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O (AFIOC) TIAVAOC. Die Auflösung ist gesichert, denn man erkennt deutlich in
dem 0 ein A inscriptum, das bei flüchtig gemachten oder bei mißverstanden
kopierten Inschriften zu einem einfachen Punkt herabsinkt oder gelegentlich
ganz fortgelassen wird.
Das Objekt ist in Bulgarien erworben worden und gehört auch dahin
dem Stile nach. Wenn die Unterscheidung von deutschem und italienischem
Zellenschmelz noch einige Schwierigkeiten bietet, so kann man doch ganz
mühelos echt Byzantinisches von byzantinischer Einliußsphäre und beides
von Abendländischem sehr deutlich unterscheiden. Wir bringen hier in den
Figuren II, I2 und I3 drei entsprechende Abbildungen, und man wird leicht
erkennen, daß das Figdorsche Stück zur zweiten Gruppe, der stark byzan-
tinisch beeinflußten, gehört. Es mag dem XI. oder XII. Jahrhundert ange-
hören, in welchem Bulgarien, wie auch in anderen Zeiten, zu Byzanz zwar
politisch feindlich stand, künstlerisch aber mit ihm verbrüdert war.
Figur I1. Zirka dreifache Gr. Detail eines Figur m. Zirka doppelte Gr. Ernail vom
Emails der Staurothzk in Lirnburg a. d. L. Einband des Evangeliars Heinrichs I1.
(Hofbibliothek, München)
Figur I3. Nat. Gr.
Email vom Behälter für
das Uotaevangeliar
(Hofbibliothek, München]
Für die Emailtechnik, die hier als
Überschrift genannt ist, hat man lange
nach einem passenden Namen gesucht.
Schließlich hat man sich im Französi-
schen auf das urkundlich beglaubigte
„email de basse taille" und im Deutschen
auf die 188g von Schneider vorgeschla-
gene Übersetzung „Email auf Tiefschnitt"
geeinigt. Man darf aber nicht vergessen,
daß der französische Ausdruck erst 200
Jahre nach dem ersten datierbaren Auf-
treten des Verfahrens nachzuweisen ist,
zu einer Zeit, da dasselbe, trotz Cellinis
Erwähnung und trotz des herrlichen
Frührenaissance-Bechers in Kopenhagen,
bereits im Abilauen begriffen war.
Die Technik besteht in ihrer Blüte-
zeit darin, daß der meist silberne Unter-
grund in Flachrelief geschnitten und dann
mit einem durchsichtigen Email bedeckt
wird,das alle Vertiefungen des Reliefs füllt
und auf der Oberfläche ebengeschliffen
wird. Selbst wenn der Schmelz einfarbig
ist, erscheint er über den Tiefstellen dun-
kel und auf den Hochstellen hell. Die
Nuancierung des Farbentons erfolgt also
nicht durch das Email, sondern durch das
darunter liegende Relief, und darin liegt
eben der Trick des Verfahrens. Mag das
Relief nur schematisch behandelt oder
sonst reizlos sein, es wird durch den Auf-
trag des Schmelzglases zu ausgezeich-
neter Wirkung erhoben. Sie kann natür-
lich durch künstlerische Behandlung des
Untergrundes noch gesteigert, ja durch
einen Goldgrund und subtiles Bearbeiten
desselben zu magischem Eindruck er-
hoben werden, wie es bei einigen kleinen
Rundmedaillons im Louvre der Fall ist.
Die I-Iauptetappen der Technik illu-
strieren unsere Abbildungen 14 bis 16.
Figur 16. NaLGr. Um 145a (Sammlung Figdor) Die erste: VQm Sockel der Madünna der