Ftolf Kultzen
Zwei unbekannte
Selbstbildnisse von
Christian Seybold
1 Christian Seybold, Selbstbildnis, 1761. Liechtenstein,
Galerie
2 Christian Seybold, Selbstbildnis, 1747. Florenz, Uffizien
Anmerkungen 1- 7
1 Nr. 130; Kupfer, 40x31 crn.
r Zitiert im Führer durch die Fürstlich Liechtensieinische Gemal-
degalerie in Wien (A. Kronield), Wien 1931, s. 55, Nr. 130.
1 im lnv. von 175a, Nr. aiso; Kupfer, es x 29,5 cm; vgl, icll umzl.
Catalogo genereleu, Florenz 19B0(2. AufLl, s. 1005, Nr. A ssz.
- Elfriede Baum. Kat. a. Osterr. Barockmuseums im Unteren Bel-
vedere iVl Wien. ll, München 1950, S. 5451i, an dieser Stelle iuCh
die bislang ausführlichsten Angaben zur Vita Seybolds.
- Vgl. Kai. Louvre (Paris wen, bearb. v. F. Vlllot, 2. Teil, s, 257,
Nr. 495; Lelnw., 64x36 cm. 4 Kat. Dresden. Gemäldegalerie,
190a, s. 670171, Nr. 209a; Leinw., 74x61 cm.
I F. Nicoiai, Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die
Schweiz im Jahre 1781. 4. Band. Berlin und Stettin 1734, s. 4ao.
- F. L. Graf zu Stolberg, Reise in Deutschland, der Schweiz, ita-
llsrl und Sicilien. 4, Band. Königsberg und Leipzig 1794, s. 39a.
1 Nagler, Künstler-Lexikon, XVI (uns), s. 214.
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Gegen Ende seines Lebens präsentiert sich uns
Christian Seybold in dem 1761 auf Kupfer gemal-
ten Selbstbildnis (Abb. 1) der Galerie Liechten-
steinl. Dazu heißt es von einem anonymen Autor
in i-Wiens Kunstsachenu von 1856: i-Dieser brave
Künstler scheint sich den berühmten Denner zum
Vorbild erwählt zu haben; denn außer an letzterem
und an Seybold fand ich nie eine dermaßen mi-
kroskopische Ausführlichkeit. Seybolds Farbe ist
heiterer als die Denners; aber die Denners ist mar-
kiger und natürlicher. Daß Seybold nicht des Den-
ners fabelhaft hohen Grad der Ausführlichkeit er-
reicht hat, kann ihm nicht als Fehler angerechnet
werden; denn der Zweck der Kunst ist nicht, mi-
kroskopischen Untersuchungen zu dienende
Seybold selbst würde den hier zwar nur versteckt
vorgebrachten Einwand gegen eine allzu detail-
lierte Schilderung äußerlicher Erscheinungsfor-
men vermutlich kaum akzeptiert haben. Betrach-
tet man daraufhin nämlich die zahlreiche Beispie-
le umfassende Serie seiner Selbstbildnisse, so
wird hier ein schon früh einsetzendes Bemühen
des Künstlers um eine selbst die beiläufigste Klei-
nigkeit berücksichtigende, möglichst naturge-
treue Wiedergabe der eigenen Physiognomie er-
kennbar. Offenbar handelt es sich dabei also um
ein spezifisches Anliegen Seybolds, wozu er tat-
sächlich durch das Beispiel des 1685 in Hamburg
geborenen Baithasar Denner angeregt worden
sein dürfte, der zu den damals beliebtesten Portra-
tlsten in Deutschland zählte. Demnach scheint
Seybold die von den Zeitgenossen mit Beifall auf-
genommene Manier Denners die Gewähr für eine
erfolgreiche Tätigkeit auf dem Felde der Bildnis-
malerei geboten zu haben, so daß er mit Recht an-
nehmen konnte, auf diesem Wege rasch zu per-
sönlichem Ansehen zu gelangen. Dies bestätigen
aber vor allem die häufigen Selbstbildnisse Sey-
bolds, die er zudem - so scheint es wenigstens
- mit großem Geschick in die berühmtesten
Sammlungen seiner Zeit zu lancieren verstand.
Letzteres gilt besonders für das unter die Künst-
lerseibstbildnisse in den Uffizien zu Florenz einge-
reihte Porträt von Seybold (Abb. 2) aus dem Jahre
17471. Auch für das hier ebenfalls aus den engen
Grenzen eines kleinen Biidformats stark spre-
chend hervortretende Künstlerantlitz ist jener An-
flug von ängstlicher Zurückhaltung charakteri-
stisch, der mit einer auf die Spitze getriebenen
Treue der physiognomischen Dokumentation so
auffällig kontrastiert, daß dadurch die harmoni-
sche Vereinigung der aufgewendeten Mittel zu ei-
nem für die dargestellte Person eigentümlichen
Ausdruck empfindlich gestört erscheint. Auf der
Rückseite dieser Kupfertafel findet sich die in-
schrift: i-Christianus Seybolt Moguntinus I Regis
Poioniae Pictor aulicus aetatis annorum 49 hancl
propriam Effigiem pinxit I Anno 1747."
Leider ist übrigens auch damit die bislang umstrit-
tene Frage nach dem Geburtsdatum Seybolds
nicht endgültig entschieden, zumal wenn man die
abweichende Angabe auf dem Selbstbildnis in
Liechtenstein in Betracht zieht, weiche nämlich
lautet: nC. Seybolt alt 58, anno 1761, geb. zu
Mayntzß Am zuverlässigsten referiert Elfriede
Baum den gegenwärtigen Stand der Diskussion
über diesen Sachverhalt im Katalog des Österrei-
chischen Barockmuseums im Unteren Belvedere
in Wient Demnach laßt sich vorerst nur so viel sa-
gen, daß Seybold offenbar wenige Jahre vor 1700
in oder nahe bei Mainz geboren wurde. Jedenfalls
muß er schon im jugendlichen Alter nach Wien ge-
kommen sein, weil er hier bereits im Jahre 1715
seine erste Ehe einging. Obwohl über Seybolds
künstlerische Ausbildung Sicheres nicht bekannt
ist, erscheint die mehrfach aufgestellte Behaup-
tung, er sei Autodidakt gewesen, wenig glaubwür-
dig. Dem widerspricht nicht nur die von ihm vir-
tuos beherrschte Vortragstechnik als vor allem
auch seine überlieferte Zugehörigkeit als i-Associ-
ierteru zur Wiener Akademie. Schließlich dürfte
seine mehrfach nachweisbare Tätigkeit als Portra-