Das ehemalige Minoritenkloster in Tulln mit seiner Kir-
che läßl in seinem heutigen, nicht sehr guten Bauzu-
stand sofort die Vermutung entstehen, daß wie bei vie-
len anderen österreichischen Klöstern KaiserJoseph ll.
auch hierdas Schicksal des Konvents durchAufhebung
besiegelt habe, Es waren aber andere Faktoren, die zu
einemgutenTeilausderTullnerKommunitätselbslsich
ergaben, die dazu führten, daß das Haus der Minoriten
in Tulln von der Wiener Regierung 1807 geschlossen
wurde. Das Kloster wurde 1225 nach der Ordenstradi-
tion gegründet - es war das älteste in der Stadt - und
dürfte sich von ieher eines guten Verhältnisses zu den
Bürgern der Stadt erfreut haben. 1543 waren Kloster
und Kirche iiöde und baulälligrr. Nach der dunklen
Periode des 16. Jh.s begannen aber die Mönche des
Minoritenordens1635mitder Neuordnung ihres Besitz-
Bautätigkeit ergab, ein Hauptgrund dafür wurde, daß
Kloster und Mönche ihre Lebenssubstanz verloren. Die
Reputation. der innere Zusammenhalt mit der Stadtge-
meinde gingen verloren. Die Schließung von 1807
führte dazu, daß die Klosterräume für anderweitige
Zwecke adaptiert (heute befinden sich Wohnungen
darin), Kirche und unmittelbar anschließende Raum-
lichkeiten weiterhin religiös verwendet wurden (Loreto-
kapelle, Eremitage, Sakristei und Gruft); das Archiv und
die sicher einmal vorhandene Bibliothek sind bis auf
geringe Reste zerrissen und zerstreut?
ln einer Abschrift im Wiener Minoritenkonvent, in des-
sen Archiv sich ein Teil des Tullner Bestandes erhalten
hat, ist uns die Weiheurkunde der Kirche vom 13. Juni
1739 überliefert. P. Engelbert Feil berichtet in seiner
handgeschriebenen Chronik des Minoritenordens in
Anmerkungen 1 M6 (Anm. 7 -14 s. S. 12)
i Die Daten sind entnommen aus Biack, Otto. Antcn Kerschbaumer,
GeschictttederStadtTulln -Tulin 19665 451 e 455. zurkunsthtstd-
rischert sicht s. Reclams Kunstlührer Österreich Bd. 1. wien, Nieder-
österreich. Oberüslelreich, Burgenland 4. A - Stuttgart 1974.
499 - 474. zurhistcrischen Lage derstadtrultn s Handbuch derhistd-
rischen statten Osterreich. Ed 1 Dnnauldnder und Burgenland 7
Stuttgart is7o, see - sas Als Stadt ist Tulln demnach seit ca. 1255
oder 1262 bezeugt.
1 Kldster und Kirche sind heute im Besitz der Stadtgemeinde; diese hat
in itingster Zeit mit der Renovierung der Kirche und der Gruft begcn-
nen,imSorrlmer 19B5warerl dieAußenmauernliisch verputzt Eskann
gar nicht genug hervorgehoben werden, diaß man sich der sehr kcst-
spieligert Restaurierung gewidmet hal ich möchte hier sehr herzlich
demDtrektordesTuiinerBauamteslng Jcseteirschikdanken.hiltsbe-
reitwar auch lng walter slama vom selben Amt. sehr lreundlich war
immer die tur die Sakristei der Kirche zustandige Frau Anna Kubu. sie
hat mir einige Male den Zutritt zu Kirche und Gruit ermöglicht.
Das Archiv rrerle der laiblicthekv) beiindet sich heute im Archiv des
Wiener Minciiitsnkcniients, hier war es wieder Bruder Karl Lustenber-
ger, der mir die Benutzung großzugig gestattete. Fiir den t. Teil der
Arbeit ergab allerdings das Archiv nur eine sehr geringe Ausbeute.
1 Wien,MirloritenklostenArctltv.TuiinerArchtwKarton1,Tulinll1(mit
der umschrirt: Acta Conventus Tulnensis ad Histciiam prdvinciae per-
tineritiai. Die weihe iinllzcg der Plarrherr von Tulln Anton Josef Grat
Lamberg, zugleich Passauer weihbischcr, Biack (Zil. Anm. 1) 45a,
Feil.Engelberheeschichtedas Mlrlorlterl-OrdensirtÖsterreich. -Um
rate (Wien, Mincrttenklcster Archiv, MS Nr lIIl: zu Tulln157 e tai)
Nach dem Baualtatsplan vcn Adaibert Klaar, abgedruckt Biack, zit
Anm. 1 .. Bildbeilagen.stammtdteLorelckapellevomEndedes17.Jh.s,
im Plan der Kirche, der dem verl vcm Bauamt der siadtzurverrügung
gestellt wurde, heißt es nur wÄltere Lcrettckapelte-i: beidesrrial ohne
Angabe von Gründen. in die weihe von 1739 wurde iedehialls die
Kapelle einbezogen. Feil berichtet auch, dala 1154 erst der weiterbau
erlolgte, ohne genaue Angaben. wo und wcrin diese Bauarbeitert
bestanden haben Derrurmwutdeviel spater71819-aulseirte tteu-
tige Hdhe gebracht, das unteigeschcß stammt sicher ausderZeit des
Kirchenbaus
l Es hat allerdings den Anschein. alswarsn diese steintateln erst spater
angebracht worden sie beinhalten ieweils eine Kurziassung der
lnschrilien der beiden Holzkartuschen. die tiber den Doppeltüren
rechtsundlinksvdrdem chcrangebrachtsind (Settrschbneteilweise
beschädigte Rahmen) Datiert gletchlalls1751 und 175a Da im Laule
dieses Aursstzes irn Zusammenhang mit dem Altarraum und dessen
Figuren noch Kurz daraut hingewiesen wird, bringen wir die lnschritt
der linken Tafel. bemerkenswert die ausdruckliche Hervorhebung des
Aliarsakrarrientes iiMatus Altare hcc cmnipctenti deo in ttonorem
sssacramenti erectum privilegib quotidiarld perpeluo ac liberd crc
dmnibusdelunctisadqucscurriguesacerddtes vigcre brevis Berledictl
papae XIV die 1v. bctcbris MDOCLI insrgnitiim atqua minisirc generali
ordirtis die x mensis mari MDCCLHI designaturn-r. Die rechte Schritt-
urnrahmung zeigt als Bekrbnung ein Motiv,das scwie eine Heiheande-
rer die Räume durchzieht und zu einer Erlebniseinheit verbindet: zwei
gekreuzte, in den l-tandtlachen durchtidhne Arme, mit einem Kreuz-
eine Kurzlcimel lur die Wunden Christi und die Stigmatisierung des
hl. Franziskus Das Motiv erscheint über der Eingangstiir. an einer
wand der Sakristei und am scckel des Kreuzes vcir der Kirche. (Alle
hier behandelten tnschrilten in Kapitale)
l ln dlesergeplanterl Fortsetzung sollen beharldeitwerderl. Mßiälerlla-
gen stilistischerZusammenhangs von Architektur, Stuckarbeiteri, Pia-
stiken und Malerei, weiters, wie weit das recht komplexe Programm
vdri Ausstattung und Architektur im Bildungsrllveau und im ldeerlpro-