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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1889 / 7)

bereits den Spätrömern geläufig. Ornamente, die dem vegetabilischen 
oder gar dem animalischen Bereiche entnommen wären, finden sich nur 
sehr selten, und dann in einer der Technik entsprechenden weitgehenden 
Stilisirung. 
Die gesticktem Verzierungen Llassen sich in zwei große Gruppen 
theilen: nämlich in solche, die durch Kreuzstich, und in solche die durch 
Plattstich hervorgebracht sind. Der Kreuzstich ist in seiner Bethätigung 
gebundener; er bevorzugt daher wie die Weberei geometrische, nament- 
lich sternförmige Muster. Mit Vonliebe reiht er in Bordürestreifen rauten- 
förmige Configurationen aneinander, die durch Sterne ausgefüllt sind, 
während in den beiden zwischen ie -zwei Rauten freibleibenden Zwickeln 
halbe "Sterne Raum finden. Aber auch das vegetabilische Bereich weiß 
der Kreuzstich nutzbar zu machen: symmetrisch aufsteigende Bäumchen, 
gewöhnlich bekrönt von einem fächerartigen Strahlenbiindel, weiß er 
unerschöpflich zu variiren, ebenso gebrochene Wellenranken und schräge 
Bäumchen an den Säumetl. Selbst vor Thier- und Menschengebilden 
schreckt er nicht zurück, aber er gebt ihnen doch lieber aus dem Wege, 
da sie ihm nicht so viel Spielraum zur Entfaltung einer abwechselungs- 
reicheren Mannigfaltigkeit bieten. 
Die zweite Gruppe der Leinenstickereien innerhalb der sogenannten 
nationalen Hausindustrie ist durch Plattstich hervorgebracht. Hier 
tritt das Geometrische völlig zurück. und entfaltet sich das vegetabilische 
Element in reichlichster Weise. Vom aufsteigenden Stiel, der häufig-wie 
auch im Kreuzstich- aus einer Vase hervorwächst, aber nicht mehr streng 
die gerade Linie einzuhalten braucht, zweigen rundliche oder lanzett- 
förmige, gerade oder geschwungene Blätter ab; die Bekrönung bildet 
entweder eine schwellende Knospe, die die slavischen Kunstschriftsteller 
gerne als durchschnittenen Apfel bezeichnen, oder die entfaltete Blüthe. 
Diese letztere lässt sich entweder in der Seitenansicht sehen, in welchem 
Falle sie ein nellten- oder tulpenförmiges Profil zeigt, oder in der geraden 
Ansicht ihrer Kelchfülle, die gewöhnlich das Bild einer voll aufgebllihten 
Rose darbietet. Auch dieses Schema lässt natürlich eine unbegrenzte 
Anzahl von Variationen zu. Die Geschmeidigkeit des Plattstiches gestattet 
selbst eine - wenn auch bescheidene - Heranziehung des Thierreichs. 
Namentlich Vogeltiguren sind sehr beliebt, darunter der sogenannte Hahn 
(thatsächlich ein Pfau) in völlig linearer Stilisirung, dagegen andere, 
insbesondere der Doppeladler, in naturalistischer Darstellung. 
Hiemit haben wir die beiden Haupttechniken und ornamentalen 
Hauptschsmen der sogenannten nationalen Hansstickerei gekennzeichnet. 
Die zahllosen Mittel- und Mischformen lassen sich hier nicht einmal auf- 
zählen, geschweige denn beschreiben. Es würde auch zu weit führen, 
im Einzelnen anzugeben, welche Techniken und Ornamente von den 
einzelnen Volksstämrnen bevorzugt werden. Im Allgemeinen ist zu sagen, 
dass die Serben und die Ruthenen dem Kreuzstich den Vorzug geben, 
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