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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXVIII (1983 / Heft 190 und 191)

 
Giebel zusammengefaßt sind. Gerade bei den ambitio- 
nierten Pariser Kirchen des 17. Jahrhunderts, wie dem 
lnvalidendom. wird St. Peter in dieser Weise zitiert." 
Für Waitzen besonders relevant wirkt an Lemerciers 
Sorbonne-Kirche die Giebelvorhalle der Nordfassa- 
den Jedenfalls wird sich bei der Einpragsamkeit des 
Motivs und seiner Konstellation im Ganzen manches in 
der Erinnerung assoziieren lassen, was zwar nweiterri. 
aber nicht entfernter auf Rom ausgerichtet ist: so die 
Kirchenfassade des Escorial mit den sechs im Ansatz 
ähnlich, doch schwerer rhythmisierten dorischen Halb- 
säulen der Vorhalle, über denen auf hohen Sockeln die 
sechs mächtigen Statuen alttestamentarischer Konige 
aufragen. Immerhin war Migazzi außer in Rom auch in 
Madrid als Gesandter tätig. Ähnlich rückwirkend weist 
selbst die klassizistische Lösung von Hildebrandts un- 
vollendeter Fassade in Göttweig noch auf den Escorial 
hin. Hier hatte Canevales Vorgänger Pilgram eine tiefe 
Loggia mit Balustradenabschluß. unterstützt von vier 
massigen toskanischen Säulen, zwischen die abge- 
stumpften Flankentürme gespannt (ausgeführt von Jo- 
seph Schwerdtfeger 1750 - 64). 
Der wirklich übergreifende. den Gesamtsinn dieser Ar- 
chitektur bestimmende Gedanke formuliert sich erst in 
der Interpretation des Freskos. das Maulbertsch 1770! 
71 in die Kuppel des Waitzener Domes malte (Abb. 7). 
Bei diesem wTriumph der HI. Dreilaltigkeitu. noch in der 
reichen Palette irisierender Farben gehalten. steht 
Maulbertsch zugleich am Wendepunkt seines Stiles zu 
immer rnehrkonturierender Beruhigtheit. Den vorberei- 
tenden Ausgangspunkt zu dieser lkonographie stellt ein 
1762 datiertes Widmungsblatt dar (Abb. 6). F. M. Haber- 
ditzl hat geistvoll erkannt. daß sich dieses Huldigungs- 
blatt von_ Maulbensch auf Migazzi und seine Kardinals- 
erhebung bezieht und einen Zentralgedanken des Wait- 
zener Kuppelfreskos antizipiertw Manche Ergänzun- 
gen können Haberditzls gedankenreiche lnterpretation 
hier noch verdeutlichen. Das Blatt ist ein Gewebe von 
Sinnbezügen. die dem Thema vMaximus in Sanctis est 
parvulus ille Puellusw entsprechend das Höchste und 
das Geringste durchdringen. So stellt der erdige Vorder- 
grund die Kontemplation des irdischen Weges dar: auf 
verschattetem Felsgrund sieht man die Sandalen des 
hl. Franziskus mit gekreuzten Riemen. daneben an den 
Totenschädel das Andachtskreuz gelehnt. vor dem er 
betet. Polardazu throntzuoberst im Bild das strahlende 
Christuskind in lächelnder Betrachtung des Kreuzes 
über dem Erdenrund. das Christophorus tragt. Der Bi- 
schof an seinerSeite gibtausponderierenden Halt; ana- 
log zurWeltkugel erscheint hinterwolkenschleiern eine 
prächtige Triumph-Architektur. Dem filigranen Pedum 
entspricht die knorrige Astgabel des Christophorus. Als 
Basis beider Gestalten tragt eine brückenartige Sub- 
struktion einen Sockel, in den dieTriglyphen der starken 
Dorica gemeißeltsind; in Venuitterungerkennt man dar- 
in ein nMl. 
Haberditzl hat im Christophorus die Anspielung auf Mi- 
gazzi durch seinen Namenspatron erkannt - sie wird 
durch dieses wMu untermauert." Der Starke des herku- 
lischen Christustragers dient die wfirmitasn des alten 
Migazzi-Geschlechts als Unterpfand. Daß im hl. Franz 
und der verzückten hl. Theresia das Kaiserpaar durch 
seine Namenspatrone dargestellt ist. hat Haberditzl 
ebenso erkannt. Doch reichen hier die Allusionen noch 
weiter. Das Puttenpaar mit den Lilien verweist auch auf 
den Franziskanerheiligen Antonius. den zweiten Na- 
menspatron Migazzis (und auch Maulbertschs). Der Bi- 
schofwurde als PapstClemensXIll. angesprochen. wo- 
durch eine Versinnbildlichung von Kaiser und Papst zur 
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Zeit von Migazzis Kardinalserhebung hergestellt wäre. 
Dem widerspricht vor allem der rein bischöfliche 
Habitus." Freilich ist diese Gestalt im Typus eines Kir- 
chenlehrers durch kein Attribut näher gekennzeichnet. 
Seine Bewegung und Bedeutung klaren sich erst dann. 
wenn man erkennt. daßder Bischof im Blickaufdiepfeil- 
durchbohrte Brust Theresiens Anleil nimmt an ihrem 
verborgen in Gottesliebe entbrannten Herz-denn dies 
ist auch das Atfributdes hl. Augustinus, Eine geniale Bil- 
derfindung machtinallegcrischerwDurchdringungudas 
filnnerste-i derWidmung offenbar: Bei seiner Regierung 
wirdMigazzisfesteSfärkeimNamendesChristophorus 
unterstützt durch die bewegliche Hingabe des Herzens; 
sie istdietatige Unruhe des augusfinischen Bischofs für 
seine "Civitasr: iinicht der ist also ein rechter Bischof. 
der vorzustehen. sondern der beizusfehen gewillt istii. 
Statt der abgeklärten Ruhe der Wahrheitsliebe nimmt 
der Drang der Liebe die geschäftige gottgefällige Unru- 
he auf sich." 
In Maulbertschs Waitzener Kuppelgemälde nTriumph 
der HI. Dreifaltigkeitu erblickt man in der Hauptansicht 
zum Altar hin ebenfalls die groß ausgebreiteten. einan- 
derzugewendeten Gestalten der hll. Christophorus und 
Augustinus (Abb. 7). Wie im Widmungsblaft weistAugu- 
stinus - hier allerdings im großen Zusammenhang mit 
der Trinität und der Himmelskönigin Maria - als eine 
Schlüsselfigur des Allerheiligenhimmels auf den Ge- 
danken der Civitas Dei hin. die hier für die ungarische 
Kirchengeschichte modifiziert worden ist." In dieser 
Ausrichtung der wCivitasu des Augustinus wird dessen 
Hauptgedanke gezeigt: Die himmlische und irdische 
Gemeinschaft durchdringen einander und führen so 
wden Wandel der Zeiten herbei". d. h. die Civitas besitzt 
einen Aspekt in der Zeitlichkeit wie auch in der 
Ewigkeit." Die Verbindung von irdischer Maria und 
ewiger Dreifaltigkeit ist dabei von ausschlaggebender 
Bedeutung. Maulbertschs Hochaltarfresko zeigt den 
vAugenblickir. in dem Maria das wMagnificam bei der 
Heimsuchung anstimmt" (Abb. 1). Maria, vdie Magd 
des Herrna. blickt gesegneten Leibes mit ausgebreite- 
ten Arrnen nach oben. ist raumdurchdringend auf die 
Dreifaltigkeit in der Kuppelhöhe ausgerichtet, Dort 
thront Maria als jungfräuliche Himmelskönigin unter ih- 
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