Aktuelles Kunstgeschehen l Bundesländer
Salzburg
Salzburg, Kunstverein
Werner Otte und Wolfgang Zeiszner
lm Pavillon des Kunstvereines im unteren (ehemali-
gen) Zwerglgarten stellten zwei Mitglieder des
Lehrkörpers der Internationalen Sommerakademie
für bildende Kunst aus: Der Salzburger Werner
Otte ist seit Jahren Mitarbeiter Slavi Souceks in
dessen Klasse für Lithographie; der 1942 geborene
Berliner Maler war Schüler, später Assistent von
Professor Trökes und nun Mitarbeiter von Otto
Eglau in dessen Klasse für Radierung. Ottes Inter-
esse, auch in seinen neuen Acrylgemälden, gilt
starken, sich einem kalligraphischen lnformel
nähernden Abstraktionen. Zeiszner betreibt Zeit-
und Gesellschaftskritik mit dem schnadderigen,
treffenden Humor seiner Heimat in „kindlich"-
realistischer Sprache (25. 7.-26. 8. 1973).
Wander Bertoni
Bertoni, der die Bildhauerklasse der Sommerakade-
mie leitete, zeigte mit „Musica in Sculptura" im
Hof und in den Ausstellungsräurnen des Kunstver-
eins im Trakl-Haus am Waagplatz eine eindrucks-
volle Auswahl aus seinen Arbeiten seit 1949
(30. 7.-30. 8. 1973) - (Abb. 11).
Salzburg, Bankhaus Daghafer
Heinrich Hagemann
Der in Hamburg lebende Architekt und Maler
präparierte seine Malgründe immer selbst (was ia
heute gar nicht mehr so selbstverständlich ist) und
kam durch das Aufziehen grober und gröbster
Jutegewebe und deren mehrschichtiger Behandlung
mit Kunstharzdispersionen zu „Gemälde-Reliefs".
Diese erfüllen zwar die Funktion des gerahmten
Tafelbildes, entbehren aber als ehrliche, ungegen-
stündliche Arbeiten eines ieden Titels. Zwar spielt
hier viel von den Collagen der Kubisten herein,
zwar findet sich manches „obiet trouve" im Sinne
des Surrealismus, man wird aber doch diese Tafeln
als Materialbilder bezeichnen können
(25. 7.-31. 8. 1973).
Salzburg, Gesellschaft für moderne Kunst
Ursula Schuh
Die Frau des Regisseurs Oscar Fritz Schuh, seit
ihrem Studium bei Kandinsky am Bauhaus Malerin
aus Passion und Beruf, ist mit Leib und Seele dem
Theater verschrieben. Seit Rolf Liebermann es 1964
verstanden hatte, sie zu Bühnenbildentwürfen für
Strawinskys „Feuervogel" in der Hamburger
Staatsoper zu überreden, reicht der weite Bogen
der Arbeiten von Molieres „Herr aus der Provinz"
(Schwetzingen 1964) über Kafkas „Prozeß" und
Camus' „Belagerungszustand" (Schauspielhaus
Hamburg) bis zum Salzburger Straßentheater dieses
Sommers (1. 8-30. B. 1973).
Salzbur , Galerie in der Goldgasse 13
Elisabet Bauerstein-Wildbolz
Die „Phantastischen Landschaften, Sonnen und
Blüten" entstanden aus der Verbindung des sd1on
von früher bekannten Malstiles der lnnsbruckerin
mit der Verarbeitung neuer Eindrücke aus der Welt
der brasilianischen Tropen und der Karibischen
See. Die „figurativen" Darstellungen verdeutlichen
viele Auseinandersetzungen mit informellen Tenden-
zen der Malerei; Formen zerflattern in manchmal
virtuos hingesetzten Farbfetzen, Grundelemente
aus Wirbeln, Spiralen und „Rocaillen" drängen zur
Oberfläche (31. 7.-1. 9. 1973) - (Abb. 12).
Salzburg, Galerie Academia
Heinrich Heuer
Heuers Bilder bieten kaum Anlaß zu Diskussionen
über „abstrakt oder gegenständlich", die beiden
Begriffe gehen hier ineinander über und ver-
wischen sich gegenseitig. So zeigt etwa die Farb-
radierung „Registrierter Fund" eine durchdachte
„Abbildung" von archäologisch gelagerten
„obiets trouves", so ist auch die tarbtonreiche
Gauache „Stilleben" voller skurriler Feinheiten
(22. 8.-11. 9. 1973).
Franz Wagner
70
Kärnten
Villach - Galerie an der Stadtmauer
Gertrud Weiss-Richter
Acrylmalerei. Reine geometrische Formen in per-
spektivischen Variationen, oft mit bausteinartigen
Einpaßelementen, einer gewissen nüchternen Magie
nicht entbehrend (28. 7.-11. 8. 1973).
Ernst Zdrahal
Farbcollagen, die 1972173 entstanden sind. Gesell-
schafts- und kansumkritisch, mit Pop verwandt und
gegenüber den Arbeiten der Voriahre dem allge-
meinen Zeitstrom näher (18. 8.-6. 9. 1973) - (Abb. 13).
Helmut Krumpel
Malerei und Grafik, in deren Zentrum der Mensch
steht, auch dann oder besonders dann, wenn er aus-
gespart ist, gleichsam eine Lücke hinterläßt, durch
seine Abwesenheit einen Fixpunkt setzt
(12. 9.-29. 9. 1973).
Bad Kleinkirchheim - Kurhotel
trene Ressmann
Die 24 Ulbilder und Gouachen zeigten ein Her-
kommen vom deutschen Expressionismus. Besonders
die sparsamen Arbeiten weisen eine echte Kon-
zentration auf (B. 9.-16. 9. 1973) - (Abb. 14).
Oberösterreich
Linz - Neue Galerie
60 Jahre MAERZ
Eine sehr repräsentative, gute Schau, 171 Bilder und
Grafiken. 48 Plastiken und verschiedene Architektur-
beispiele in Wiedergaben von Dias. Eine Dokumen-
tation, die beweist, daß dieser oberösterreichischen
Vereinigung Spitzenkräfte Österreichs angehörten
und angehören und daß in diesem, allen künstleri-
schen Richtungen und allen Kunstzweigen offen-
stehenden Kulturboden auch sehr viele junge
Kräfte wachsen, die zu größten Hoffnungen Anlaß
geben. Ein umfangreicher und gut gemachter Kata-
log ergänzte die Ausstellung, die im Herbst in
Wien zu sehen war (30. 8.-26. 9. 1973) - (Abb. 15, 16).
Steiermark
Graz - Ganggalerie im Rathaus
Bernhard Hollemann
Hier hat die Zukunft schon begonnen. Ein Grafiker,
der an einen modernen Hieronymus Bosch denken
läßt, schafft technisierte Monsterwesen, die „irgend-
was, irgendwo, irgendwann" agieren. Er sdiafft
Ausschnitte eines größeren Raumes, wie unsere Welt
Teil einer größeren Welt ist
(20. 6.-29. 8. 1973) - (Abb. 17).
Niederösterreich
Baden - Kleine Galerie am Hauptplatz
ln den Sommermonaten waren Drud(grafiken und
Mappenwerke dieser ambitionierten Edition zu
sehen. Blätter von Bischof, Frohner, Moldovan,
Flora, Korab u. a. konnte man preiswert erwerben
(8. 8.-30. 9. 1973).
Galerie Baden
Curt Stenvert
Unweit des Josephsplatzes wurde mit dieser Aus-
stellung eine neue Galerie eröffnet. Die Anlage
und Voraussetzung scheinen gut zu sein. Auch der
Hafraum könnte bei Skulpturen in die Schau ein-
bezogen werden. Das weitere Programm wird nun
entscheidend sein. Die Eröffnungsschau zeigte
iedenfolls einen Querschnitt durch Stenverts
grafische Aussage, wobei ein beachtlicher Teil und
damit ein Schwerpunkt auf die futuristische Phase
des Künstlers gelegt war. Von der vom Künstler
geforderten funktionellen Kunst war nichts zu
sehen (14. 9.- ? ).
Perchtoldsdorf - Galerie Romanum
Erhard Bail
Olbilder und Grafiken (22. 8.-11. 9. 1973).
Fred Nowak
32 Farbgrafiken in der von Nowak kreierten Technil-
eines einmaligen Druckes. Neben schon bekannten
Motiven waren auch sehr intensive vielfigurige
Blätter zu sehen, die an die magischen Beschwö-
rungsriten der eiszeitlichen Malereien erinnern.
Einschlüsse von Materialabdrucken stellen Bezie-
hungen zum Umraum her (12. 9.-2. 10. 1973) -
(Abb. 1a).
Wiener Neustadt - St. Peter an der Sperr
Kunst konkret, Wien, Niederösterreich,
Burgenland
Eine Schau von hoher Qualität, wie sie Wiener
Neustadt schon lange nicht mehr hatte. lnternationa
bestens bekannte Namen, wie Bertoni, Bottoli,
Frohner, Fronius, Hrdlicka, Kedl, Korab, Richly,
Rotterdam u. a. m. waren mit beispielhaften und
repräsentativen, oft auch sehr großen Werken
vertreten. Die Gruppierung war übersichtlich und
klar. Eine Zusammenstellung von Format, die noct
in Wien und Eisenstadt gezeigt wird und die Gott-
hard Fellerer, Hans Muhr und Feri Zatter zu ver-
danken ist, wobei für Wiener Neustadt besonders
Gotthard Fellerer verantwortlich zeichnet
(3.-27. 8. 1973) - (Abb. 19, 20).
Wr. Neustädter Künstlervereinigung und
Kollektive Michael Haas
Neben braven Lokalgrößen waren die subtilen Bil-
der Franz Erntls, die kräftigen Holzschnitte
Hammerstiels, die dichten Blätter Franz Reiters zu
sehen. Kurt lngerl und Gotthard Fellerer steuerten,
ieder auf seiner Art, die zeitgenössischsten Ar-
beiten bei. Die Kollektive Michael Haas brachte
einen Einblick in ein Schaffen, das, von Dobrovsky
herkommend, sich in aller Stille eigenständig ent-
wickelte, im Schatten der vielen Schreier leider aber
zuwenig beachtet wird (1 .-16. 9. 1973).
Tulln - Volkshochschule
Fritz Laderer
Die Ulbilder und Grafiken wiesen deutlich auf die
Entwicklung des Künstlers in der letzten Zeit hin. Die
Materungen und technischen Assoziationen treten
zugunsten eines Signals zurück, der Mensch rückt
mehr auf. Die Palette zeigt eine größere Farb-
skala (31. 8.-3. 9. 1973) - (Abb. 21).
Rossatz - Atelier Kellerhaus
Jörg Hitzgem und Elfi Riess
Neue Lithographien und Holzschnitte von Hitzgern
zeigen seine mit lronie und kraftvollen Verdichtun-
gen varangetriebene Entwicklung. Von der Riess
war ein schöner Gobelin „Erinnerung an einen
Vogelflug" zu sehen (18. 13.-31. 9. 1973).
Zwettl-Galerie im Stüberl
Henri Johann Radloff
Eine reizvolle, lockere Pinselführung zeichnet die
vom Zen und anderen ostasiatischen Einflüssen ge-
prägten Arbeiten aus, die in freigestolteten
Blättern eine Synthese von iapanischer Tusche-
technik und westlicher Aktionsmalerei herstellt
(15. 7.-3. 8. 1973) - (Abb. 22).
Burgenland
Breitenbrunn - Werkstatt elfe und wil
frenken de witte werkplatts
Eine holländische Gruppe, der es vor allem um die
Verbindung von Kreativität und handwerklicher
Realisierung auf der Basis eines Kollektivs geht,
demonstriert an Hand von Dias und Filmen,
wie durch eine neue Form der Kontaktnahme und
Zusammenarbeit zwischen Gruppe und Auftrags-
geber der Mensch in einer Zeit, da ihm die
Anonymisierung der Architektur die Entpersönli-
diung droht, zumindest seinen unmittelbaren Um-
raum in den Griff bekommen könnte.
Alois Vogel