MAK

Volltext: Alte und Moderne Kunst XVIII (1973 / Heft 130 und 131)

Hans Koepf 
Ein bedeutender 
spätgotischer Baukomplex 
in der Salzburger Altstadt - 
Vorschläge für eine 
Erneuerung 
Einem flüchtigen Besucher Salzburgs füllt zu- 
nächst der Baukomplex Residenzplatz 2, Alter 
Markt B, Brodgasse 13 trotz seiner städtebaulich 
markanten Stellung an der Grenze zwischen 
Altem Markt und Residenzplatz - also an der 
Nahtstelle zwischen Bürger- und Bischofsstadt - 
nicht besonders auf. Kommt man von dem ge- 
schlossenen Platzraum des Alten Marktes zum 
weiträumigen Residenzplatz, so fesselt zunächst 
der Blick auf den Turm des Neugebäudes mit 
dem Glockenspiel, die Seitenansicht des Domes, 
Residenz und Residenzbrunnen den Betrachter. 
Erst wenn man genauer hinsieht, bemerkt man 
unmittelbar gegenüber der Residenz ein äußerst 
markantes Bürgerhaus mit einem pointiert nach 
Süden weisenden Vorbau, dessen Fenster reich 
profiliert und mit zahlreichen kleinen Wappen- 
schilden geschmückt sind. Die übrigen Fassaden 
gegen Residenzplatz, Alten Markt und Brod- 
gasse zeigen ähnlich überstabte Fenster mit Vor- 
hangbogen in heute sehr willkürlicher Anord- 
nung, so daß man sofort vermutet, daß dies 
ursprünglich nicht so gewesen sein kann. Aus 
diesem Grunde soll durch eine genaue Analyse 
die besondere Stellung dieses Hauses, das einst 
sehr sinnfällig „das Haus gegen den Hof über" 
hieß, im Stadtgefüge untersucht werden. 
LAGE IM STADTORGANISMUS 
Die städtebauliche Struktur Salzburgs ist in ge- 
wisser Hinsicht unikal. Dem breiten Gürtel der 
geistlichen Besitzungen mit dem Stift St. Peter, 
Dorn und Bischofshof stand der schmale Band- 
wurm der Straßenachse Getreidegasse-Juden- 
gasse-Pfeiffergasse mit den enggereihten Par- 
zellen der Bürgerhäuser gegenüber. Erst das 
Wirken (vielleicht auch das Wüten) des Erz- 
bischofs Wolf Dietrich von Raitenau hat um 
1600 diese Struktur im Bereiche des (heutigen) 
Mozartplatzes brutal unterbrochen, wohl um 
seinen neuen Dom in Nord-Süd-Richtung zur 
Salzach hin drehen zu können. Nach der Ge- 
fangensetzung dieses Kirchenfürsten und seinem 
relativ frühen Tod als Häftling auf seiner eige- 
nen Feste Hohensalzburg war dieser Traum aus- 
geträumt. Andererseits waren aber durch Wolf 
Dietrich die Weichen für die Zukunft Salzburgs 
gestellt. Der alte romanische Dom war im 
Dachbereich 1598 durch einen Brand beschädigt 
worden. Unsachgemäße und halbherzige Auf- 
bauversuche - im Zeitalter des beginnenden 
Barock und unter der Regierung eines derarti- 
gen Kirchenfürsten fast ein Anachronismus - 
scheiterten an einem, wenn vielleicht auch nicht 
beabsichtigten, aber dennoch nicht unwillkom- 
menen „Einsturz" der neuen Bauteile. Mit gan- 
zem Herzen begann deshalb Wolf Dietrich das 
alte Gemäuer durch Pulver in die Luft zu spren- 
gen, was nicht ahne Schaden abging, da Stein- 
blöcke wie Proiektile in die Bürgerstadt flogen 
und dort zahlreiche Opfer forderten, weshalb sich 
bald Unruhe und Murren unter den Untertanen 
bemerkbar machten. 
Auch der Bischofshof (oder wie man damals 
sagte: die „Porte") verschwand mit dem alten 
Dom. Diese Alte Residenz hatte ihre Schoufront 
gegen die Stadt und den Alten Markt, war also 
in ihren wichtigsten Teilen genau auf die hier zu 
behandelnde Baugruppe gerichtet, die damals 
allerdings nicht allein stand, sondern noch von 
einem weiteren Haus flankiert war, das in Ver- 
längerung der östlichen Zeile der Bebauung des 
Alten Marktes stand und 1608 durch Wolf Diet- 
rich demoliert wurde. 
Die Westfassade der Baugruppe war also zur 
Gänze auf die damals noch weiter nach Süden 
vorstoßende Brodgasse zu gerichtet. Das de- 
molierte Haus hatte wohl ebenfalls einen bedeu- 
tenden künstlerischen Stellenrang, da es nicht 
einfach abgebrodien, sondern von Wolf Dietrich 
dem Maximilian Steinhauser geschenkt wurde. 
Dieser hat dann „das Stainwerch sambt den 
eisern Gütern und Tafelwerk... hinüber zu der 
Linden in der Pergstraßen zu sein Haus... füh- 
ren Iassen." (Heute ist auch dieses Haus in der 
Nähe des Mirabell-Schlosses längst verschwun- 
den!) Die Tatsache aber, doß ausdrücklich das 
„Stainwerch" aufgeführt ist, beweist zur Genüge, 
daß hier differenziertere Steinmetzarbeiten - 
wohl Tür- und Fenstergewände - wiederVerwen- 
dung fanden. 
BESITZER UND BEWOHNER 
1391 gehörte die Baugruppe der Familie Krapff, 
die lange Zeit die Hofböcker stellte. Zu Beginn 
des 15. Jahrhunderts sind hier ein „hoffpeckh" 
Ortwein Krapff, 1477 „Wilhelm und Jeronymus 
(Iranimus) Krapfen" erwähnt. Dann folgen als 
Besitzer 1483 Cunz Castner (Tüchler), 1491 Eras- 
mus und 1507 Wolfgang Püchler („Gwölbherr"). 
1512 vereinte Wolfgang Püchler sowohl die Ob- 
iekte Brodgasse 13 und Residenzplatz 2 - Alter 
Markt 8, die zuvor schon verschiedenen Mitglie- 
dern der „Krapffen" gehört hatten, in einer 
Hand. In die Zeit nach 1512 muß nach dem stili- 
stischen Befund der Neubau des Gesamtkom- 
plexes - wohl unter teilweiser Einbeziehung 
älterer Bauteile („Gwölb") in den beiden unteren 
Stockwerken - fallen. 
1542 scheint als Besitzer des Gesomtkomplexes 
der fürstliche „Cammermeister" Onophrius 
(Onufrius, Omfrius) Many (Many), dem auch 
noch die gegenüberliegende Hofapotheke (Alter 
Markt 7) gehörte, auf. 1567 ist eine Frau von 
Silberberg (Silberberger), Tochter des Mani, de- 
ren Tochter dann den Freiherrn Dietrich von 
Kuen-Belasy (Khuem), „Pfleger von Radstadt", 
aus der Familie des Fürstbischafs heiratete. 1595 
ist die Baugruppe „Fürstliche Kammer", 1628 im 
Besitz der Lasser („Lasserische Behausung"), de- 
nen bekanntlich ia auch das 1608 von Wolf Diet- 
rich abgebrochene Nebenhaus am Alten Markt 
gehört hatte. 
Die späteren Besitzverhältnisse sind für unsere 
Untersuchung weniger interessant. Durch dau- 
ernde Erbteilung scheint auch eine soziale De- 
klassierung eingetreten zu sein, doch ist nicht 
ganz uninteressant, daß hier bedeutende Künst- 
ler, wie der Goldschmied Ferdinand Sigmund 
Amende, Schöpfer der kostbaren Dommon- 
stranz, der Maler Johann Michael Rottmayer 
(Freskogemälde in der Residenz) sowie Martin 
Allegro („Hofmusikus") und der „hachfürstliche 
Capellmeister" und Komponist Mathias Sieg- 
mund Biechteler, wohnten. 
Aufschlußreich ist auch die Tatsache, daß in den 
unmittelbar anschließenden Nebenhäusern Resi- 
denzplatz 3 und 4 („St. Johanns Capellen zu 
Hof") ebenfalls wichtige Hofchargen der Fürst- 
bischöfe, wie Christian der Zergardner, Auf- 
seher des fürstl. Speisegewölbes und Rech- 
nungsführer, Kammerdiener Jaufschiez, „KuchI- 
meister" Hanns Ergoff und Ludwig von Straia- 
vacco, „Erster Rat und Kommerherr", wohnten. 
Es dürfte also erwiesen sein, doß in diesem Be- 
reich unmittelbar gegenüber der Hauptfassode 
des ehemaligen Bischofshofes die wichtigsten 
Hofchargen und Künstler wohnten, wobei eine 
Verdichtung in dem hier näher zu betrachtenden 
Baukomplex unschwer festzustellen ist, der ge- 
rade im 16. Jahrhundert noch adelige Verwandte 
des Erzbischofs beherbergte und Hofkammer 
war. Eine Untersuchung der Viten des Wolfgang 
Füchler und des Onophrius (mit dem etwas selt- 
samen Familiennnamen) Mani könnte vielleicht 
diese Zusammenhänge noch mehr aufhellen. 
BAUANALYSE 
Der zur Diskussion stehende Baublock hat im 
Laufe der Zeiten zahlreiche Umgestaltungen er- 
fahren, wie dies eigentlich ganz natürlich ist. 
Sein einstiges Aussehen ist aus alten Stadtansich- 
ten, die den Bestand mehr summarisch wieder- 
geben, nicht zu erschließen. Eine kolorierte 
Handzeichnung aus dem Jahr 1553 im Stift St. 
Peter zeigt im Kern der gesamten Bebauung 
zwischen Brod- und Goldgasse einen großen 
Hof, was aber auf eine Ungenauigkeit des 
Zeichners zurückzuführen ist, der auch sonst die 
damals schon viel kleinteiligeren Parzellengren- 
zen nicht beachtete. 
Leider zeigt auch ein Holzschnitt aus dem Jahr 
1565 (ehemals im Stift St. Peter, heute im Ori- 
ginal nicht mehr auffindbar), der die Details 
wesentlich genauer widerspiegelt, die nach Sü- 
den und Westen gerichteten Fassaden nicht, da 
die Stadt vom Kapuzinerberg aus gezeichnet 
wurde. 
Eine Zeichnung „Marktplatz zu Salzburg" aus 
dem frühen I9. Jahrhundert' zeigt das Eckhaus 
zwischen Altem Markt und Residenzplatz mit 
rahmenden barocken Fensterstukkaturen. Im er- 
sten Obergeschoß ist dort unmittelbar an der 
Ecke gegenüber der Residenz ein (heute ver- 
mauertes) mit einem schmiedeeisernen Fenster- 
korb versehenes Fenster zwischen zwei Fresken 
zu sehen. Im vierten Obergeschoß scheint zwi- 
schen den Fenstern das Fresko einer Sonnenuhr 
auf. 
Auf einer Fotografie vom Ende des 19. Jahrhun- 
dertsf sieht man im 1. und 2. Obergeschoß 
sehr nüchterne horizontale Fensterverdachun- 
gen, im 3. und 4. Stock Putzfaschen als Fenster- 
rahmung. Das Erdgeschaß wird in ganzer Länge 
von dem (leider heute nach bestehenden!) häß- 
Iichen hölzernen Ladeneinbou verunstaltet, der 
als Glaskasten keine Beziehung zu der immer 
noch sehr monumental wirkenden Fassade hat 
und zudem noch einen halben Meter auf den 
öffentlichen Grund ausgreift. Beim Nebenhaus 
Brodgasse I3 ist auf diesem Foto nur die rechte 
Hälfte zu erkennen, doch kann nach Lage der 
Dinge die linke Hälfte ähnlich ergänzt werden. 
Das Erdgeschoß ist hier noch ungestört, die Fen- 
ster werden in allen vier Geschossen durch ge- 
rade Fensterverdochungen abgeschlossen, dar- 
über sieht man noch die durch Läden verschlos- 
senen Blendfenster vor den damals naoh vor- 
handenen Grabendächern. Eine kolorierte Zeich- 
nung aus den ersten Jahren des 20. Jahrhun- 
derts" zeigt im Erdgeschoß des Hauses Brod- 
gasse 13 bereits rechts einen Ladeneinbou, das 
Eckhaus hat nun auch im 3. Obergeschoß (West- 
seite) gerade Fensterverdochungen. Kurz nach 
1900 haben beide Häuser ihre alten Graben- 
döcher eingebüßt und Satteldächer erhalten, wo- 
bei man beim Haus Brodgasse 13 anstelle der 
Blendfenster kleine, in den Dachraum führende 
Ovalfenster anbrachte, wie das einer alten 
Salzburger Tradition entsprach, während das 
Eckhaus (wohl schon früher) ein breites Ab- 
schlußgesimsband bekam. 
Die Bauakten des Dachumbous' wurden aus- 
gehoben, ergaben aber nichts Wesentliches, weil 
der Altbestand nicht eingezeichnet war. Da- 
gegen ergaben die Umbaupläne der Ladenein- 
(Anmerkungen 1-4 s. S. 46) 
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