften an 
den Keyser zu Japan" zu den meistverbreite- 
ten und kopierten Vorlagen bis ins 19. Jahrhun- 
dert zählten. 
Die ausgesprochene Vorliebe Friedrichs des Gro- 
ßen für die französische Malerei, die noch heute 
mit glänzenden Beispielen im Charlottenburger 
Schloß belegt werden kann, hat Börsch-Supan 
veranlaßt, speziell die Rolle von Watteau und 
Boucher auf dem Gebiet der diinoisen Malerei 
näher zu untersuchen. Er sieht gerade bei Watt- 
eau, dessen chinoise Hauptwerke - „Empereur 
chinois", „Divinite chinoise" und die Dekoratio- 
nen von Schloß Muette, die leider alle nur in 
Reproduktionen überliefert sind - eine „äußerst 
gedankliche Vertiefung", die China zu einem 
traumhaften Arkadien macht, das allerdings 
nicht ohne vielschichtige Rückbezüge auf Europa 
gesehen werden kann. 
Boucher dagegen, Gipfelpunkt der chinoisen 
Malerei im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts, 
ersetzte diese subtile Vielschichtigkeit durch Raf- 
tinement, das bei aller geistvollen Inszenierung 
doch viel dekorative Oberflächlichkeit zeigt. 
Eine ebenfalls mehr unterhaltende als vertiefende 
Wirkung bescheinigten Dr. Dietrich Gronau und 
Dr. Johannes Sembritzki in ihrem Beitrag „Die 
Chinamode auf der Bühne" der Chinoiserie in 
Theater, Oper und Ballett. Sie erreichte mit ihren 
chinaexotischen Stücken und ihren phantasievol- 
len Ausstattungen ihren Höhepunkt erst in der 
zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, zu einer 
Zeit, da sich durch den Einfluß der philosophi- 
schen Aufklärung das China-Bild bereits wie- 
der ins Groteske und Lächerliche verzerrt. 
In dem wichtigen Kapitel „Landschaftsgarten 
und Chinoiserie" verquickte Frau Dr. Eva Bärsch- 
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ten, die sich vom späten 17. bis zum späten 
18. Jahrhundert in imponierenden Beispielen be- 
legen läßt, mit dem weit schwerer faßbaren 
chinoisen Einfluß auf die Struktur der Gärten. 
Den Ausklang der Ausstellung bildete ein Ex- 
kurs über die relativ geringfügigen Auswirkun- 
gen des europäischen Einflusses auf China, das 
auf Grund seiner traditionsbewußten Haltung 
weitgehend fremdem Einfluß versdilossen blieb. 
Der seit dem 17. und vor allem dann im 18. 
Jahrhundert zu beobachtende Trend der Chine- 
sen, ihre Porzellanexporterzeugnisse den Wün- 
schen der europäischen Handelsgesellschaften 
mehr und mehr anzupassen, bedeutet keine Re- 
verenz vor dem europäischen Geschmack, auch 
wenn man eigenes, gestalterisches Empfinden 
fast völlig verleugnet, sondern entspringt allein 
nüchternen wirtschaftlichen Erwägungen, die um 
ieden Preis verhindern sollen, den wichtigen 
Absatzmarkt für Porzellane an die europäischen 
Manufakturen zu verlieren. Daß es hierbei zu 
hächst reizvollen und z. T. recht originellen 
Porzellanausformungen und -dekoren gekommen 
ist, von denen die Ausstellung einen repräsenta- 
tiven Querschnitt vermittelte, steht außer Frage. 
Wie weit dieses Geschäftsinteresse der Chine- 
sen ging, wird besonders kraß an chinesischen 
Dekoren sichtbar, die, in Holland von holländi- 
schen „Designern" entworfen, den Asiaten als 
Vorbild für europäische Exportservice aufok- 
troyiert wurden. 
Mit großer Wahrscheinlichkeit auf europäische 
Anregung läßt sich die Technik des Emaillierens 
auf Kupfer zurückführen, wie sie sich in dem 
sogenannten Kanton-Email manifestiert, das sich 
seit ca. 1720 nachweisen läßt. Ansätze für eine 
eigentliche Europäerie finden sich jedoch haupt- 
sächlich erst in der Spätzeit des 18. Jahrhunderts 
unter Kaiser Ch'ien-lung. Auch hier sind es wie- 
der die Beziehungen der Jesuiten zum chinesi- 
schen Kaiserhaus, die diese europäische Ein- 
flußnahme erst ermöglichten. Zu ihren wichtig- 
sten Vertretern zählt der Jesuitenmaler Giuseppe 
Castiglione, der es verstand, bei weitgehender 
Anpassung an die chinesische Maltraditian die 
mehr plastische und perspektivisch präzise euro- 
päische Malweise in China hoffähig zu machen. 
Auf einen unbekannten Schüler Costigliones geht 
auch das wohl eindrucksvollste Europäeriedo- 
kument dieser Ausstellung, die komplette Serie 
von 20 Ansichten der „Hsi Yang Lou", zurück, 
einer Palastanlage in den kaiserlichen Gärten 
nordwestlich von Peking, die der Jesuit P. Michael 
Benoist, ein Mathematiker, der mit hydraulischen 
Anlagen vertraut war, entworfen hatte. Aller- 
dings steht auch bei dieser phantasievollen An- 
lage, die bereits zu Lebzeiten Ch'ien-lungs in 
Verfall geriet, primär die Bewunderung vor den 
technischen Meisterleistungen, denen man in 
China nichts Vergleichbares entgegenzustellen 
hatte, die Faszination, die von der europäischen 
Wasserbaukunst ausging. Die europäisierende 
Architektur dieser phantasievollen Gartenpavil- 
lons ist daher eher als eine effektvolle Kulisse 
für die Fontänen und Wasserkünste des fran- 
zösischen Jesuiten anzusehen. Das Ganze er- 
weist sich als ein Kuriosum, das in China ohne 
Nachhall bleiben sollte. 
14 Flilchtender Dzungare. Darstellung aus Kämpfen 
egen die Westmangalen (1759). Detail einer 
äuerrolle. Tusche und Farben auf Papier. 
Giuseppe Castiglione SJ (1689-1768). Berlin, 
Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Mu- 
seum für Ostasiatische Kunst 
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