Charlotte Blauensteiner
Andrea Palladio
(1508-1580) - 15 Jahre
„Centro lnternazionale
d'Architettura A. Palladia"-
Ausstellung Vicenza
Ein Ereignis gab diesem Sommer in Venetien ein
besonderes Gepräge: die Palladia-Ausstellung in
Vicenza. Architektur, aus dieser Landschaft ent-
standen und sie bis heute formend, macht offen-
bar, was der so oft mißverstandene und miß-
brauchte Begriff „Stil" ursprünglich meinte. Es
ist Geist, Haltung,Denken und Tun nicht eines ein-
zelnen - obgleich es ein einzelner vollkommen
zum Ausdruck bringen konnte -, sondern der
Menschen in einer bestimmten Zeit, einer Epoche,
die damit hineirtgenommen wird in Geschichtli-
ches und Gelebtes. Anlaß der Ausstellung, die
bis Anfang November geöffnet war, ist der
fünfzehnte Jahrestag des „Centro lnternazionale
dY-Xrchitettura A. Palladia". Dieses Centro ist
nicht für ein Einzelereignis geschaffen, es be-
steht permanent, hier wird immerfort im Geiste
Palladios an seinem Werk gearbeitet, geformt,
gedeutet, und diese Vertrautheit läßt dann eine
Souveränität der Uberschau zu, die sich nach
außen klar und verständlich, selbstverständlich,
mitteilt.
Der Stab des Centra unter der Leitung von
Prof. Dr. Renato Cevese, seinem Mitarbeiter Dr.
Rigan und vielen anderen, die ihre Begeisterung
und ihre Kenntnisse beisteuerten, hat eine unge-
heure Menge Material gesichtet, geordnet und
ausgebreitet: Palladios Werk in (zum Teil als
Leihgaben vor allem aus England beschafften)
Plänen, in den für die gesamte Weiterentwick-
lung der Architektur so wichtigen Zeichnungen
und Schriften (Quattro libri); illustriert durch her-
vorragende Fotos und durch Holzmodelle (Bal-
lico, Schio), die allein für sich handwerkliche
Meisterstücke sind.
Zum vollen Verständnis ist die Vorgeschichte,
die Entwicklung bis zu jenem Punkt, als Palladia
all das in einer genialen Vision zusamrnenfaßte,
dargestellt, die Einflüsse des Altertums und sei-
ner Studien in Rom; dann Palladia und seine
Zeit, die weit über das 16. Jahrhundert hinaus
ausstrahlte, und die Fortsetzung bei seinen un-
mittelbaren Nachfolgern; und eine eigene ge-
schlossene und an sich ebenso vollkommene Aus-
stellung über lnigo Jones, die den Einfluß
Palladios am deutlichsten darstellt.
Ausstellungsort ist die Basilika, iener gotische
Bau, den Palladia auf Grund eines Wettbewer-
bes im Geiste seiner Zeit neu faßte. Der riesige,
ungemein eindrucksvolle Raum wurde mit
rostroten Teppichen ausgelegt, eine blaue Me-
tollkonstruktion trägt von der Mitte her auf-
steigende Stufen, die Tafeln, Vitrinen und Ma-
delle aufnehmen und einen Rhythmus in der
Vertikale der Halle setzen, der erst im Durch-
gehen spürbar wird. Die Architekten Franco
Albini und Franca Held haben zusammen mit
Antonio Piva einen Rahmen geschaffen, der in
durchaus modernem Geist sich dennoch dem
gezeigten Werk völlig unterordnet. und die
Halle und vor allem die großartige Holzkon-
struktion des Daches zur vollen Wirkung kom-
men läßt. Ergänzt wurde die Ausstellung durch
eine umfassende Sammlung von Literatur, durch
einige Beispiele von Details e Kapitelle e sowie
durch einige Bilder: Canaletto, die Palladio-
Phantasien in iener Landschaft von Farbe und
Licht zeigen, in die Palladia seine Villen gebaut
hat; und die „Cena di S. Gregorio Magno" von
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