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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVIII (1973 / Heft 130 und 131)

am Stück konstatierte Befund entspricht über- 
raschenderweise in ieder Hinsicht dem Erhal- 
tungszustand einer Holzplastik, die, worauf be- 
reits hingewiesen wurde, über Jahrzehnte hin- 
durch im Freien auf einer offenbar öfters feucht 
werdenden Basis aufgestellt war. Darnach ist, 
was nicht verwundert, die einst dem Brunnen- 
rohr abgewendete Rückseite bedeutend besser 
als die Vorderseite erhalten. Über viele Jahre, 
ia über Jahrzehnte konnte von dem ständig von 
Wasser umgebenen Brunnenstock über den fla- 
chen Sackel der Holzskulptur Feuchtigkeit in ihr 
nicht isoliertes Innere, d. h. in den nicht ausge- 
höhlten Kern der Statue emporsteigen, so daß 
sich dort - eine überaus seltene Verwitterungs- 
erscheinung - an einigen Stellen das teilweise 
schimmlig gewordene Eichenholz mit der Zeit zu 
einer bröckeligen, torfartigen Masse verwan- 
delte. Diese Art von Verwitterung beruht auf 
dem physikalischen Gesetz der Kapillaraszen- 
sion. Äußerlich macht sich das durch eine auch 
auf der Abbildung sichtbare Sprungbildung be- 
merkbar, die bis in die Höhe der linken Hüfte 
der Figur reicht, von einer partiellen Vermor- 
schung auf der Unterseite des Sockels abgese- 
hen. Sie hat es bewirkt, daß inzwischen der rech- 
te Vorderfuß ergänzt werden mußte. Geringe 
Reste einer inzwischen fast verschwundenen ori- 
ginalen Olvergoldung über leicht grünlich- 
grauem Bolus sind unzweifelhaft mit dem ur- 
kundlich erwähnten „Guetten Gold" identisch, 
das der Faßmaler Anton Zöchenberger in seiner 
Rechnung vom 3. Juli 1751 ausdrücklich genannt 
hat (Kämmerei-Akt 31248; München, Stadt- 
archiv). Von dem „Genio", der laut J. K. v. 
Lippert einst zu dieser Statue gehörte, hat sich 
iedoch keine Spur erhalten. Man kann nur ver- 
muten, daß der kleine „Genius" in Gestalt einer 
geflügelten (?) Kinderfigur einst an der Sockel- 
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zone angebracht war. Von diesem Sockel spricht 
Anton Zächenberger als van einer „Saulen", die 
er „Marmorieret" habe. 
Apollo ist hier als Kitharöde dargestellt, wie er, 
den Kopf nach halbrechts drehend, mit noch 
oben gewandtem Blick, gleichsam höherer Ein- 
gebung lauscht und sie in Musik umsetzt. Diese 
Töne entlockt er der Lyra, seinem persönlichen 
Attribut. Der als Podest für die Lyra dienende 
Dreifuß, der sich zur Linken des Gottes befindet, 
ist von einer bemerkenswert antikisierenden 
Form. Dadurch, daß sich die Figur leicht an ihn 
anlehnt, ist der Dreifuß ein wichtiger Bestandteil 
der Gesamtkomposition, die damit eine stärkere 
Vertikalisierung erhält. Auf allen drei Seiten 
ist der Dreifuß mit dem Schädel eines Lammes 
dekoriert, wohl in Allusion darauf, daß vor 
allem im alten Peloponnes Apollo als Gott der 
Herden sowie der Weideplätze verehrt wurde. 
Symbol des apollinischen Orakelkultes ist der 
Dreifuß. Er bezieht sich darauf, daß Apollo nach 
der Erlegung des Python vom Erdorokel Pythia 
Besitz ergriff, wobei die sich um den Dreifuß 
windende Schlange als das Bild der besiegten 
Pythonschlange anzusehen ist. Daraus leitet sich 
der Beiname Apollos als „Pythios" ab. Von 
vorn nicht sichtbar, trägt der Gott schräg über 
seiner linken Schulter einen mit Pfeilen gefüllten 
Köcher. Er zählt ebenfalls zu seinen persönlichen 
Attributen. Die ganze Länge der Figur beträgt 
7V2 Kopfmaße. Abgesehen von dem inspiratori- 
schen Ausdruck des Gesichts entspricht der dem 
Körperbau zugrunde liegende, „klassisch" kunst- 
volle Kontrapost kaum den landläufigen Vor- 
stellungen, die man sonst mit dem Stil einer in- 
mitten des Rokoko entstandenen Plastik verbin- 
det. Tatsächlich geht die Komposition der Apollo- 
figur in nur geringfügiger Abwandlung auf den 
mehrfach überlieferten Typus antiker Plastiken 

	        
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