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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVIII (1973 / Heft 130 und 131)

den, was besonders beim Haus Brodgasse 13 
wahrscheinlich ist. Hier legte Franz Wagner die 
urtümlichen und sicher auch ursprünglichen Fen- 
ster aus Konglomeratstein frei und verzierte 
diese wieder in künstlerischer Freiheit mit fein 
abgestimmten Stuckrahmen, was ein Denkmal- 
pfleger wohl kaum gutheißen kann, was aber 
andererseits auch wieder beweist, daß Denkmal- 
pflege nicht allein nach abstrakten Kriterien, 
sondern auch mit Einfühlungsvermögen in iedes 
Obiekt betrieben werden sollte. Auf ieden Fall 
ist dieses Detail gelungen, was immer das erste 
und letzte Kriterium sein sollte. 
Ohne Zweifel ist das 4. Obergeschoß (wohl 
Mitte des 18. Jahrhunderts) aufgestockt worden. 
Dies liegt ganz im Rahmen der allgemeinen 
„Höherzonung", die aus der drei- und vierge- 
schossigen mittelalterlichen Stadt später eine 
fünf- bis sechsgeschossige gemacht hat. Wollte 
man heute diese Aufstockung bei dem gegen- 
ständlichen Obiekt wieder korrigieren, d. h. die 
Höhe „zurückstufen", so wäre dies nicht nur 
anachronistisch, sondern städtebaulich sinnlos. 
Die Bauanalyse ergab also, daß von den 48 
(heute 47) einstigen Fenstern des Baukamplexes 
19 die bereits durch Franz Wagner freigelegte 
reiche spätgotische Ausbildung zeigen. Bei elf 
Fenstern ist eine ähnliche Gestaltung mit an 
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzu- 
nehmen, bei sieben weiteren immerhin ziemlich 
wahrscheinlich. Elf Fenster haben (wie die sechs 
Fenster im 1. Stock des Hauses Brodgasse 13) 
andere oder mit Sicherheit oder Wahrscheinlich- 
keit nicht mehr bestimmbare Gewände. (Die 16 
Fenster des aufgestockten 4. Obergeschosses 
scheiden bei dieser Untersuchung natürlich aus!) 
Bei der Bauanalyse kann ein interessantes De- 
tail nicht ganz unberücksichtigt bleiben: Die 
zahlreichen Wappenschilde an den freigelegten 
Fenstern. Daß es sich hier nicht um rein dekora- 
tives Beiwerk handelt, zeigt die sehr überlegte 
Anordnung der Schilde. Der Wappenschmuck 
konzentriert sich auffallend auf die sieben Fen- 
ster des Vorbaus, unmittelbar gegenüber der da- 
mals nach bestehenden Hauptfassade der mit- 
telalterlichen Bischofsresidenz. Von den drei Fen- 
stern des 1. Stocks dieses Vorbaus trägt nur das 
mittlere ein Wappen, von den ie zwei Fenstern 
der darüberliegenden Geschosse iedes Fenster 
ie zwei Wappen. An der Schmalseite des Vor- 
baus sind nach zwei weitere Wappen zu finden, 
insgesamt also ein Grundwappen und 14 weitere 
Wappen - heraldisch eine interessante Zahl. 
An den freigelegten Fenstern des Eckhauses sind 
sonst nur noch zwei Wappen in einer Anordnung 
zu finden, die natürlich keinen Aufschluß zuläßt, 
da die meisten gotischen Fenster hier nach unter 
Putz liegen. Auffallend ist aber wieder die Fest- 
stellung, daß bei den vier freigelegten Fenstern 
des Nebenhauses kein einziges Wappen vor- 
kommt. Da aber gerade hier das dominierende 
Mittelfenster des 2. Stockes und dazu noch eine 
ganze Dreierigruppe freigelegt ist, kann man 
annehmen, doß dieses Haus ursprünglich wohl 
gar keine Wappenschilde hatte. Leider besitzt 
nur ein Fenster an der Seitenfront des Vorbaus 
ein plastisch ausgeführtes (bis heute nicht identi- 
fiziertes!) Wappen, die übrigen Schilde waren 
früher wohl nur bemalt. Farbspuren sind nicht 
vorhanden, was bei der Vorgeschichte auch 
nicht wundernimmt. 
PROBLEME DER ERNEUERUNG 
Während die Geschichte und die Untersuchung 
der Baustruktur dieses Baukomplexes uns heute 
keine unlösbaren Probleme mehr aufgeben, ist 
die Frage der Erneuerung dieses historisch be- 
deutsamsten und durch seine städtebauliche 
Funktion besonders stark pointierten Salzburger 
48 
Bürgerhauses neuerdings in den Widerstreit der 
Meinungen geraten. Die Kontroverse - teilweise 
von der Presse in bester Absicht etwas hochge- 
spielt - gehen in ganz entscheidenden Punkten 
offensichtlich auf Mißverständnisse zurück. 
Bei einer Analyse der zahlreichen Bauaufnah- 
men der Salzburger Altstadthäuser, die das In- 
stitut für Baukunst und Bauaufnahmen der Tech- 
nischen Hochschule Wien seit Jahren in enger 
Zusammenarbeit mit dem Salzburger Magistrat 
(Senatsrat Exner) durchführt, fiel dem Verfasser 
dieser Baukomplex wegen seiner absoluten Son- 
derstellung auf. Bei einer Ausstellung der Be- 
standsaufnahmen im Salzburger Kongreßhaus 
(Oktober 1972) zeigte das Institut einen Er- 
neuerungsvorschlag nebst Bauanalyse. Anläßlich 
der Ausstellungseröffnung kam es im Beisein 
von Herrn Vizebürgermeister Dr. Kläring, von 
Mitgliedern des Stadtsenates, des Gemeindera- 
tes, der Landesbaudirektion, des Landeskonser- 
vators und zahlreicher interessierter Architekten 
und Hausbesitzer zu einer längeren Diskussion 
über dieses Problem. 
Die Problematik der Erneuerung dieses Hauses 
ist nicht neu, klingt sie doch schon bereits 1921 
in dem oben erwähnten Artikel von Herrn Dr. 
Martin auf - dort allerdings in einem völlig 
anderen Zusammenhang. 
Am 6. August 1962 wurde das Obiekt durch 
einen „Spruch" des Bundesdenkmalamtes unter 
Denkmalschutz gestellt. In dem „Bescheid" steht 
der entscheidende Satz: „Das öffentliche Inter- 
esse an der Erhaltung dieses Denkmales ist fol- 
gendermaßen begründet: Die Erhaltung dieses 
Hauses als wichtiges Beispiel der spötgotischen 
Profanarchitektur in Salzburg ist eines der wich- 
tigsten Anliegen der Salzburger Denkmal- 
pflege." 
Als 1967 das Salzburger Altstadterhaltungsge- 
setz in Kraft trat, erfolgte ein Bescheid der hier- 
für zuständigen Behörde, in dem es u. a. heißt, 
daß gerade dieses Haus wegen seiner histori- 
schen Bausubstanz, die bis ins frühe 16. Jahrhun- 
dert zurückreiche, „von besonderer Bedeutung" 
sei". Beide „Bescheide" betonen also einhellig, 
daß gerade die spätgotische Baustruktur aus 
dem frühen 16. Jahrhundert van besonderer Be- 
deutung sei. 
Nachdem aber die Diskussion über die Erneue- 
rung der Hausgruppe aufgeflammt war, stellte 
sich die „Sachverständigenkommission für die 
Altstadterhaltung in Salzburg" plötzlich ganz 
unvorhergesehen auf den Standpunkt, eine Auf- 
deckung der restlichen, heute noch unter Putz 
liegenden spätgotischen Fenster „hätte zur Folge, 
daß ein Gestaltungsergebnis erreicht wäre, wel- 
ches ienem bereits um 1930 erreichten nicht 
gleichwertig gegenüberstehen würde. Damals 
wurden die wertvollen gotischen Fensterge- 
wände freigelegt und so weit in die übrige 
Fassadengestaltung miteinbezogen, daß die 
Kompositionsgesetze aus gotischer Zeit zur Wir- 
kung gelangen konnten. Ein zusätzliches Her- 
ausarbeiten gotischer Gestaltungstendenzen wür- 
de also im gegebenen Fall zu einer Störung des 
verhältnismäßig einheitlichen Bildes des Alten 
Marktes führen, das eine architektonische Gestal- 
tung aus der Zeit des 16. und 19. Jahrhunderts 
repräsentiert. Demnach ist nach Ansicht der 
Sachverständigenkommission von einer weiteren 
Regotisierung des Obiektes durch Freilegung 
weiterer Fenstergewände aus Konglomerat Ab- 
stand zu nehmen"". 
Auf eine Bitte des Verfassers an die „Sachver- 
ständigenkommission", ihm die Publikation von 
Dr. Kai Mühlmonn über die Restaurierungen des 
Baumeisters Franz Wagner zugänglich zu ma- 
chen, übersandte diese auch noch den bereits 
oben erwähnten Artikel des Herrn Dr. F. Martin 
im Feuilleton des Salzburger Volksblattes aus 
dem Jahre 1921, in dem (am Rand dick ange- 
strichen) der Passus zu finden ist: „So sehr 
solche Funde auch im Interesse der Erweiterung 
unserer Kenntnisse vom alten Salzburg erfreulich 
wären, so steht es doch dahin, ab sie in [wohlge- 
merkt!) größerer Anzahl für das Stadtbild Salz- 
burgs förderlich wären. Unsere Stadt ist nun ein- 
mal, wie sie sich heute darstellt, eine Schöpfung 
der Barocke, der alles, wenn wir von der Fran- 
ziskanerkirche absehen, angehört. . ." 
Nun geht aber aus dem Zusammenhang ganz 
einwandfrei und klar hervor, daß Martin mit 
diesem Passus nicht die Freilegung einer „gräße- 
ren Anzahl" weiterer Fenster des gegenständ- 
lichen Obiektes, sondern („wohlgemerkt") die 
Regotisierung einer „größeren Anzahl" weiterer 
Salzburger Häuser apostrophiert, wobei wir ihm 
schon deshalb voll beipflichten möchten, da man 
mit absoluter Sicherheit kein weiteres Objekt in 
Salzburg (und in ganz Österreich!) mehr findet, 
bei dem 30 bis 40 hochinteressante spätgotische 
Fenster „in situ" erhalten geblieben sind. Viel- 
mehr nannte Dr. F. Martin die Freilegung dieser 
gotischen Fenster ein „einzigartiges Ereignis" 
und eine „überraschende Auferstehung". Ein 
noch weit größeres Mißverständnis scheint aber 
Herrn Franz Wagner unterlaufen zu sein, wenn 
er in den Salzburger Nachrichten" „Erhaltung 
oder Rekonstruktion? Bemerkungen zu Proble- 
men der Salzburger Altstadtpflege am Beispiel 
eines Bürgerhauses" schreibt: „Spricht man von 
,Rekonstruktion', dann ist folgendes zu bedenken: 
Ergänzt man alle fehlenden Gewände, dann 
müßte man auch die des vierten Stockes ,nach- 
machen'. Wäre dies geschehen, was ,erfindet' 
man dann als Verputzart und Färbelung, da 
schon 1921 keine Spuren der spätgotischen mehr 
vorhanden waren? Hätte man regotisierenden 
Verputz samt Färbelung ,gebastelt', wie hätten 
dann ,spätgotisch' das Erdgeschoß samt den 
nicht mehr vorhandenen Gewölben und die 
Dachfarm auszusehen? Und hier ist man bereits 
mitten in des Teufels Küche, hier macht man 
genau das, was man dem 19. Jahrhundert immer 
noch vorwirft: seelenloses, unkünstlerisches und 
durch nichts als persönlichen Ehrgeiz gerecht- 
fertigtes Kopieren. Endlich: Was würde ge- 
schehen, wenn der ,Regotisierungsvorschlag' von 
Koepf für die Salzburger Altstadt konsequent 
weitergedacht und weitergeführt würde?" Es 
fällt mir sehr leicht, zu diesen Fragen und Vor- 
würfen Stellung zu nehmen, da ich meine Ge- 
danken in Skizzen und Zeichnungen sowohl 
während der Ausstellung der Salzburger Alt- 
stadthäuser im Salzburger Kongreßhaus (Okto- 
ber 1972) und während der 27. Tagung der 
Koldewey-Gesellschaft in der Salzburger Univer- 
sität (Ausstellung und Referate 30. Mai bis 3. Juni 
1973) öffentlich zur Diskussion gestellt habe und 
dabei in Fachkreisen einhellige Zustimmung gefun- 
den habe. Außerdem habe ich in einem mehr- 
seitigen Artikel im Amtsblatt der Landeshaupt- 
stadt Salzburg" meine Ansichten dargestellt. 
Negative Kritik ist mir auch hier nicht bekannt 
geworden. Lediglich Herr Landesbaudirektor 
Wirkl. Hofrat Dr. Willomitzer sandte mir eine 
Stellungnahme, aus der hervorgeht, daß er die 
Angelegenheit nach der Klarstellung von Herrn 
Franz Wagner in den Salzburger Nachrichten als 
erledigt betrachte". Herr Landesbaudirektor 
Willomitzer und die Mehrheit der Sachverständi- 
genkommission identifizieren sich also mit dieser 
Stellungnahme von Herrn Wagner. 
Dazu wäre zu sagen: 
1. Es war niemals davon die Rede, die Fenster 
des vierten Stockes „nachzumachen". 
2. Ich habe niemals vorgeschlagen, einen spät-
	        
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