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Volltext: Alte und Moderne Kunst XVIII (1973 / Heft 130 und 131)

 
Dorotheum 
KUNSTABTEILUNG, WIEN, l., DOROTHEERGASSE 11, 
Tel. 52 3129 
603. Kunstauktion 
12.,13.,14, und 15. lVlärz 1974 
Gemälde alter und moderner Meister, Graphik, 
Skulpturen und Holzarbeiten, antikes Mobiliar, 
Antiquitäten, Asiatika, Waffen 
Besichtigung: 7., 8., 9., 10. und 11. lVlärz1974 
Für den Kunstsammler 
Wiener Spaziergang 
Gedanken und Retrospektiven 
über den Wiener Kunsthandel 
Kunstsammler (I): 
Dr. Albert Figdor (1) 
T400 (vierzehnhundert) Kunstgegenstände unter 
dem Hammer! - Am Donnerstag, dem 5. Juni 1930, 
wurde in Wien im Festsaal des Schwarzenberg- 
Kasinos mit der Auflösung einer der bedeutendsten 
Kunstsammlungen unseres Jahrhunderts begannen. 
Das Lebenswerk des Bankiers Dr. Albert Figdor 
wurde in diesen Tagen durch die Auktionshäuser 
Artaria 8. Co., Glückselig GmbH [beide Wien) und 
Paul Cassierer' (Berlin) neuen Besitzern zugeführt. 
Die Vielseitigkeit dieser Persönlichkeit dokumentiert 
die breite Streuung der Sammelgebiete. Die 
beinahe unübersehbaren Sammelbestände beinhalten 
mittelalterliche und Renaissancemöbel aus 
Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien; 
Malerei und Skulptur von diesseits und ienseits der 
Alpen über Robbid, Riccio bis Riemenschneider; 
gotische Bildwirkereien, Teppiche, Seidenstoffe, 
Bronzen aller Art von der Romanik bis zur 
Renaissance; Elfenbein, Maiolika, Keramik, 
Steinzeug, Email und Goldschmuck, Zinn, Messing 
und Kupfergeföße - alles Obiekte von hohem 
und höchstem künstlerischem Rang. Eine 
„Super"-Sammlung, die für Forscher, Wissenschaftler 
und Sammler gleichermaßen eine Fülle bedeutender 
Zeitdokumente barg, stets auserlesenes Material 
finden ließ und zu kunsthistarischen Arbeiten 
wertvolle Aufschlüsse gab. 
Die Sammlung wurde weit über Österreichs Grenzen 
hinaus bekannt und anerkannt. Angesparnt durch 
seine Sammelbegeisterung reiste Figdor 
unermüdlich durch Europa, besuchte seine 
Kunsthöndler und Freunde, um nach und nach seine 
großräumige Ringstraßenwohnung mit Kunst- 
gegenständen anzureichern. 
Dr. Albert Figdor zählte zu den wenigen Sammlern, 
die aus eigenem Entschluß zum Erwerb mit 
selbständigem Urteil ihre Sammlung ständig ver- 
größerten. Hier stellt sich die natürliche Frage: 
Wie konnte sich dieser Mann das alles leisten? 
Woher nahm er dazu die auch für die damalige Zeit 
großen Mittel? Der „letzte Sammler alten 
Schlages" wie er zuweilen - wenn auch nicht ganz 
zutreffend - bezeichnet wurde, war Chef des 
Bankhauses Figdor 8x Co. Er betrat es allerdings 
nicht zu oft, meist nur, wenn er Geld benötigte. Sein 
„Beruf" war eine Berufung, die zum Kunstsammler. 
Eine Tätigkeit, der ausschließlich sich zu widmen 
nur wenigen vergönnt ist. Dennoch gab es und 
gibt es auch heute eine Anzahl begeisterter Kunst- 
freunde, die äußerst erfolgreich ernstzunehmende 
Kunstsammlungen zusammentrugen und sammeln. 
Mit eigenen Augen sehen und nach eigenem Gefühl 
und Geschmack erwerben, war bei Figdor 
eminenteste Grundlage seiner so erfolgreichen 
Sammeltötigkeit. Aus Überlieferungen wurde er 
als liebenswürdiger und stets hilfsbereiter 
Mensch geschildert, der sich nie fremder Kritik 
verschloß, trotz Konsequenz und Unabhängigkeit 
in seinem Urteil. Frei von ieder Empfindlichkeit, war 
er immer bereit, ablehnende Meinungen auch über 
Kunstwerke seines Besitzes sachlich zu erörtern. 
Nicht verkennend den Wert seiner eigenen Leistung 
als Sammler und ihrer Bedeutung für die Wissen- 
schaft reagierte er - typisch österreichisch? ! - 
ironisch bescheiden und humorvoll auf bewundernde 
Äußerungen über seine Schätze. ln Figdors 
Sammlung zu studieren und zu arbeiten, muß 
wirklich eine Freude gewesen sein. 
Die Weite seines Sammelgebietes, die bis zur 
Volkskunde reicht, weist starken kulturhistorischen 
Charakter auf. Dabei zeigt sich, daß den Sammler 
Figdor offenbar die Verbindung kulturgeschichtlich 
interessanter Obiekte mit künstlerischen 
Elementen und Gestaltungsweisen lockte. 
Wolfgang A. Siedler 
'Sammlung er. Albert Figdor 
Auktionskatala , Herausgeber 0m, v. Falke, Verzeichnis 
von Theodor emmler, Otto v. Falke, Max Friedlünder, 
Lea Plansci und August Schestag bei Artaria a. Co., 
Glückselia. mbH, Wien, Faul Cassierer, Berlin. 
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