Wolfgang Georg Fischer! London
Gustav Klimt und Emilie Flöge
. Erinnerungen an Emilie Flöge'
Erzählt von der letzten lebenden Mitarbeiterin
des Modesalons vSchwestern Flögeu,
Frau Herta Wanke. Linz 1982.
Rahmen der Bearbeitung und Erforschung des
ige-Nachlasses verfolgten wir auch die naheliegen-
Idee. Originalstücke von Flüge-Modellen ausfindig
machen. Wir ließen 1982 Anzeigen in einerTageszei-
ig (iiDie Presseii, Wien) und ln einer Wochenzeitung
ufbauii, New York)' einrücken und wir hofften, auf
ise Weise vielleicht doch noch ein Flüge-Modell zu
:len. Leider istdas bisherige Ergebnis enttäuschend.
lAusnahme des traditionellen Samtjäckchens in der
idesammlung des Historischen Museums der Stadt
en (Abb. 9) und des Porträtfotos der Ella Gallia, auf
n sie ein Flöge-Modell tragt (Abb. 11), konnten wir
n neues Material aufspüren. Wirsind also abgesehen
'l diesen beiden Objekten weiterhin auf die schon be-
inten und oft publizierten Fotos von Klimt, auf denen
iilie als Mannequin ihrer eigenen Modelle erscheint
)b.1,14,15.17,i8,19)2,l1nd auf die Aufnahmen des
toateliers D'Ora angewiesen?
rch einen Glücksfall konnten wir jedoch die letzte
ch lebende Mitarbeiterin von Emilie Flöge in Linz aus-
dig machen. Herta Wanke (Abb. 16) war durch ihre
iirat nach Oberösterreich gekommen und hatte sich
Linz angesiedelt. wo ihr Mann eine Tabaktrafik be-
ibt. Wir baten sie. ihre Erinnerungen auf Band zu
rechen und haben nun diese mündlichen Überliefe-
tgen transkribiertohneWiederholungen und Dialekt-
indungen zu verbessern. um den besonderen Reiz
s gesprochenen Wortes, das so gut die teilweise
trend-naive und gefühlsbetonte Bewunderung des
emaligen Lehrmädchens für ihre elegante "Chefiflk
ierspiegelt, zu bewahren. Frau Herta Wanke ist kurz
ch der Magnetophonaufnahme im Frühjahr 1982 ge-
irben, und die Publikation ihrer Erinnerungen an den
lon der Schwestern Flüge und vor allem an Emilie er-
gt nun leider posthum. Ihre Liebe und Bewunderung
Emilie und das echte Verständnis für die Welt Klimts
d Flogesjenseits intellektueller und historischer Ein-
tnung wiegen mehr als ein Zentner nakademischerii
irdigungen. Ehre ihrem Andenken!
e Erinnerungen Herta Wankes geben uns aber nicht
r Einblicke in den Alltag des Ateliers (z. B. v. . . die Pup-
war immeraufdie Kunden abgestimmt, es wurden ei-
ne Musterleibe gemacht, die dann auf die Figur der
ndin ausgestopft wurden . . .ii, lrFrau Helene Donner
wardie Empfangsdame. . .iioderriDieArbeitszeitwar
mals noch nicht so geregelt wie heute . . . da mußten
zArbeiterinnen solange bleiben, bis das Stück fertig
lrde zu dem Termin, zu dem die Kundin befahlmii
:.), sondern machen es auch möglich, wichtige kunst-
d kulturhistorische Einzelheiten des Materials aus
m Bereich der Vermutungen in den Bereich des Be-
iisbaren zu überführen. Wir fassen zusammen:
Ein klassisches Gustav-Klimt-Emilie-Flöge-Kleid, in Seiten-
ansicht, mit weichem fließenden Körper, besticktem Brust-
ainsatz undkaskadenhaft nach unten fallenden und breiter
iverdenen Armeln (Nachlaß Flüge).
Eeschaftskartchen des Salons Schwestern Flüge mit Tele-
grammadresse und Telefonnummer (Nachlaß Flüge).
imerkungen 1 - 5
bie einzige deutschsprachige Zeitung New Yorks Wild vor allem von
den älteren Mitgliedern der osterreichtscnen Emigration gelesen, und
wir hofften. auf diese weise vielleicht doch noeri ein Flüge-Modell aus-
findig zu machen, das seinen Weg nach dem Anschlu61938 von Wlen
rlaCit New York gefunden hat.
Nebehay, Christian vGuslav Klimt Dokurnentationk, Wien 1969. XXI.
l
(Für Teil l vLiebe Emillelvr und Teil Il
rAus Emilies Weltii siehe ialfe und moderne kunsrir,
Hell Nummer 786f187 und 188).
oontwrataml
212mm
1. Die liTextilsammlung Flögeif (Stickereien, Go
ben, ungarische Nationaltrachten. bunte slowal
Bauernmuster) waren in Vitrinen ausgestellt unc
ein ästhetisch wichtiges und von keinem Besuc
übersehendes Detail der Ateliereinrichtung bele
2. Die vermutete soziale Schichtung des Kunde
ses wird bestätigt: Großbürgertum und erlolg
Künstler, besonders aus der Theater- und Mus
überwiegend jüdischer Herkunft. Die erwähnte
men Rothschild. Bruno Walter und Gomperz stel
pars prototo. Wieder bestätigt sich das Phänome
die iiHeldenii der iiklassischen Moderne in Wiel
Klimt zu Kokoschka und Schiele. von Mahler zu E
berg, Berg und Webern. von Musil, Kafka zu Broi
das sogenannte iijüdische Publikumti mäzena
dem Philistertum der irHofrats- und Kleinbürgerl
ausgeliefert gewesen wäre. Mode- und Eßkultt
nur ein kleiner, aber wichtiger Teilaspekt jener
kumsschicht, die nach 1938 entweder ausgerotti
de oder auswanderte.
3. Die Einbettung des Salons Schwestern Floge
traditionellen Bereich der europäischen Haute Ci
mit Paris als dem unbestrittenen riVatikan der S
Die von Klimt und der Wiener Werkstatten-Ästhe
gelegten Modelle sind daherAusnahmen und nac
Tod des Anregers Klimt imJahre 1918 nicht mehr
weisbar. Das universale künstlerische Genie Klin
den die Beschäftigung mit Mode ein willkomr
aber doch letztlich sekundärer Aspekt seines Kü
tums bleiben mußte. wird durch Modeschöpfer pi
nitionem wie Coco Chanel und Schiaparelli erse
4. Orientalische Gewänderä waren Teil der i
sammlung Flcgeit. wahrscheinlich den passior
Anregungen Klimts auf diesem Gebiet folgend.
5. Bestätigung der traurigen Tatsache, daß man i
deutung der Wiener Werkstätte und der Kolo-l
EinrichtungbeiderAuflbsung des Salons imJahri
nicht erkannt hat und das sichtbare iiMonumer
einzigartigen Symbiose zwischen dem Genie
und seines Kreises und dem Talent Emilles verlo
gangen ist. Durch die Auffindung des Nachlasse
allerdings eine nwiederenueckungii möglich
könnte die Einrichtung Kolo Mosers an Hand der
rekonstruieren und mit den Objekten aus dern Ni
ausstatten, die Briefe und Karten Gustavs an Emi
eine Dokumentation über die Beziehung Klimt
könnten diese ästhetische Bühne ergänzen. a
Emilie so lange und tapfer gewirkt hat. Ein kleine:
wichtiges und sicher publlkumswirksames JLlt
Rahmen des vieldiskutierten, aber bisher nicht vr
lichten Wiener Jugendstilmuseurns . . .l
Wir geben den Text Herta Wankes ungekürzt unc
Originalform wieder. (Für die Transkribierung dar
meiner Mitarbeiterin Frau Dr. Dorothea McEwa
4 Empfangsraum Salon Schwestern Flüge (Nachlaß F
5 Büro des Salons Flöge. Hinter dem langen Pult wie:
steh im typischen Schwarzweiß der Wiener Werksta
Aufbewahrung von Stoffen und Zubehor. Die iivergi
Ecke links war der Platz der Buchhalterin (Nachlaßl
Klimt und Emilie Floge. S 274, Anm 4
' Neberiay,a.a o .5. 274. Arirrraurio Kultermartn, Udo i-Gust
EmllleFlbgeund die Moderelorm trlWien um 1900-, In -alte ur
ne kunsh. 23. Jahrgang 1978, Nr. 157, S 35,
' Siehe W. G Fischer: Klimt-Flüge Nachlaß. Teil II. Heft 155.!
Abb 13.
5 Vgl W.G. Fischer. Klimt-Flüge Nachlaß Teli li, Heft 185,5 31