3. Der Einband der Gruppe lll.
Hs.:
alll35 (Naturkundliches Wörterbuch, lat-deutsch,
um 1477(?), Inhaltsverzeichnisvermutlich von
Manseer)
WährenddieSchmuckformen derEinbändederGruppe
I und lt wesentlich und ausschließlich mit der Salzbur-
gerTätigkeitSchreiers verknüpftwaremwurde der Ver-
zierungsstil der Einbände der Gruppe lll, die eine Syn-
these von Lederschnittkunst und handwerklichem
Blindstempelschmuck erstrebt. durch einen Wiener
Aufenthalt des Meisters beeinflußt. Diese Begegnung
mit der Wiener Einbandkunst wirkte sich bei Schreier
vor allem darin aus, daß er die schräge. unsymmetri-
sche Anordnung der Muster zugunsten der geraden,
symmetrischen" Aufteilung des Mittelfeldes aufgab.
Sie wurde aberauch in der Übernahme neuerWinkelha-
kenmotive und in deren zentralrautiger und diagonaler
Anordnung (vgl. Salzburg, UB, W lll 38, I -V) und
schließlich auch im Umstellen zentraler Großrosetten
(Abb. 7. Nr. 17)mitdreiteiligen Blättern (Abb. 5)sichtbar.
Neben dem Einfluß der zeitgenössischen Wiener Ein-
bandkunst waren bei der Ausbildung des neuen Stils
aber auch Salzburger Anregungen zu erkennen. die vor
allem von der im Rahmen der Chiemseeischen Hof-
bibliothekßä (von ihr stammt der Kopfstempel auf
Abb. 7, Nr. 11) arbeitenden Werkstatt kamen. Von ihr
dürftenämlichSchreierzurBildungderfürden Stempel-
bestand dieser Gruppe charakteristischen Funfblattro-
setten (Abb. 7, Nr. 17) animiert worden sein, da dort
schon am Anfang der siebziger Jahre ähnliche Motive
(Abb. 7. Nr. 19) beim Schmuck der Einbände verwendet
wurden." Dieser Vorgang ist der Schreierschen Werk-
stattdurchausnichtfremd.damanschon belderAusge-
staltung der Motive der Gruppe I und ll eine ähnliche
Praxis beobachten konnte. So lassen sich z. B. deutli-
che Zusammenhänge zwischen der gebänderten Ro-
seltenform (Abb. 7, Nr. 1) der Schreierschen Werkstatt
und den gleichen Typen der ersten wiDomstiftwerkstattir
(Abb. 7, Nr. 2 und 3; vgl. auch die Einbände der Hss. a
ll 20, a lll 10 und b Xll 8) oder auch den verschiedenen
Kopfstempeln derbeiden Werkstatten(Abb. 7, Nr. 12 :
Schreier; Abb. 7. Nr. 10 : nDomstiftwerkstattir) er-
kennen. Auch die beiden Blütenrankenmotive (Abb. 7,
Nr. 15 und 16)der Gruppe ll gehen vermutlich auf frühe-
re Vorbilder" bayerischer Werkstätten zurück.
Gegenüber den übrigen Einbänden dieser Gruppe, wie
etwa dem des Ftadecker Missales" (Salzburg. UB, Mlll
48 : Schmidt-Künsemüller Nr. 266) und den Specula-
Bänden" des Vinzenz von Beauvais (Salzburg. UB, W
lll 38, l-V : Schmidt-Künsemüller Nr. 270 -274),
ragt der Einband der Hs. a lll 35 (Abb. 5) vor allem aus
zwei Gründen hervor: zunächst, weil er ausschließlich
mit Blindstempeln verziert ist, die im allgemeinen fast
nur im Kontext des Lederschnittschmucks auftreten.
dann aber auch, weil er nur mit einem einfachen, ganz-
flächigen Kopfstempeldekor ausgestattet ist. während
beim Schmuck der anderen Einbände dieser Gruppe
auch noch die zentralrautigen und diagonalen, auf den
Wiener Aufenthalt verweisenden. Winkelhakenbänder
Verwendung fanden. Trotz des offenkundigen Einflus-
ses des Wiener Aufenthaltes Schreiers auf den Verzie-
rungsstil dieser Gruppe muß im vorliegenden Fall eine
mögliche Entstehung oder Bindung in Wien ausge-
schlossen werden,daeinzelneSchreiberderHs.a lll35
auch in anderen Handschriften nachweisbar sind, die
vom Domstift in die Stiftsbibliothek St. Peter gebracht
wurden. Zu nennen sind hier vor allem die Hss. a lll 10,
b lll 31 und b lll 40, die alle in der ersten vDomkapitel-
werkstattir gebunden und verziert wurden.
Stellt man sich darüber hinaus auch noch die Frage
nach dem Einfluß der Schmuckform dieser Gruppe auf
die übrigen Salzburger Werkstätten, ergibt sich eine
ähnliche Antwort wie auf die Frage nach dem Einfluß
des Stils der Gruppe ll. Dies wird vor allem daran sicht-
bar. daß in den achtziger Jahren einzelne Motive" die-
ser Gruppe wie die Rosette (Abb. 7. Nr. 17) und die Wir-
belblüte (Wind. Nr. 353) im Kontext des Stempelbestan-
des der wersten Domstiftwerkstattr", aber auch in Ver-
bindung mit Motivkombinationen aus der wzweiten
Domstiftwerkstattrr" auftreten. daß darüber hinaus
aber keine wesentlichen Veränderungen innerhalb die-
ses Bereichs feststellbar sind. die auf tiefgreifendere
Abhängigkeit hätten schließen lassen.
Zusammenfassung
1 . Von den neuentdeckten i-Schreierbändenu der Stifts-
bibliothek der Erzabtei St. Peter in Salzburg sind vier-
zehn derGruppe l (Verwendung von Motiven. die unmit-
telbar mit der llluminationstätigkeit Schreiers zusam-
menhängen), sechs der Gruppe ll (Kopfstempeldekor)
und einerderGruppe lll (Rückkehrzum geraden Aufbau
und Verbindung von Lederschnittkunst und Blindstem-
pelverzierung) zuzuordnen.
2. Auftraggeber der vorliegenden Bande ist nlcht, wie
man zunächst annehmen könnte, die Erzabtei St. Peter,
sondern Erhard Manseer. der ehemalige Viceplebanus
der Salzburger Stadtpfarre und spätere Mönch (Pro
fess: 26. 10. 1475) von St. Peter.
3. Neben dem vermehrten Wissen über den Kreis der
Gönner und Auftraggeber Schreiers vermitteln uns die
wSchreierbänderr der Stiftsbibliothek von St. Peter auch
noch erweiterte Kenntnisse über die Schreiersche
Werkstatt selbst, als auch über deren räumliche und
künstlerischeZusammenhängemitanderenzeitgenös-
sischen Salzburger Werkstätten. Dabei zeigt sich. daß
die wNichtschreierschenrr Salzburger Werkstätten, ob-
wohlsiez. T. aufsehrengem nRaumwmiteinanderarbei-
teten. in künstlerischer Hinsichtwenigervon derSchrei-
erschen Werkstatt bestimmt waren. als man bisher an-
genommen hatte.
Ieratur
Laurin, Zur Einbandkunsides Selzburger Illu-
ruienbergidahrbuch 1951234 - 243.
Leurin. Der Salzburger Einbiridsili Ulrich
auch 1960. 371 - 379.
: G. Laurin. Die Lederschrlittbände des Salze
chreler lürden Erüliscnbi Bernhard von Rohr.
Buchwesens s (1964). 74a - 17a.
iurln. Preßburger Lederscrinrlibende Ulrich
ichte das Bnchweseris 5 (i 964i. 1485 -1504.
Laurln. Ein Einband aus der Selzburger Werk-
er Spencer Colleclion der New York Public
2h 1964. 343- 349.
G. Laurin, Einbände Ulrich Schreiers als Zeu-
n. Archiv tür Geschichte des Euchwesens 5
i0l1 : O. Mazai. Goiische Einbände mit Kopie
nabelsammlung der Österreichischen Natio
ihrbLlCh 1962. 474 - 478.
'. A. Schmidl-Künsemüller. Oorpus dar goti-
eaus dem deutschen Sprachgebieüßenkrnäa
eri 1980
rten Einbände der Handschrilten der Eizabtei
D. UnierMiiarbeitvon G. Hayermankschrirten
erreichiscrien Akademie der Wissenscharien
Anmerkungen 46 e 72
" Zur Zwsammensetzung dieser GYUPDGVQI. die Liste: Laurln, Einbandstil.
371 .
" Ins Zentrum der Blatlbllder sind hier jeweils Secnselettbliiten (Wind.
m. l62)gesetzi.
" Die Blaiigelüge sind imvorliegenden Fall Z. T. mit. Z. T. Ohne Zentralin-
satten gebildet.
" Besonders bei den Einbinden der H88. b XII 29 und b XII 34. die ieweils
doppelte Rahmen anMeisen.
" Belrri ElriberidderHs. bXII 38 Ist nurder Kßpisierripelrnli hellgriiner Fer-
be bemalt.
9' Beim Einband der lnk. S39 sind alle Motive bemeil (die Kopistempel hell-
grün, die Wirbelbluten hellblau imd die Rosetten violett).
u Beispielhaft seien davon nur erwähnt die Klosterwerkstätten: Prüll bei
Rsgensburgwgl. Hs.. St. Peter. bVll SundWind I 18).Asbach(vql. Mün-
cnen. Staetsbiblioihek, Clin 2776 und? lnc. c. a. 13289 und Wind 107)
oder die Werksian des nV-Dc-Meislers (Hi. SI. Peter. b X 25 und Wlnd
lzß).
9' Alle beiden r-Ddmstirtwerkstättemdürften Scribn vor Schreier am Ende
der sechziger Jahre Koplstempeldekor verwendet haben (vgl. dazu die
Hss. Si. Peter. ä II 20. 5 XII B. D IX 29 und b XII 35). Zu den Werkstätten
im einzelnen s. Wlnd 119 I.
5' So etwa zwischen der gebdnderten Rosette der Schreier-Werkstatt
(Abb. 7. Nr. 1) und den gleichen Typen der ersten IDOMSIIIIWGrKSIBIIu
(Abb. 7. Nr. 2 und 3) oder auch zwischen den beiden Blütenrankenrrioti-
VPII mm 1 m re und ist rlin cnmnhl in der werlraien Schreier: a1:
1' Vgl. die Einbände der Hss.. St. Peter. e II 33. a ll 40. a V 6, a III 10oder
ällßh 3 VII I8.
5' Vgl. die Hse. S1. Peter. a IV 37. b II IBMDD. B. Nr. I2) und b Vll13
ß Vgl. die riss. st. Peter. a lx 1. n rv a2 und b vl s. deren Einbände aus
der ersten lrDomstitMerkstati-i slammen
1' Vgl. z. a. die Einbände der Hss. e v6.1: IV 32. b vlll 26 aus der ersten
sDomstirtwerkstatt: und die HSS. a XI 8 und h VII 14 aus der Werkstatt
von Si. Peter.
" Z. B. eul den Elnbänden der Hss. BXI B i1ndbII16 (WSFKSIBII VOn St. Pe-
ter), der H8. b III 4D (1. nDomstlltwerkstattl) Lind den HSB. b IX 29. b IX
30 und b XII 35 aus der 2. rrDomsiiitwerksiaitrr.
" Zu den Motiven dieses Einbarides vgl.Wlnd125.
u Zuden genauen Hintergründeriund Auswirkungendieses Aulentrialtes
s. Laurln. Schreier in Wien. 1331 -1335.
" Vgl. dazu etwa die Abbildungen der zu dieser Gruppe zählenden
Specula-Eärlde des Vinzenz von Beauvaisßalzburg. uß. w lll 3a. I - v)
bei Scnmidi-Künsemüllei. Nr. 270-274.
u Zur Kurzcharakterislerung dieser Werksiati vgl. Anm. 17.
u gädie Einbände der Drucke: Salzburg. UB. W II i1. W II 25 und
" Vgl. dazu E. Kyriss. Verzlerte gotische Einbände irn alten deutschen
Sprachgebiet l. Stuttgart 1953. Tatel 29. Nr. 9.
" Zur Beschreibung s. Laurin. Lederscrinittbände. 748 - 754.
" Vgl. die Charakterisierung bei Lziurin. Lederschnittbdnde. 757- 770
und K. Hoher. in: Ausstallungskatalogi Späigotik in Salzburg. a. 0..
Nr 284 und 255 und Teiel 93.
1' Fsist schwarzunntsczhsidnn was linh talcärhllch um die in der Werk.