Für den Kunstsammler
Loetz Austria
Man kann die Geschichte der berühmtesten öster-
reichischen Glasfabrik des Jugendstils in drei
Perioden gliedern:
1. Periode (1836-1879)
Die Firma unter Eisner von Eisenstein (1836-1840),
Johann Loetz (1840-1848) und seiner Witwe Susanne
(1843-1879).
2. Periode (1879-1913)
Die Manufaktur unter Max Ritter von Spaun sen.
(1879-1908) und iun. (ab 1908).
3. Periode (1913-1938)
Umwandlung in eine GmbH (1913) und in eine Aktien-
gesellschaft (1918), Auflösung im zweiten Weltkrieg.
Aus der ersten Periode, die der Manufaktur den
auch später beibehaltenen Namen gab, sind nur
wenige dokumentarische Nachrichten und keine ge-
sicherten Erzeugnisse überliefert. Es kann nur ver-
mutet werden, daß damals, wie in den meisten
anderen Glasfabriken, vor allem Exportglasartikel
entstanden, die künstlerisch ohne besondere Be-
deutung waren. Als die österreichische Glasfobrika-
tion im 19. Jahrhundert ihre Krise überwunden
hatte, präsentierte Labmeyr auf der Wiener
Weltausstellung 1873 eine großartige Exposition,
während sich Loetz' Witwe nicht beteiligte.
Wenige Jahre später übernahm Max Ritter von
Spaun senior die Manufaktur, die binnen kurzem
unter der Direktion von Eduard Prochozka
(1855-1914) Weltruf erlangte. Eine Patent- und
Musterschutzanmeldung folgte nun der anderen; die 1 2
wichtigsten waren: „Herstellung verschieden-
farbig verzierter Glosgegenstände" (1887),
„Eigenthümlich übersponnene Glasgegenstände"
(1894), „Metallisierende Glasgegenstände und
Verfahren zur Herstellung derselben" (1895), X
„Glasgegenstönde, welche einen intensiven blauen
oder Metallschimmer besitzen", „metallisch schim- l 9k-
mernde Glasgegenstände" (1896). Die letztgenann- X
ten Patente wurden 1898 erneuert.
In den achtziger Jahren entwickelte die Manufaktur
vor allem das sogenannte Halbedelsteinglas - '
Imitationen van Onyx, Jaspis, Karneol in Glas,
manchmal schon mit irisierender Oberfläche. Zu den 5 6
berühmtesten Obiekten dieser Zeit gehören die
zwei monumentalen Kaiser-Franz-Joseph-Vasen
nach den Entwürfen von Storck und Klotz, die 1888
zur Jubiläumsgewerbeausstellung in Wien ange-
fertigt wurden. Damals zeigte Loetz aber auch
lntarsiaglas und Octopusglas.
Im Jahre 1891 verfügte Loetz' Witwe über eine
eigene Schleiferei und Raffinerie und beschäftigte
200 Arbeiter. Vertretungen befanden sich in Wien
(Bakalawits Söhne), Berlin, Hamburg und Paris.
In den neunziger Jahren begann die bereits vorher
bekannte Herstellung irisierenden und lüstrierten
Luxusglases. Auf der Weltausstellung Chikago
errang Loetz mit den Glasdekoren Calumbia,
Persica, Pavonia, Alpenrot und Alpengrün sowie
Kamelienrat den vielbegehrten Grand Prix. Die
Produktion beschränkte sich nicht auf Luxusglas,
sondern umfaßte auch Blumenhalter und Tisch-
dekorationen, einmal wurden sogar „Modelle
plastischer Erzeugnisse aus Glas, und zwar
Vogelnester", registriert. Diese Art der Glas-
fabrikate zählte zu den sogenannten „Phantasie-
artikeln".
In der Zeit des Jugendstils verfügte Loetz' Witwe
über eine außerordentlich reiche Skala des Iris-
und Lüsterglases, mit Dekaren, die nirgends sonst
erzeugt werden konnten. Der Grand Prix auf der
Pariser Weltausstellung stellte die Firma auf eine
Höhe mit Tiffany.
Nicht nur im Dekorativen stieß Loetz auf Neuland
vor, Durch die Zusammenarbeit mit der Wiener
Vertretung Bakalowits, die ihrerseits beste Ver-
bindung zur Wiener Kunstgewerbeschule hatte,
entstanden damals richtungweisende Formen.
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