d-..
Frau sitzt weinend im Wagen, und kleinlaut folgt der Hund. Aber
jenseits all dieser kleinlichen Misere menschlichen Alltagslebens
liegen die Berge: Unverrückbare Wahrzeichen der Grösse und
Schönheit der Natur.
Ich kenne zwei Porträts von Segantini: Ein Bild einer alten
Frau, etwas verschwommen, aber mit gutem Ausdruck in den Zügen,
und das „Bildnis eines Wohlthäters" (1897). Die Gestalt ist in harten,
eckigen Linien hingesetzt, das Ganze auf einen altväterlichen Eindruck
zugespitzt - nicht ein gutes Porträt im landläufigen Sinne, aber
auch hier wiederum eine edle Wirkung ausiibend durch die Harmonie,
die Alles verbindet: Den guten Menschen, der da beim Lampenlicht
in der Kammer sitzt, und draussen vor dem Fenster streckt sich die
Welt. . .
In den letzten Jahren ist es Giovanni Segantini zum Lebens-
bediirfnis geworden, in jedem seiner Werke die Güte der Natur zum
Ausdrucke zu bringen. Seine Malerei sollte ein Mittel zur Veredlung
des Menschen werden. So ist er zum Symbolisten geworden in
manchen Bildern. Er selbst sagt: „Ich habe das Bild ,Die Frucht
der Liebe, - eine Madonna mit dem Kinde - gemalt, um die
ganze Seligkeit der Mutterliebe Fühlen zu lassen." Eine gleiche
Absicht hat auch „Der Engel des Lebens" gehabt, ebenfalls eine
Madonna mit dem Kinde von unendlicher Zartheit in den weichen
Linien und den blassen Farben. Ein andermal malte er mit förm-
licher Wuth die schlechten, hässlichen, lüsternen Frauen - das
ist das Bild: „Die Wollüstige". „Und als ic " - erzählt er - „den
Eltern eines gestorbenen Kindes den Schmerz lindern wollte, malte
ich den ,Glaubenstrost im Schmerzeä" Dieses Gemälde zeigt am
Friedhofsthor im Gebirge weinende Menschen. Ringsum ist alles
weiss, traurig. Raben fliegen hart am Boden. Und oben, gleichsam
am Gesimse des Bildes, sieht man Engel das gestorbene Kindchen
in den Himmel tragen.
Es ist nicht möglich, jedes Bild auch nur zu nennen. Ich
möchte nur noch zwei Gemälde aus den letzten Jahren erwähnen.
Die erste Secessionsausstellung - noch in der Gartenbaugesellschaft
- hatte beide den Wienern gezeigt. Das eine ist „Die Quelle
des Übels". Es ist der einzige Act Segantinis, den ich - auf
Bildern - kenne, eine Frauengestalt von schlanker Schönheit. Das
zweite ist das Triptychon von der „Schöpfung der Musik". Im Mittel-
bilde spielt der Künstler, links tanzen Mann und Weib einen wilden
Reigen der Liebe - des Lebens, während rechts edle, ruhige
Mädchengestalten nahen.