aktuell vorhanden, in den schriftlich fixierten Bezügen
und dann konsequent sich daraus ergebend in den bild-
lich formulierten Darstellungen; es muß hier also eine
innere heilsökonomische Verwandtschaft gesehen
werden; natürlich bedeutete dies für Johannes Nepo
muk eine außerordentliche Werterhohung, unser Heili-
ger steht in einem groß konzipierten Netz schon seit
jeher laufender Heilswege. Bildlich und plastisch-
räumlicll wird er so dargestellt und gerade deshalb so
dargestellt. Als Belege dafür seien angeführt: die Eltern
des böhmischen Heiligen werden als sehr fromm
geschildert, alt und kinderlos." Von den Eltern Johan-
nes des Täufers berichtet Lukas im i. Kapitel seines
Evangeliums ganz Ähnliches: die Gerechtigkeit vor
Gott, das weit fortgeschrittene Alter, das ständige
Gebet. (Übrigens ist eine typologische Gemeinsamkeit
auch mit Samuel vorhanden.) In den Bildtiteln von Stich
2 (Geburt) heißt es: wConcepit filium in Senectute sua.
Luc. C. l. v. 36a was sich auf den Täufer bezieht und zu
Stich 4 (Joh. Nepomukdient am Altar) vPuer autem erat
ministerin conspectu Domini antefaciem Heli Sacerdo
tis. 1 . Reg. C. 2. v. 11x. Es istda beinahe selbstverständ-
lich, daß die Geburt im ikonographischen Schema der
Geburtdes Täufers abgebildet ist. Weiters: vorder Prie-
sterweihe zieht sich Johannes von Nep. in die Einsam-
keit zurück nafflictando corpore, repurgando conscien-
tia, impetrandis COOISSÜÜUSN (Vita n. 5)- Johannes der
Täufer in der Wüste, und natürlich auch Christus
selbst." In der sehr bald ansetzenden Leidensparaliele
der beiden Heiligen reagiert König Wenzel sehr ver-
gleichbar dem König Herodes (d. h. die Heiligen haben
Überzeugungskraft): vitaque viri doctrina, sapientia, et
interioribus litteris captus, et eloquentla victus. audito
JoannemultalaciebatlrNitanß). Bei Marcus6.20 heißt
es: i-Herodes enim metuebat Johannem sciens eum
virum iustum et sanctum. et custodiebat eum. et audito
eo multa taciebatu.
in der nlnszenierungu des Tullner Chors wird indessen
dieSchlußfugeweiterentwickelt.WährendjaJohannes
d. Ev. gleicherweise wie Johannes Nepomuk zu Maria
aufblickt (auch hier sind wieder beide in derselben
Schau innerlich vereinigt), hat sich Johannes d. T. den
Beschauern zugewendet und weist mit der rechten
Hand nach vorne (die Korrespondenz der Gesten über-
spielt dabei alle Grenzen der Medien und damit Raum
und Zeit). Dies kann sich einerseits auf den Altar bezie-
hen, womit sein Fahnenspruch nEcce Agnus Deik im
Sinne des gläubigen Barockmenschen eine unmittel-
bare Wirklichkeit erhält. Die Geste kann auch weiterge-
hen und das goldfarbene vVerbum divinumlr begleiten.
Ganz im Sinne einer mittelalterlichen Doppelkirche
befindet sich hinter dem Altar die Verbindungsötfnung
zur Ouasiautbahrung des Martyrers in der Gruft. Auch
ihn hat aber bereits die Lebenskraft des Wortes
erreicht; wie sein großer Namenspatron, der Evange-
list, weist er auf das aufgeschlagene Buch, in einem
sehr schönen und geradezu klassisch gelautertem Ge-
stenablauf von der Hand auf der Brust zu der, die das
Wort Gottes zeigt." Der Glaube stützt ihn und das
Buch, während die uBohemiak noch in tiefer Trauer zu
Füßen ruht. Es muß hier eigens hervorgehoben werden,
wie sehr der Fluß der Gewänder, die Bewegtheit der
Gestalten und das innere Maß derGesten die Gruppe zu
einer unlösbaren Einheit zusammengeschmolzen
haben,wobeiauchder FlußderEmotionen beiallerlndi-
vidualität in sich geschlossen bleibt - geschlossen
bleibt bis autdas Indiz des lmpetus aus der Oberkirche:
der rotfarbene Stuckvorhang aus der Verbindungsöff-
nung ist autgetan. In der Unterkirche ist zweimal die
Inschrift angebracht vBeati mortui qui in Domino mori-
untur. Apc 14 V 131 - sicher so gemeint, daß die hier
seit 1750 begrabenen Mönche in diese Bewegung mit-
assoziiert werden.
Es kann hier nicht auf die vielen Detaiianklänge hinge-
wiesen werden, die auch das Langhaus der Kirche
durchwirken. Nur kurz folgendes: die Verehrung des
Aitarsakramentes wird in den vorderen Altären (hl. Fran-
ziskus, Tabernakelrelief der hl. Paschaiis Baylon mit
dem anbetenden Hund, und hl. Antonius, Tabernakei-
reliet der Esel des Haeretikers beugt seine Vorderfüße
vor dem Sakrament) beziehungsvoli unterstrichen. An
den Tabernakein der hinteren Türen sehen wir einmal
den Toddes hl. Franziskus und dann die hl. Rosaliain der
Grotte. Sehr deutlich wird in all diesen Reliefs der
pädagogisch-praktische Wille, den Gläubigen anzu-
sprechen. Die vier Seitennischen sind darüber hinaus
aber für sich allein zu sehende Bedeutungszellen. Das
zeigt schon das über den Bogen angebrachte Motto,
das zeigtaber auch die überaus feine Abstimmung aller
in der Nische vorhandenen Motive." Es ist eine Einheit,
die aus der Nische sich dem Langhaus gegenübereröff-
net.ein geschlossener Kompositionsdiaiog,deraussei-
ner Konversation doch manchen Oltenbarungsblitz
nach außen hin zuiaßt. Bewundernswürdig erscheint
nun wieder der gieichgestimmte Modus, das Verhalten
aller in einer Tonart.
Die Tullner Kirche steht wpfahlbauartigu auf einer Reihe
in historische Tiefe reichender Stützen. Architektur
geworden sind diese Fundamentierungen an den Pila-
stern des Langhauses, an die in Kartuschen klassisch
empfundene Apostelbüsten eingelassen wurden?
Das ist nun doppelte Architektur: die xnormaleir der
gekuppelten Wandvorlagen, und die der ideellen
Bedeutung, daß eben die Apostel den Bau der Kirche zu
tragen haben. Vorbild für diese Idee mag vielleicht in
Tulln selbst gewesen sein: die Pfeiler der (nicht mehr
existierenden) Frauenklosterkirche trugen die Figuren
der Gründerhabsburger"; wollte man aber so wie in
derHerstellungelnerDoppelkircheauchhierin mittelal-
teriiche Zeitschichten absteigen. eine Reverenz an den
nur in der barocken Kunstsprache so zu verherrlichen-
den Titelheiligen? Es läßt sich dies schwer genau fest-
stellen. Von der Kanzel, deren Relief die Auffindung des
Heiligen an der Prager Moldaubrücke zeigt, tönt ein
Engel einen silbernen Trompetenstoß. während der Er-
scheinungsvorhang nach beiden Seiten geöffnet wird.
der Heilige Geist und seine Flammenzungen erschei-
nen über der Kuppel der Kanzelbedachung, die nach
dem kleinen Zentralbau im Fresko in der Unterkirche,
wohl auchalsSymbolderKircheüberhaupLverstanden
werden kann; der schon einmal zitierte Prediger von
1752 schloß seine schwungvolle Allocutio mit den Wor-
ten: n . . . aufdaß wirdie Ehre Gottes indem Werck stand-
hatftig verthatigen I hierdurch auch an uns wahr werde
I was von denen Jüngern des Herrn die Apostolische
Geschichten melden I und ich anheut zum Lob-Spruch
Joannis aus denenselben entlehnet habe; Alle seynd
erfüliet worden mit dem heiligen Geisur" im Sinne
einer solchen vollständigen Spiritualisierung darf wohl
die Interpretation des Raums der Tullner Minoritenkir-
che verstanden werden.
Anmerkung 36i.-37 (Anm. 31 -36 l. s. S. 15)
kleine Rundaoqeriniscrien die Büsten der Apostel untergebracht wur-
den Die Deutung au! Apostel ist allerdings nicht durch lnschrifien
bes iigi. senr schön wera natürlich. würde es eine Verbindung gehen
-Kenninisvori Beschreibungen ist In an sicnrnoqiicn gewesen rzur
Aposielkirche in Konxinnlinoipei. von der bekannt wer und ist. daß der
Sarkoptiug des Kaisers Konstantin von sauien mit den Inschnlleri der
12 Apostel umgeben war, s. Kraimiolrlier. Richard. Eariy Qrrisiian arrd
Byzantine Architecture. - Harmondswortri 1965 (T719 Pellcan History
U1 an. Z 24.) Die Allsgorlslerung da! tatsächlichen Architektur durch
atficriiene Embleme oder Kertuschen geschah bereits auch in dem
bereits genannten Werk von Joseph Mezger. Anrius rriariano
1G
benedlCllnilSUÄfliTi. 7); z. B. der Rundiempel am Fest der nl . Aurea vom
IV. Octobris wird durch sieben Säulen getragen, die mit lnschritten wie
casta, tacens, humllls usw. als Tugenden der betreuenden Heiligen
ausgewiesen Sind und 50ml! diese beruhigen. einen r-Tempiurn De lil
bilden (so die Überschrift). die Sockellnschrlit besagt dies ausdrückw
iißh nDomus septem suiiultl bßiumriisl. Ein sehr scnones. wesennieir
früheres Beispiel stellt der Tiiemien der lnbschrill v-Madruiia Tempe-
von Wolignriq Klliun von 1629 drrrnrenio, Eibliotecacommunale) Hier
Siili Karl Emmunuol Mndruzzo in einem Sedlsßckigan Zentralraum.
dessen Pieiler mit Taieln eisTuqenden des Fürsten ausgewiesen wur-
den, Tugenden. die aber zugleich den Ruhmastempei des Kerl Emma!
nuel bilden. -
" s. Anm. 21 .