die in den zeitgenössischen Saizburger und Admonter
Handschriften vollständig fehlen. Unterschiedlich sind
schließlich auch noch die gelben. schmutzig-grünen
oder purpurnen Untergrundfarben." In dieser Hinsicht
dürften allerdings Zusammenhänge mit der zeitgenös-
sischen Admonterm Malschuie bestehen. Auch die
Achterschlingenm (Abb. 3) an den Buchstabenkörpern
und die eingekerbten Zierlinien" innerhalb der einfa-
cheren Initialen (Abb. 3) weisen Parallelen mit der
genannten Werkstatt (Abb. 12 und 17) auf. Trotz dieser
Gemeinsamkeiten sind die Unterschiede zum Admon-
ter Typus nicht zu übersehen. wie die knorpelige
Formw (Abb. 9) der Rankenblätter zeigt. Auch die in
Admont beliebte historisiertem (vgl. Abb. 9 und 12) ini-
tiale fehlt in Millstatt fast vollständig.
Keine Zusammenhänge lassen sich hingegen mit dem
zeitgenössischen lnitiaitypus der Werkstatt des Bene-
diktinerstiftes St. Lambrecht in der Steiermark feststel-
len. der äußerst schlanke Ranken und iilienförmige"
(Abb. 13) Blüten oder dicht gezahnte Blattformenw
besitzt.
Die Auseinandersetzung mit der unterschiedlichen Inl-
tiaiornamentikbenachbarterMaizentrenzeigtalsqdaß
der Typus des Millstatter Sakramentars als eigenstän-
dige Form betrachtet werden muß. Auch ein kurzer
Blick auf lnitialiormenm älterer Millstätter Handschrif-
ten vermag diese Beobachtung zu bestätigen, wenn-
gleich dort gewisse stilistische Verbindungen mit der
zeitgenössischen Saizburgerm Ornamentik gegeben
sind. Der lineare Zeichenstil (Abb. 14) im Pergament-
kodex 38 aus der UB Klagenfurt iaßt sich hingegen am
ehesten mit dem nüchternen Vokabular süddeutscher
Reformkiöster vergleichen. Initialen dieser Stilrich-
tung sind auch in zeitgenössischen Göttweiger"? und
St. Blasianer": Handschriften aus St. Paul im Lavant-
tai nachzuweisen. Verwandt damit sind aber auch
die Zeichnungen der Codd. a Vlll 1 (Rituale; Mitte
12. Jh.)'", a X 24 (Gregorius Magnus: Moralia; Mitte
12. Jh.)"5 und a XI 4 (Werke des hl. Augustinus; 3. Vier-
tel 12. Jh.) von St. Peter in Salzburg.
Zusammenfassend kann man also festhalten, daß ne-
ben dem Kalender und der Schrift auch die künstleri-
sche Ausstattung des Miilstätter Sakramentars eine
Lokalisierung nach Salzburg oder Admont ausschließt
und eine tatsächliche Entstehung in Millstatt wahr-
scheinlich macht. Maßgebend türdiese Beurteilung ist
vor allem die unterschiedliche Auffassung in der Dar-
stellung der Tierkreisbiider und in der Ausbildung einer
eigenständigen lnitialornamentik.
Henrorzuheben ist in diesem Zusammenhang geson-
dert noch der naturalistische Stil der Tierzeichnungen.
da dieser ein erhöhtes Interesse an physiologische
Gesetzmäßigkeiten und die Berücksichtigung indivi-
duelier Merkmale zur Voraussetzung hat. Bedenkt man
dazu noch. daßdiese neue Naturbetrachtung im Umfeld
eines byzantinistisch und platonisch" geprägten Weit-
bildes vor sich geht. wird man erst das eigentliche Aus-
maß der Bewußtseinsänderung ermessen können. die
zu dieser realistischen Auffassung geführt hat. in Ver-
bindung damit wird aber auch die Reduzierung des
strengen Byzantinismusm in der Darstellung des Gre-
gorbildes (Abb. 1) erklärbar. Daß diese naturalistische
Tierdarsteilung darüber hinaus auch als positiver Hin-
weis einer Kärntner Provenienz des vorliegenden
Sakramentars verstanden werden darf. zeigt der
Umstand. daß die einzige verwandte (Abb. 6) Darstel-
lung aus einer zeitgenössischen Handschrift des Bene-
diktinerstittes St. Paul" im Lavanttai stammt.
4. Datierung
DerZeitpunktderEntstehungdesMillstätterSakramen-
tars wurde im allgemeinen aus dem stilistischen Zu-
sammenhangwg des Gregorbiides (Bi. 7v) mit analogen
Darstellungen des Antiphonars von St. Peter gefolgert.
Eine Festsetzung der Entstehung innerhalb des Zeit-
raums von 1160-1180 lag daher nahef" Bedenkt
maniedoch.daßdasGregorbildgegenüberdemStildes
Antiphonars eine Weiterentwicklung" darstellt und
32
17 Initialen mit unterschiedlichen Verzierungen aus der Werk-
statt des Benediktinerstiftes Admont. Admont. Stiftsbiblio-
thek, Qod 17. S. 227.
sowohl der Kalenderm als auch die lnitlalgrnamentikm
Admonter Einflüsse aufweisen, scheint eine Entste-
hung während oder kurz nach der Regierungszeit des
aus Admont stammenden Abtes Heinrich Il. (1166 bis
1177)" als angemessen. Die Entstehungszeit läßt sich
also auf die siebziger oder den Beginn der achtziger
Jahre des 12. Jh.s begrenzen. Bei der Festlegung der
oberen Entstehungsgrenze muß auch noch die Tatsa-
che berücksichtigt werden. daß der Eintrag des hl. Tho-
mas von Canterbury. dem um 1178"" in Salzburg eine
Kirche geweiht wurde. im Kalender des Sakramentars
noch fehlt (Bi. 89r).
Zusammenfassung
1. Das sogenannte Millstätter Sakramentar ist in Mill-
statt selbst und nicht in Salzburg in den siebziger oder
am Beginn der achtziger Jahre des 12. Jahrhunderts
geschrieben worden. Diese Herkunftsbestimmung
ergibt sich sowohl aus der Interpretation des liturgi-
schen Kalenders als auch aus der Untersuchung der
Schrift und der künstlerischen Ausstattung.
2. Der Kalender enthält die für Millstatt gültige Festord-
nung der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Er gibt
außerdem Aufschluß über die intensiven Verbindun
zwischen Millstatt und FriauilAquileia auf der ei
Seite und den Oberkärntner Enklaven des Freisil
Hochstiltes auf der anderen Seite. Grundgelegtwut
diese Beziehungen schon bei der Gründung Millsti
da die Grundherrschaft von Millstatt auch im Ber
der genannten Herrschaitsgebiete Besitzungen h:
Der Eintrag des in Millstatt verehrten Herzogs Dom
ist echt. Er ist zur ursprünglichen Kaienderfassun
rechnen.
3. Die Schrift zeigt deutliche Unterschiede zum mi
mentalen Stil der Schreibschuien von St. Peter in E
burg oder Admont in der Steiermark. Aus der Ur
suchung des Skriptoriums der zeitgenössischen Hi
schritten. die einen Miilstätter Besitzvermerk auf
sen. gehthervor. daß Millstatt schon im 12.Jahrhun
eine eigene Schreibschuie besaß. Auch das Sakrar
tar dürfte im Rahmen dieser Schule entstanden s
Verwandt mitder Millstätter Schrlftform ist im gewi:
Sinn auch die Schrift der Wiener Genesis (: lll
ÖNB. Cod. 2721). Auch in diesem Fall ist eine En
hung in Kärnten anzunehmen. Die Millstätter Gent
und Physiciogushandschrift gehört schon der früh
schen Epoche an. Ein Vergleich mit romanischen H
schriftenistdahernurmitEinschränkungen mögiicl
deutet abervieles daraufhin, daßauch sie aus dem
stätter Skriptorium stammt.
4. Obwohl die Illuminationen (Gregorbild. Tierkreis
stellungen und Federzeichnungen) Parallelen zurr
des Antiphonars von St. Peter (Gregorbild) oder
zeitgenössischen Werkstatt des Benediktinerst
Admont (Federzeichnungsinitialen) aufweisen, b
zen sie einen eigenständigen Charakter. Neu ge-
über den genannten Maizentren ist vor altem der r
ralistische Stil der Tierdarsteliungen und die Ornar
tik der Rankeninitiaien. Verwandte Tierzeichnur
lassen sich in der Werkstatt des Benediktinerst
St. Paul im Lavanttai nachweisen.
Anmerkungen 112 - 134a s S. 31
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